ableitung -ida gehört und nichts mit dem i, welches die verba ableitet, zu thun hat. Woher sind salida und ewida unmittelbar herzuleiten? ersteres sicher von dem zwar ausgestorbnen adj. sali (goth. selis), letzteres von dem subst. e, goth. aiv. -- 4) nach und nach mindert sich die zahl dieser bildungen merklich, K. und die glos- sen zeigen ihrer viel, weniger O. und T., noch weniger N. -- 5) sind auch starke fem. vierter decl. auf -id an- zunehmen? sehr wenige kommen in erwägung: her-id (?) Ecc. sr. or. 1, 675. in dero heride (heridi oder he- ride = goth. -ai); ki-mein-id? (communio) J. 361; tnk- id (virtus)? tukida, tugida findet sich nirgend, N. 17, 33. tugede (virtute), organisch scheint aber tug-und (ags. dug-od) mhd. tug-ent. --
ags. ist diese ableitung weit eingeschränkter, der vo- cal i überall weggeworfen (mit zurücklaßung des um- lauts) und selbst das -u der ersten decl. aufgegeben, so daß fast alle wörter der vierten folgen, also ein bloßes -d haben. Ich finde nur noch das einzige heah-du (cul- men, goth. hauhitha) nach erster decl. Die wichtigsten beispiele sind: earm-d, yrm-d (miseria); hael-d (sanitas); hleov-d (apricitas); hyg-d (conatus, ahd. hukida); leng-d (longitudo); ge-mäg-d (potentia); maer-d (gloria); mirg-d, myrh-d (gaudium) mir dunkeles ursprungs; sel-d (sedes); sael-d (prosperitas); streng-d (fortitudo); treov-d (fidelitas); theof-d, thyf-d (furtum); ge-thyng-d (dignitas, gravitas). Die mundart scheint diese bildung zu meiden, sobald schon die wurzel lingualisch schließt, denn t-d, d-d (ahd. z-ida, t-ida) klänge übel, doch mag d-d (ahd. d-ida) zuläßig sein; cyd-d, ge-cyd-d (patria, ahd. chundida) oder muß es heißen cyde (ahd. chundi)? Zuweilen wird fehler- haft hd geschrieben für ht, namentlich gesihd (visus) f. gesiht; denn ich wüste kein ahd. ki-sih-ida verschieden von ki-sih-t, wiewohl es der bildung ki-scih-ida (casus) versch. von ki-scih-t (historia) analog wäre. --
altn. häufiger als im ags., doch seltner als im ahd. Der wegfall des i vor dem d zieht modificationen des linguallauts nach sich, nämlich -d wandelt sich in -d und -t ganz nach der bei der schw. conj. (1, 921. unter 4.) gegebenen regel *): breid-d (latitudo); byg-d (aedificatio);
*) es wird dadurch das characteristische der ableitung dem allgemeinen lautgesetze geopfert; bei der flexion des schw. praet. läßt sich mehr dafür sagen.
III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ableitung -ida gehört und nichts mit dem i, welches die verba ableitet, zu thun hat. Woher ſind ſâlida und êwida unmittelbar herzuleiten? erſteres ſicher von dem zwar ausgeſtorbnen adj. ſâli (goth. ſêlis), letzteres von dem ſubſt. ê, goth. áiv. — 4) nach und nach mindert ſich die zahl dieſer bildungen merklich, K. und die gloſ- ſen zeigen ihrer viel, weniger O. und T., noch weniger N. — 5) ſind auch ſtarke fem. vierter decl. auf -id an- zunehmen? ſehr wenige kommen in erwägung: her-id (?) Ecc. ſr. or. 1, 675. in dëro heride (heridì oder he- ridê = goth. -ái); ki-mein-id? (communio) J. 361; tnk- id (virtus)? tukida, tugida findet ſich nirgend, N. 17, 33. tugede (virtute), organiſch ſcheint aber tug-und (agſ. dug-ôð) mhd. tug-ent. —
