Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. G.
wider-wert-ec Trist.; will-ec; wir-ec (durabilis) schmie-
de 242; wird-ec; witz-ec; zeit-ec; züht-ec; zünd-ec
amgb. 27a. Zu diesen mhd. adj. bemerke ich: a) vrüm-
ec, birec, girec, wirec geben der allg. lautregel nicht
nach, welcher die kürzungen vrümc, birc etc. ge-
mäß wären; die ableitung ist noch zu fühlbar. -- b) um-
laut fehlt bei ou (geloubec), schwankend bei ng, lg, ld,
lt (gelangec, vengec; gedultec, schuldec; gevolgec? viel-
leicht gehören auch valtec, gewaltec lieber zur eig-, als
zur ag-form?) -- c) selten werden adj. dieser form aus
dem part. praes. auf -ende gebildet, (wovon im ahd.
noch gar kein beispiel); das häufigste ist lebend-ec Mar.
24. Parc. 13765. Wigal. 4764. 5213. Nib. 4080. Trist.
10729. (auch bei Hartm. Rud.?); sodann finde ich wal-
dend-ec nur Rother 3a 6b 11a 24b; brinnend-ec nur Parc.
3085. 6910. (der mhd. inf. lautet brinnen, nicht brennen);
gluend-ec nur Parc. 2415. 13700; tobend-ec Bit. 111b;
kradmed-ec Mar. 86. stehet f. kradmend-ec vom verb.
krademen (oben s. 153). -- d) man hüte sich, adj., deren
wurzel mit l schließt und die mit -lich zus. gesetzt sind,
für adj. der ec-form zu halten, z. b. vol-lich (Trist. 338.)
snel-lich (Parc. 138c) bil-lich (klage 260. 1322.) etc. es
gibt kein mhd. voll-ec, snell-ec, bill-ec. Hagen gl. der Nib.
führt zwar billec-liche auf, aber ohne citat und ich
glaube nicht, daß es im texte vorkommt; vollec-liche
läßt sich nicht abstreiten (gloss. Nib. Barl. etc.) und mag
ein viel älterer fehler sein, da schon N. 107, 13. folleg-
leichor und mons. 381. sogar follichliho haben, eine un-
begreifliche lesart, vermuthlich folliclihho zu emendieren.
Fol-leih-leihho scheint mir unsinn, wie bil-lich-liche. Auf
keinen fall beweist das fehlerhaftgebildete vollic-leih, vol-
lec-lich ein für sich stehendes voll-eic, völl-ec, und die
echte form ist ohne zweifel ahd. vol-leih, mhd. vol-lich,
ags. ful-leic (nie full-ig). -- e) ob aus jedwedem comp.
mit ec-lich, ec-heit ein adj. -ec zu folgern steht, unter-
sucht cap. III, in der regel allerdings. --

nhd. sind die hauptsächlichsten: blau-äug-ig, hohl-
äug-ig; un-bänd-ig; bärt-ig; leer-bäuch-ig; lang-bein-
ig; biß-ig; warm-blüt-ig etc.; brüch-ig; hoch-brüst-ig;
aus-bünd-ig; bürt-ig; an-dächt-ig, ver-dächt-ig; draet-ig;
ge-dult-ig; dürft-ig; eil-ig; emß-ig; ew-ig; faeh-ig; ein-
fält-ig, viel-fält-ig neben manigfalt-ig, dreifaltigkeit; fert-
ig; feur-ig; un-flaet-ig; flücht-ig; ge-fraeß-ig; freud-ig;
bar-füß-ig, viel-füß-ig; durch-gäng-ig; frei-geb-ig; er-
gieb-ig; gier-ig; grimm-ig; gült-ig; günst-ig; gult-ig;

III. conſonantiſche ableitungen. G.
wider-wert-ec Triſt.; will-ec; wir-ec (durabilis) ſchmie-
de 242; wird-ec; witz-ec; zît-ec; züht-ec; zünd-ec
amgb. 27a. Zu dieſen mhd. adj. bemerke ich: a) vrüm-
ec, birec, girec, wirec geben der allg. lautregel nicht
nach, welcher die kürzungen vrümc, birc etc. ge-
mäß wären; die ableitung iſt noch zu fühlbar. — b) um-
laut fehlt bei ou (geloubec), ſchwankend bei ng, lg, ld,
lt (gelangec, vengec; gedultec, ſchuldec; gevolgec? viel-
leicht gehören auch valtec, gewaltec lieber zur îg-, als
zur ag-form?) — c) ſelten werden adj. dieſer form aus
dem part. praeſ. auf -ende gebildet, (wovon im ahd.
noch gar kein beiſpiel); das häufigſte iſt lëbend-ec Mar.
