unge MS. 2, 176b u. a. m. -- Nhd. sind die fem. auf -ung überall sehr häufig. Von starken, einfachen verbis ge- leitete sind: halt-ung; lad-ung; reib-ung; scheid-ung; weis-ung; schreib-ung; bieg-ung; zieh-ung; sitz-ung; les-ung; heb-ung; gelt-ung; schwing-ung; werb-ung; nicht von andern (z. b. kein: grab-ung, schein-ung, gieß- ung, bind-ung, wers-ung) außer von zus. gesetzten: ver- grab-ung; er-schein-ung; ver-gieß-ung; ver-bindung; unter-bindung; unter-werf-ung; ab-nehm-ung; wahr- nehm-ung und eine menge solcher. Von schwachen ein- fachen: lähm-ung; leg-ung; reg-ung; stell-ung; psänd- ung; wend-ung; send-ung; nenn-ung etc. doch auch hier häufiger von zus. gesetzten und man kann ein noch nie gebrauchtes subst. dieser form leichter von ihnen, als von einfachen bilden, z. b. leichter sagen be-tauf-ung, aus- lach-ung als taus-ung, lach-ung. Woraus sich die ab- stracte, unsinnliche bedeutung dieser bildung überhaupt ergibt. --
3) neutra der ung-form kenne ich nicht; dhemu bauhnunge J. 370. weist eher auf ein masc. --
4) schwache masculina scheinen in der ältesten sprache bei einigen verwandtschaftsbegriffen stattzufinden. Hier- her gehört das bekannte fatar-ungo aus Hild., das der nom. sg. sein muß. Nur was bedeutet es? patruus? Beov. 159. ist Grendels mutter genannt: feondes fädr- unga (fädr-unge?) was nichts anders bedeuten kann, als des teufels mutter oder großmutter (vatersmutter?), mo- dor geht 158 voraus. Wäre jenes fatarungo großvater? Der altn. pl. fedr-aungar bezeichnet nach Biörn: pater et nepotes, einen sg. fedr-aungi oder fedr-aungr stellt er nicht auf, außer in dem comp. betr-fedr-aungr, das filius me- lior patre und ver-fedr-aungr, das degener bedeuten soll. Allein betr und ver heben hier, dünkt mich, keine sitt- liche artung oder entartung, sondern nähe und ferne der blutsabstammung hervor, wie auch altn. selbst ver-fadir (socer, pater mariti) ver-brodir (frater uxoris, vel ma- riti) ver-modir (socrus, mater mariti) also angeheirathete verwandtschaft *). Daher im dän. bedste-moder f. avia. Betr-fedraungr (wofür auch umgestellt fedr-betraungr vor- kommt) mag also einen echten blutsverwandten bezeich- nen. Broedr-aungar sind consobrini, fratrueles; systr-aungar
*) franz. beau-pere, belle-mere, beau-srere, belle-soeur; ein euphemismus?
III. conſonantiſche ableitungen. NG.
unge MS. 2, 176b u. a. m. — Nhd. ſind die fem. auf -ung überall ſehr häufig. Von ſtarken, einfachen verbis ge- leitete ſind: halt-ung; lâd-ung; reib-ung; ſcheid-ung; weiſ-ung; ſchreib-ung; bieg-ung; zieh-ung; ſitz-ung; lêſ-ung; hêb-ung; gelt-ung; ſchwing-ung; werb-ung; nicht von andern (z. b. kein: grâb-ung, ſchein-ung, gieß- ung, bind-ung, werſ-ung) außer von zuſ. geſetzten: ver- grâb-ung; er-ſchein-ung; ver-gieß-ung; ver-bindung; unter-bindung; unter-werf-ung; ab-nehm-ung; wahr- nehm-ung und eine menge ſolcher. Von ſchwachen ein- fachen: lähm-ung; lêg-ung; rêg-ung; ſtell-ung; pſänd- ung; wend-ung; ſend-ung; nenn-ung etc. doch auch hier häufiger von zuſ. geſetzten und man kann ein noch nie gebrauchtes ſubſt. dieſer form leichter von ihnen, als von einfachen bilden, z. b. leichter ſagen be-tauf-ung, aus- lach-ung als tauſ-ung, lach-ung. Woraus ſich die ab- ſtracte, unſinnliche bedeutung dieſer bildung überhaupt ergibt. —
3) neutra der ung-form kenne ich nicht; dhëmu bauhnunge J. 370. weiſt eher auf ein maſc. —
