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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. ableitung. schlußbemerkungen.
ben ursache entfpringen im ahd. Resultat wäre: nächst
dem l, r, n weisen sich die mutae th (= lat. t) und h, g
(= lat. c) in der ableitung die geschästigsten *).

Wegfallen können keine ableitenden cons. leichter, als
die spiranten v, s, h (s. 192. 275. 310); t pflegt, unbe-
schadet der bedeutung, zu schwinden oder zuzutreten
(s. 210. 3; vgl. 1, 429. 1073.) ebenso r (s. 143.) und n
(s. 182, b). Das n bedarf auch in einer umarbeitung des
ersten buchs neuer untersuchungen. Vor ableitendem th
und s unterdrücken es einige mundarten (caud, lide,
s. 239; gas s. 263); anderemahl scheint es selbst in die
wurzel zu dringen **) und dem auslautenden wurzelcon-
sonanten ansehen einer ableitung zu geben. S. 216. not.
und s. 232. ist der fall berührt worden ***). Für einzelne
wörter mit nt, nd, ns, nk, ng bleibt es auszumitteln,
ob ihr n. oder ob ihre ling. und gutt. wurzelhaft sind. --
Ungehörige liquidae drängen sich in folgenden fällen zwi-
schen die wurzel und den ableitungsvocal ein; l in -ling
(s. 364.); r in -rei (s. 97.) -rer (s. 131.) -ring (s. 365.)
-roeni? (s. 181.) -risch (s. 377.); m in -muot (s. 256.); n
in -nei (s. 97.) -naere, -ner (s. 129.) -nede (s. 247.) -nad
(s. 254. 255.) -nissi (s. 322.) -nisc (s. 376.). Seltner und
später schiebt sich r unmittelbar vor den ableitungscons.
ein: adj. -ern (s. 179.) verba -ern (s. 273.) vergl. auch
das eingeschaltete s im nhd. dasig, hiesig (s. 295.). -- Ob
sich ableitende consonanten aus ursprünglich flexivischen
entwickeln können? darf etwa bei einigen n (s. 373.) s
(s. 275. vgl. 1, 1051. 1058.) oder t (s. 261. 223. vgl. 1,
826.) gefragt werden. Der fall wäre ganz verschieden
von dem s. 91. geleugneten, daß ableeitungen an flexionen
hinzutreten dürften. --

3) [fühlbare und dunkle ableitungen]. Hätte ich in
der abhandlung mehr darauf ausgehen sollen, die deut-
lichen, practischen ableitungen von den ausgestorbnen,
bloß theoretischen zu unterscheiden? Ist nicht das g in
durstig, das z in jauchzen, das t in monat, das l in vo-
gel ganz ein anders, als das in berg, wälzen, blüte, seele?
Läßt sich nicht aufstellen: eine fühlbare, fortlebende ab-
leitung hält ihren vocal vor ihrem cons. fester, verbin-

*) der wechsel des d und g in slinden, slingen ist erst späte
verwechselung zwischen nr. 385. und nr. 421.
**) etwas anders ist die eindringung des f und s (s. 209.).
***) vgl. das n im lat. mingo (mejo) ningo (nix) frango (fregi) etc.

III. ableitung. ſchlußbemerkungen.
ben urſache entfpringen im ahd. Reſultat wäre: nächſt
dem l, r, n weiſen ſich die mutae þ (= lat. t) und h, g
(= lat. c) in der ableitung die geſchäſtigſten *).

Wegfallen können keine ableitenden conſ. leichter, als
die ſpiranten v, ſ, h (ſ. 192. 275. 310); t pflegt, unbe-
ſchadet der bedeutung, zu ſchwinden oder zuzutreten
(ſ. 210. 3; vgl. 1, 429. 1073.) ebenſo r (ſ. 143.) und n
(ſ. 182, b). Das n bedarf auch in einer umarbeitung des
erſten buchs neuer unterſuchungen. Vor ableitendem þ
und ſ unterdrücken es einige mundarten (cûð, liðe,
ſ. 239; gâs ſ. 263); anderemahl ſcheint es ſelbſt in die
wurzel zu dringen **) und dem auslautenden wurzelcon-
ſonanten anſehen einer ableitung zu geben. S. 216. not.
und ſ. 232. iſt der fall berührt worden ***). Für einzelne
wörter mit nt, nd, ns, nk, ng bleibt es auszumitteln,
ob ihr n. oder ob ihre ling. und gutt. wurzelhaft ſind. —
Ungehörige liquidae drängen ſich in folgenden fällen zwi-
ſchen die wurzel und den ableitungsvocal ein; l in -ling
(ſ. 364.); r in -rei (ſ. 97.) -rer (ſ. 131.) -ring (ſ. 365.)
-rœni? (ſ. 181.) -riſch (ſ. 377.); m in -muot (ſ. 256.); n
in -nei (ſ. 97.) -nære, -ner (ſ. 129.) -nede (ſ. 247.) -nâð
(ſ. 254. 255.) -niſſi (ſ. 322.) -niſc (ſ. 376.). Seltner und
ſpäter ſchiebt ſich r unmittelbar vor den ableitungsconſ.
ein: adj. -ern (ſ. 179.) verba -ern (ſ. 273.) vergl. auch
das eingeſchaltete ſ im nhd. dâſig, hieſig (ſ. 295.). — Ob
ſich ableitende conſonanten aus urſprünglich flexiviſchen
entwickeln können? darf etwa bei einigen n (ſ. 373.) ſ
(ſ. 275. vgl. 1, 1051. 1058.) oder t (ſ. 261. 223. vgl. 1,
826.) gefragt werden. Der fall wäre ganz verſchieden
von dem ſ. 91. geleugneten, daß ableîtungen an flexionen
hinzutreten dürften. —