24. Parc. 13765. Wigal. 4764. 5213. Nib. 4080. Triſt.
10729. (auch bei Hartm. Rud.?); ſodann finde ich wal-
dend-ec nur Rother 3a 6b 11a 24b; brinnend-ec nur Parc.
3085. 6910. (der mhd. inf. lautet brinnen, nicht brënnen);
gluend-ec nur Parc. 2415. 13700; tobend-ec Bit. 111b;
kradmed-ec Mar. 86. ſtehet f. kradmend-ec vom verb.
krademen (oben ſ. 153). — d) man hüte ſich, adj., deren
wurzel mit l ſchließt und die mit -lich zuſ. geſetzt ſind,
für adj. der ec-form zu halten, z. b. vol-lich (Triſt. 338.)
ſnël-lich (Parc. 138c) bil-lich (klage 260. 1322.) etc. es
gibt kein mhd. voll-ec, ſnëll-ec, bill-ec. Hagen gl. der Nib.
führt zwar billec-liche auf, aber ohne citat und ich
glaube nicht, daß es im texte vorkommt; vollec-liche
läßt ſich nicht abſtreiten (gloſſ. Nib. Barl. etc.) und mag
ein viel älterer fehler ſein, da ſchon N. 107, 13. folleg-
lîchôr und monſ. 381. ſogar follichliho haben, eine un-
begreifliche leſart, vermuthlich folliclihho zu emendieren.
Fol-lîh-lîhho ſcheint mir unſinn, wie bil-lich-liche. Auf
keinen fall beweiſt das fehlerhaftgebildete vollic-lîh, vol-
lec-lich ein für ſich ſtehendes voll-îc, völl-ec, und die
echte form iſt ohne zweifel ahd. vol-lîh, mhd. vol-lich,
agſ. ful-lîc (nie full-ig). — e) ob aus jedwedem comp.
mit ec-lich, ec-heit ein adj. -ec zu folgern ſteht, unter-
ſucht cap. III, in der regel allerdings. —

nhd. ſind die hauptſächlichſten: blau-äug-ig, hohl-
äug-ig; un-bänd-ig; bärt-ig; leer-bäuch-ig; lang-bein-
ig; biß-ig; warm-blüt-ig etc.; brüch-ig; hoch-brüſt-ig;
aus-bünd-ig; bürt-ig; an-dächt-ig, ver-dächt-ig; dræt-ig;
ge-dult-ig; dürft-ig; eil-ig; emß-ig; êw-ig; fæh-ig; ein-
fält-ig, viel-fält-ig neben manigfalt-ig, dreifaltigkeit; fert-
ig; feur-ig; un-flæt-ig; flücht-ig; ge-fræß-ig; freud-ig;
bar-füß-ig, viel-füß-ig; durch-gäng-ig; frei-gêb-ig; er-
gieb-ig; gier-ig; grimm-ig; gült-ig; günſt-ig; gult-ig;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0322" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. G.</hi></hi></fw><lb/>
wider-wert-ec Tri&#x017F;t.; will-ec; wir-ec (durabilis) &#x017F;chmie-<lb/>
de 242; wird-ec; witz-ec; zît-ec; züht-ec; zünd-ec<lb/>
amgb. 27<hi rendition="#sup">a</hi>. Zu die&#x017F;en mhd. adj. bemerke ich: a) vrüm-<lb/>
ec, birec, girec, wirec geben der allg. lautregel nicht<lb/>
nach, welcher die kürzungen vrümc, birc etc. ge-<lb/>
mäß wären; die ableitung i&#x017F;t noch zu fühlbar. &#x2014; b) um-<lb/>
laut fehlt bei ou (geloubec), &#x017F;chwankend bei ng, lg, ld,<lb/>
lt (gelangec, vengec; gedultec, &#x017F;chuldec; gevolgec? viel-<lb/>
leicht gehören auch valtec, gewaltec lieber zur îg-, als<lb/>
zur ag-form?) &#x2014; c) &#x017F;elten werden adj. die&#x017F;er form aus<lb/>