4) ſchwache maſculina ſcheinen in der älteſten ſprache bei einigen verwandtſchaftsbegriffen ſtattzufinden. Hier- her gehört das bekannte fatar-ungo aus Hild., das der nom. ſg. ſein muß. Nur was bedeutet es? patruus? Beov. 159. iſt Grendels mutter genannt: fëóndes fädr- unga (fädr-unge?) was nichts anders bedeuten kann, als des teufels mutter oder großmutter (vatersmutter?), mo- dor geht 158 voraus. Wäre jenes fatarungo großvater? Der altn. pl. fedr-ûngar bezeichnet nach Biörn: pater et nepotes, einen ſg. fedr-ûngi oder fedr-ûngr ſtellt er nicht auf, außer in dem comp. betr-fedr-ûngr, das filius me- lior patre und vër-fedr-ûngr, das degener bedeuten ſoll. Allein betr und vër heben hier, dünkt mich, keine ſitt- liche artung oder entartung, ſondern nähe und ferne der blutsabſtammung hervor, wie auch altn. ſelbſt vër-fadir (ſocer, pater mariti) vër-brôdir (frater uxoris, vel ma- riti) vër-môdir (ſocrus, mater mariti) alſo angeheirathete verwandtſchaft *). Daher im dän. bedſte-moder f. avia. Betr-fedrûngr (wofür auch umgeſtellt fedr-betrûngr vor- kommt) mag alſo einen echten blutsverwandten bezeich- nen. Brœdr-ûngar ſind conſobrini, fratrueles; ſyſtr-ûngar
*) franz. beau-père, belle-mère, beau-ſrère, belle-ſoeur; ein euphemiſmus?
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überall ſehr häufig. Von ſtarken, einfachen verbis ge-
leitete ſind: halt-ung; lâd-ung; reib-ung; ſcheid-ung;
weiſ-ung; ſchreib-ung; bieg-ung; zieh-ung; ſitz-ung;
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nicht von andern (z. b. kein: grâb-ung, ſchein-ung, gieß-
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grâb-ung; er-ſchein-ung; ver-gieß-ung; ver-bindung;
unter-bindung; unter-werf-ung; ab-nehm-ung; wahr-
nehm-ung und eine menge ſolcher. Von ſchwachen ein-
fachen: lähm-ung; lêg-ung; rêg-ung; ſtell-ung; pſänd-
ung; wend-ung; ſend-ung; nenn-ung etc. doch auch hier
häufiger von zuſ. geſetzten und man kann ein noch nie
gebrauchtes ſubſt. dieſer form leichter von ihnen, als von
einfachen bilden, z. b. leichter ſagen be-tauf-ung, aus-
lach-ung als tauſ-ung, lach-ung. Woraus ſich die ab-
ſtracte, unſinnliche bedeutung dieſer bildung überhaupt
ergibt. —
3) neutra der ung-form kenne ich nicht; dhëmu
bauhnunge J. 370. weiſt eher auf ein maſc. —
4) ſchwache maſculina ſcheinen in der älteſten ſprache
bei einigen verwandtſchaftsbegriffen ſtattzufinden. Hier-
her gehört das bekannte fatar-ungo aus Hild., das der
nom. ſg. ſein muß. Nur was bedeutet es? patruus?
Beov. 159. iſt Grendels mutter genannt: fëóndes fädr-
unga (fädr-unge?) was nichts anders bedeuten kann, als
des teufels mutter oder großmutter (vatersmutter?), mo-
dor geht 158 voraus. Wäre jenes fatarungo großvater?
Der altn. pl. fedr-ûngar bezeichnet nach Biörn: pater et
nepotes, einen ſg. fedr-ûngi oder fedr-ûngr ſtellt er nicht
auf, außer in dem comp. betr-fedr-ûngr, das filius me-
lior patre und vër-fedr-ûngr, das degener bedeuten ſoll.
Allein betr und vër heben hier, dünkt mich, keine ſitt-
liche artung oder entartung, ſondern nähe und ferne der
blutsabſtammung hervor, wie auch altn. ſelbſt vër-fadir
(ſocer, pater mariti) vër-brôdir (frater uxoris, vel ma-
riti) vër-môdir (ſocrus, mater mariti) alſo angeheirathete
verwandtſchaft *). Daher im dän. bedſte-moder f. avia.
Betr-fedrûngr (wofür auch umgeſtellt fedr-betrûngr vor-
kommt) mag alſo einen echten blutsverwandten bezeich-
nen. Brœdr-ûngar ſind conſobrini, fratrueles; ſyſtr-ûngar
*) franz. beau-père, belle-mère, beau-ſrère, belle-ſoeur; ein
euphemiſmus?
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/381>, abgerufen am 21.11.2024.
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