agſ. iſt dieſe ableitung weit eingeſchränkter, der vo- cal i überall weggeworfen (mit zurücklaßung des um- lauts) und ſelbſt das -u der erſten decl. aufgegeben, ſo daß faſt alle wörter der vierten folgen, alſo ein bloßes -ð haben. Ich finde nur noch das einzige heáh-ðu (cul- men, goth. haúhiþa) nach erſter decl. Die wichtigſten beiſpiele ſind: ëarm-ð, yrm-ð (miſeria); hæl-ð (ſanitas); hlëóv-ð (apricitas); hyg-ð (conatus, ahd. hukida); leng-ð (longitudo); ge-mäg-ð (potentia); mær-ð (gloria); mirg-ð, myrh-ð (gaudium) mir dunkeles urſprungs; ſel-ð (ſedes); ſæl-ð (proſperitas); ſtreng-ð (fortitudo); trëóv-ð (fidelitas); þëóf-ð, þŷf-ð (furtum); ge-þyng-ð (dignitas, gravitas). Die mundart ſcheint dieſe bildung zu meiden, ſobald ſchon die wurzel lingualiſch ſchließt, denn t-ð, d-ð (ahd. z-ida, t-ida) klänge übel, doch mag ð-ð (ahd. d-ida) zuläßig ſein; cŷð-ð, ge-cŷð-ð (patria, ahd. chundida) oder muß es heißen cŷðe (ahd. chundi)? Zuweilen wird fehler- haft hð geſchrieben für ht, namentlich geſihð (viſus) f. geſiht; denn ich wüſte kein ahd. ki-ſih-ida verſchieden von ki-ſih-t, wiewohl es der bildung ki-ſcih-ida (caſus) verſch. von ki-ſcih-t (hiſtoria) analog wäre. —
altn. häufiger als im agſ., doch ſeltner als im ahd. Der wegfall des i vor dem ð zieht modificationen des linguallauts nach ſich, nämlich -ð wandelt ſich in -d und -t ganz nach der bei der ſchw. conj. (1, 921. unter 4.) gegebenen regel *): breid-d (latitudo); bŷg-ð (aedificatio);
*) es wird dadurch das characteriſtiſche der ableitung dem allgemeinen lautgeſetze geopfert; bei der flexion des ſchw. praet. läßt ſich mehr dafür ſagen.
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III. conſonantiſche ableitungen. þ.
ableitung -ida gehört und nichts mit dem i, welches die
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êwida unmittelbar herzuleiten? erſteres ſicher von dem
zwar ausgeſtorbnen adj. ſâli (goth. ſêlis), letzteres von
dem ſubſt. ê, goth. áiv. — 4) nach und nach mindert
ſich die zahl dieſer bildungen merklich, K. und die gloſ-
ſen zeigen ihrer viel, weniger O. und T., noch weniger
N. — 5) ſind auch ſtarke fem. vierter decl. auf -id an-
zunehmen? ſehr wenige kommen in erwägung: her-id
(?) Ecc. ſr. or. 1, 675. in dëro heride (heridì oder he-
ridê = goth. -ái); ki-mein-id? (communio) J. 361; tnk-
id (virtus)? tukida, tugida findet ſich nirgend, N. 17, 33.
tugede (virtute), organiſch ſcheint aber tug-und (agſ.
dug-ôð) mhd. tug-ent. —
agſ. iſt dieſe ableitung weit eingeſchränkter, der vo-
cal i überall weggeworfen (mit zurücklaßung des um-
lauts) und ſelbſt das -u der erſten decl. aufgegeben, ſo
daß faſt alle wörter der vierten folgen, alſo ein bloßes
-ð haben. Ich finde nur noch das einzige heáh-ðu (cul-
men, goth. haúhiþa) nach erſter decl. Die wichtigſten
beiſpiele ſind: ëarm-ð, yrm-ð (miſeria); hæl-ð (ſanitas);
hlëóv-ð (apricitas); hyg-ð (conatus, ahd. hukida); leng-ð
(longitudo); ge-mäg-ð (potentia); mær-ð (gloria); mirg-ð,
myrh-ð (gaudium) mir dunkeles urſprungs; ſel-ð (ſedes);
ſæl-ð (proſperitas); ſtreng-ð (fortitudo); trëóv-ð (fidelitas);
þëóf-ð, þŷf-ð (furtum); ge-þyng-ð (dignitas, gravitas). Die
mundart ſcheint dieſe bildung zu meiden, ſobald ſchon
die wurzel lingualiſch ſchließt, denn t-ð, d-ð (ahd. z-ida,
t-ida) klänge übel, doch mag ð-ð (ahd. d-ida) zuläßig
ſein; cŷð-ð, ge-cŷð-ð (patria, ahd. chundida) oder muß
es heißen cŷðe (ahd. chundi)? Zuweilen wird fehler-
haft hð geſchrieben für ht, namentlich geſihð (viſus) f.
geſiht; denn ich wüſte kein ahd. ki-ſih-ida verſchieden
von ki-ſih-t, wiewohl es der bildung ki-ſcih-ida (caſus)
verſch. von ki-ſcih-t (hiſtoria) analog wäre. —
altn. häufiger als im agſ., doch ſeltner als im ahd.
Der wegfall des i vor dem ð zieht modificationen des
linguallauts nach ſich, nämlich -ð wandelt ſich in -d und
-t ganz nach der bei der ſchw. conj. (1, 921. unter 4.)
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*) es wird dadurch das characteriſtiſche der ableitung dem
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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