dem part. prae&#x017F;. auf <hi rendition="#i">-ende</hi> gebildet, (wovon im ahd.<lb/>
noch gar kein bei&#x017F;piel); das häufig&#x017F;te i&#x017F;t lëbend-ec Mar.<lb/>
24. Parc. 13765. Wigal. 4764. 5213. Nib. 4080. Tri&#x017F;t.<lb/>
10729. (auch bei Hartm. Rud.?); &#x017F;odann finde ich wal-<lb/>
dend-ec nur Rother 3<hi rendition="#sup">a</hi> 6<hi rendition="#sup">b</hi> 11<hi rendition="#sup">a</hi> 24<hi rendition="#sup">b</hi>; brinnend-ec nur Parc.<lb/>
3085. 6910. (der mhd. inf. lautet brinnen, nicht brënnen);<lb/>
gluend-ec nur Parc. 2415. 13700; tobend-ec Bit. 111<hi rendition="#sup">b</hi>;<lb/>
kradmed-ec Mar. 86. &#x017F;tehet f. kradmend-ec vom verb.<lb/>
krademen (oben &#x017F;. 153). &#x2014; d) man hüte &#x017F;ich, adj., deren<lb/>
wurzel mit l &#x017F;chließt und die mit -lich zu&#x017F;. ge&#x017F;etzt &#x017F;ind,<lb/>
für adj. der ec-form zu halten, z. b. vol-lich (Tri&#x017F;t. 338.)<lb/>
&#x017F;nël-lich (Parc. 138<hi rendition="#sup">c</hi>) bil-lich (klage 260. 1322.) etc. es<lb/>
gibt kein mhd. voll-ec, &#x017F;nëll-ec, bill-ec. Hagen gl. der Nib.<lb/>
führt zwar billec-liche auf, aber ohne citat und ich<lb/>
glaube nicht, daß es im texte vorkommt; vollec-liche<lb/>
läßt &#x017F;ich nicht ab&#x017F;treiten (glo&#x017F;&#x017F;. Nib. Barl. etc.) und mag<lb/>
ein viel älterer fehler &#x017F;ein, da &#x017F;chon N. 107, 13. folleg-<lb/>
lîchôr und mon&#x017F;. 381. &#x017F;ogar follichliho haben, eine un-<lb/>
begreifliche le&#x017F;art, vermuthlich folliclihho zu emendieren.<lb/>
Fol-lîh-lîhho &#x017F;cheint mir un&#x017F;inn, wie bil-lich-liche. Auf<lb/>
keinen fall bewei&#x017F;t das fehlerhaftgebildete vollic-lîh, vol-<lb/>
lec-lich ein für &#x017F;ich &#x017F;tehendes voll-îc, völl-ec, und die<lb/>
echte form i&#x017F;t ohne zweifel ahd. vol-lîh, mhd. vol-lich,<lb/>
ag&#x017F;. ful-lîc (nie full-ig). &#x2014; e) ob aus jedwedem comp.<lb/>
mit ec-lich, ec-heit ein adj. -ec zu folgern &#x017F;teht, unter-<lb/>
&#x017F;ucht cap. III, in der regel allerdings. &#x2014;</p><lb/>
              <p>nhd. &#x017F;ind die haupt&#x017F;ächlich&#x017F;ten: blau-äug-ig, hohl-<lb/>
äug-ig; un-bänd-ig; bärt-ig; leer-bäuch-ig; lang-bein-<lb/>
ig; biß-ig; warm-blüt-ig etc.; brüch-ig; hoch-brü&#x017F;t-ig;<lb/>
aus-bünd-ig; bürt-ig; an-dächt-ig, ver-dächt-ig; dræt-ig;<lb/>
ge-dult-ig; dürft-ig; eil-ig; emß-ig; êw-ig; fæh-ig; ein-<lb/>
fält-ig, viel-fält-ig neben manigfalt-ig, dreifaltigkeit; fert-<lb/>
ig; feur-ig; un-flæt-ig; flücht-ig; ge-fræß-ig; freud-ig;<lb/>
bar-füß-ig, viel-füß-ig; durch-gäng-ig; frei-gêb-ig; er-<lb/>