3) [fühlbare und dunkle ableitungen]. Hätte ich in
der abhandlung mehr darauf ausgehen ſollen, die deut-
lichen, practiſchen ableitungen von den ausgeſtorbnen,
bloß theoretiſchen zu unterſcheiden? Iſt nicht das g in
durſtig, das z in jauchzen, das t in monat, das l in vo-
gel ganz ein anders, als das in berg, wälzen, bluͤte, ſeele?
Läßt ſich nicht aufſtellen: eine fühlbare, fortlebende ab-
leitung hält ihren vocal vor ihrem conſ. feſter, verbin-

*) der wechſel des d und g in ſlinden, ſlingen iſt erſt ſpäte
verwechſelung zwiſchen nr. 385. und nr. 421.
**) etwas anders iſt die eindringung des f und ſ (ſ. 209.).
***) vgl. das n im lat. mingo (mejo) ningo (nix) frango (fregi) etc.
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[391/0409] III. ableitung. ſchlußbemerkungen. ben urſache entfpringen im ahd. Reſultat wäre: nächſt dem l, r, n weiſen ſich die mutae þ (= lat. t) und h, g (= lat. c) in der ableitung die geſchäſtigſten *). Wegfallen können keine ableitenden conſ. leichter, als die ſpiranten v, ſ, h (ſ. 192. 275. 310); t pflegt, unbe- ſchadet der bedeutung, zu ſchwinden oder zuzutreten (ſ. 210. 3; vgl. 1, 429. 1073.) ebenſo r (ſ. 143.) und n (ſ. 182, b). Das n bedarf auch in einer umarbeitung des erſten buchs neuer unterſuchungen. Vor ableitendem þ und ſ unterdrücken es einige mundarten (cûð, liðe, ſ. 239; gâs ſ. 263); anderemahl ſcheint es ſelbſt in die wurzel zu dringen **) und dem auslautenden wurzelcon- ſonanten anſehen einer ableitung zu geben. S. 216. not. und ſ. 232. iſt der fall berührt worden ***). Für einzelne wörter mit nt, nd, ns, nk, ng bleibt es auszumitteln, ob ihr n. oder ob ihre ling. und gutt. wurzelhaft ſind. — Ungehörige liquidae drängen ſich in folgenden fällen zwi- ſchen die wurzel und den ableitungsvocal ein; l in -ling (ſ. 364.); r in -rei (ſ. 97.) -rer (ſ. 131.) -ring (ſ. 365.) -rœni? (ſ. 181.) -riſch (ſ. 377.); m in -muot (ſ. 256.); n in -nei (ſ. 97.) -nære, -ner (ſ. 129.) -nede (ſ. 247.) -nâð (ſ. 254. 255.) -niſſi (ſ. 322.) -niſc (ſ. 376.). Seltner und ſpäter ſchiebt ſich r unmittelbar vor den ableitungsconſ. ein: adj. -ern (ſ. 179.) verba -ern (ſ. 273.) vergl. auch das eingeſchaltete ſ im nhd. dâſig, hieſig (ſ. 295.). — Ob ſich ableitende conſonanten aus urſprünglich flexiviſchen entwickeln können? darf etwa bei einigen n (ſ. 373.) ſ (ſ. 275. vgl. 1, 1051. 1058.) oder t (ſ. 261. 223. vgl. 1, 826.) gefragt werden. Der fall wäre ganz verſchieden von dem ſ. 91. geleugneten, daß ableîtungen an flexionen hinzutreten dürften. — 3) [fühlbare und dunkle ableitungen]. Hätte ich in der abhandlung mehr darauf ausgehen ſollen, die deut- lichen, practiſchen ableitungen von den ausgeſtorbnen, bloß theoretiſchen zu unterſcheiden? Iſt nicht das g in durſtig, das z in jauchzen, das t in monat, das l in vo- gel ganz ein anders, als das in berg, wälzen, bluͤte, ſeele? Läßt ſich nicht aufſtellen: eine fühlbare, fortlebende ab- leitung hält ihren vocal vor ihrem conſ. feſter, verbin- *) der wechſel des d und g in ſlinden, ſlingen iſt erſt ſpäte verwechſelung zwiſchen nr. 385. und nr. 421. **) etwas anders iſt die eindringung des f und ſ (ſ. 209.). ***) vgl. das n im lat. mingo (mejo) ningo (nix) frango (fregi) etc.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/409>, abgerufen am 13.05.2024.