gieb-ig; gier-ig; grimm-ig; gült-ig; gün&#x017F;t-ig; gult-ig;<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0322] III. conſonantiſche ableitungen. G. wider-wert-ec Triſt.; will-ec; wir-ec (durabilis) ſchmie- de 242; wird-ec; witz-ec; zît-ec; züht-ec; zünd-ec amgb. 27a. Zu dieſen mhd. adj. bemerke ich: a) vrüm- ec, birec, girec, wirec geben der allg. lautregel nicht nach, welcher die kürzungen vrümc, birc etc. ge- mäß wären; die ableitung iſt noch zu fühlbar. — b) um- laut fehlt bei ou (geloubec), ſchwankend bei ng, lg, ld, lt (gelangec, vengec; gedultec, ſchuldec; gevolgec? viel- leicht gehören auch valtec, gewaltec lieber zur îg-, als zur ag-form?) — c) ſelten werden adj. dieſer form aus dem part. praeſ. auf -ende gebildet, (wovon im ahd. noch gar kein beiſpiel); das häufigſte iſt lëbend-ec Mar. 24. Parc. 13765. Wigal. 4764. 5213. Nib. 4080. Triſt. 10729. (auch bei Hartm. Rud.?); ſodann finde ich wal- dend-ec nur Rother 3a 6b 11a 24b; brinnend-ec nur Parc. 3085. 6910. (der mhd. inf. lautet brinnen, nicht brënnen); gluend-ec nur Parc. 2415. 13700; tobend-ec Bit. 111b; kradmed-ec Mar. 86. ſtehet f. kradmend-ec vom verb. krademen (oben ſ. 153). — d) man hüte ſich, adj., deren wurzel mit l ſchließt und die mit -lich zuſ. geſetzt ſind, für adj. der ec-form zu halten, z. b. vol-lich (Triſt. 338.) ſnël-lich (Parc. 138c) bil-lich (klage 260. 1322.) etc. es gibt kein mhd. voll-ec, ſnëll-ec, bill-ec. Hagen gl. der Nib. führt zwar billec-liche auf, aber ohne citat und ich glaube nicht, daß es im texte vorkommt; vollec-liche läßt ſich nicht abſtreiten (gloſſ. Nib. Barl. etc.) und mag ein viel älterer fehler ſein, da ſchon N. 107, 13. folleg- lîchôr und monſ. 381. ſogar follichliho haben, eine un- begreifliche leſart, vermuthlich folliclihho zu emendieren. Fol-lîh-lîhho ſcheint mir unſinn, wie bil-lich-liche. Auf keinen fall beweiſt das fehlerhaftgebildete vollic-lîh, vol- lec-lich ein für ſich ſtehendes voll-îc, völl-ec, und die echte form iſt ohne zweifel ahd. vol-lîh, mhd. vol-lich, agſ. ful-lîc (nie full-ig). — e) ob aus jedwedem comp. mit ec-lich, ec-heit ein adj. -ec zu folgern ſteht, unter- ſucht cap. III, in der regel allerdings. — nhd. ſind die hauptſächlichſten: blau-äug-ig, hohl- äug-ig; un-bänd-ig; bärt-ig; leer-bäuch-ig; lang-bein- ig; biß-ig; warm-blüt-ig etc.; brüch-ig; hoch-brüſt-ig; aus-bünd-ig; bürt-ig; an-dächt-ig, ver-dächt-ig; dræt-ig; ge-dult-ig; dürft-ig; eil-ig; emß-ig; êw-ig; fæh-ig; ein- fält-ig, viel-fält-ig neben manigfalt-ig, dreifaltigkeit; fert- ig; feur-ig; un-flæt-ig; flücht-ig; ge-fræß-ig; freud-ig; bar-füß-ig, viel-füß-ig; durch-gäng-ig; frei-gêb-ig; er- gieb-ig; gier-ig; grimm-ig; gült-ig; günſt-ig; gult-ig;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/322
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/322>, abgerufen am 12.05.2024.