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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. V. T.

b) da die spiranten keiner lautabstufung unterliegen,
so entspricht es auch dem lat. v, oft in den nämlichen
wörtern, vgl. ahva mit aqva, aeqvor; viduvo mit vidua,
vidva; elo, elawer mit gilvus; valo, valawer mit flavus
oder fulvus; chalo, chalawer mit calvus. In den beiden
letzten läßt die zu große einstimmung der anlautenden
cons. fast auf entlehnung schließen. Dasselbe -v herrscht
auch in vielen andern lat. wörtern, z. b. mil-vus, ner-
vus, ung-vis auf dieselbe weise.

c) wechsel des v mit andern consonanten: mit m in
swal-me Bon. 23, 2. 40, 21. f. swal-we, vermuthlich nach-
dem vorher w in b verhärtet worden war, denn lb wird
in den volksdialecten leicht zu lm vgl. alb und alm; so-
gar altn. helmeing (dimidium) f. helfeing, halfeing. Orga-
nischer ist wechsel zwischen v und h, ahd. verah, dat.
verahu (anima) altn. fiör, fiörvi; ags. frätvum (ornamen-
tis) alts. fratahun; mhd. schilhen und schilwen; und so wird
aus ags. fur-h (sulcus(ahd. vur-iha, engl. furr-ow. Tadel-
hafter scheint das im engl. so häufige -ow statt des ags. g,
z. b. bill-ow (unda); will-ow (salix); morr-ow; sorr-ow;
burr-ow; tall-ow; harr-ow st. des ags. byl-ige, vil-ige etc.
d. h. sowohl für das wahre g, als das aus -j entsprungne
-ig, letzteres auch in den verbis hol-low (excavare, holi-
gean); bel-low (latrare) winn-ow (ventilare) etc. in foll-
ow, hall-ow ist wahres g (fylgian, halgian). In wind-
ow (fenestra) steckt sogar die compos. altn. vind-auga,
obgleich ich kein ags. vind-eage weiß.


ableitungen mit T.

hier tritt der eigne fall ein, daß sich in gewissen con-
sonanzverbindungen viele ableitende t erhalten haben, die
der gewöhnlichen lautverschiebung widerstreben, d. h. dem
lat. t entsprechen, nicht dem lat. d. Sie bleiben auch in
allen deutschen dialecten unverrückt, d. h. solche goth. t
werden keine hochd. z, ß. Von ihnen sind die andern t,
welche der lautverschiebung folgen, sorgfältig zu trennen.

I. goth. T. = ahd. T, = lat. T.

sie finden statt in den verbindungen ft, st, ht, deren
erster consonant offenbar zur wurzel oder zu einer vor-
hergehenden ableitung gehört. Das t bewirkt aber eine
ableitung, sei es die erste oder die zweite, und darf nie
zur wurzel gerechnet werden. ft und ht lauten im deut-

N
III. conſonantiſche ableitungen. V. T.

b) da die ſpiranten keiner lautabſtufung unterliegen,
ſo entſpricht es auch dem lat. v, oft in den nämlichen
wörtern, vgl. ahva mit aqva, aeqvor; viduvô mit vidua,
vidva; ëlo, ëlawêr mit gilvus; valo, valawêr mit flavus
oder fulvus; chalo, chalawêr mit calvus. In den beiden
letzten läßt die zu große einſtimmung der anlautenden
conſ. faſt auf entlehnung ſchließen. Dasſelbe -v herrſcht
auch in vielen andern lat. wörtern, z. b. mil-vus, ner-
vus, ung-vis auf dieſelbe weiſe.

c) wechſel des v mit andern conſonanten: mit m in
ſwal-me Bon. 23, 2. 40, 21. f. ſwal-we, vermuthlich nach-
dem vorher w in b verhärtet worden war, denn lb wird
in den volksdialecten leicht zu lm vgl. alb und alm; ſo-
gar altn. helmîng (dimidium) f. helfîng, hâlfîng. Orga-
niſcher iſt wechſel zwiſchen v und h, ahd. vërah, dat.
vërahu (anima) altn. fiör, fiörvi; agſ. frätvum (ornamen-
tis) altſ. fratahun; mhd. ſchilhen und ſchilwen; und ſo wird
aus agſ. fur-h (ſulcus(ahd. vur-iha, engl. furr-ow. Tadel-
hafter ſcheint das im engl. ſo häufige -ow ſtatt des agſ. g,
z. b. bill-ow (unda); will-ow (ſalix); morr-ow; ſorr-ow;
burr-ow; tall-ow; harr-ow ſt. des agſ. byl-ige, vil-ige etc.
d. h. ſowohl für das wahre g, als das aus -j entſprungne
-ig, letzteres auch in den verbis hol-low (excavare, holi-
gean); bel-low (latrare) winn-ow (ventilare) etc. in foll-
ow, hall-ow iſt wahres g (fylgian, hâlgian). In wind-
ow (feneſtra) ſteckt ſogar die compoſ. altn. vind-auga,
obgleich ich kein agſ. vind-eáge weiß.


ableitungen mit T.

hier tritt der eigne fall ein, daß ſich in gewiſſen con-
ſonanzverbindungen viele ableitende t erhalten haben, die
der gewöhnlichen lautverſchiebung widerſtreben, d. h. dem
lat. t entſprechen, nicht dem lat. d. Sie bleiben auch in
allen deutſchen dialecten unverrückt, d. h. ſolche goth. t
werden keine hochd. z, Ʒ. Von ihnen ſind die andern t,
welche der lautverſchiebung folgen, ſorgfältig zu trennen.

I. goth. T. = ahd. T, = lat. T.

ſie finden ſtatt in den verbindungen ft, ſt, ht, deren
erſter conſonant offenbar zur wurzel oder zu einer vor-
hergehenden ableitung gehört. Das t bewirkt aber eine
ableitung, ſei es die erſte oder die zweite, und darf nie
zur wurzel gerechnet werden. ft und ht lauten im deut-

N
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[193/0211] III. conſonantiſche ableitungen. V. T. b) da die ſpiranten keiner lautabſtufung unterliegen, ſo entſpricht es auch dem lat. v, oft in den nämlichen wörtern, vgl. ahva mit aqva, aeqvor; viduvô mit vidua, vidva; ëlo, ëlawêr mit gilvus; valo, valawêr mit flavus oder fulvus; chalo, chalawêr mit calvus. In den beiden letzten läßt die zu große einſtimmung der anlautenden conſ. faſt auf entlehnung ſchließen. Dasſelbe -v herrſcht auch in vielen andern lat. wörtern, z. b. mil-vus, ner- vus, ung-vis auf dieſelbe weiſe. c) wechſel des v mit andern conſonanten: mit m in ſwal-me Bon. 23, 2. 40, 21. f. ſwal-we, vermuthlich nach- dem vorher w in b verhärtet worden war, denn lb wird in den volksdialecten leicht zu lm vgl. alb und alm; ſo- gar altn. helmîng (dimidium) f. helfîng, hâlfîng. Orga- niſcher iſt wechſel zwiſchen v und h, ahd. vërah, dat. vërahu (anima) altn. fiör, fiörvi; agſ. frätvum (ornamen- tis) altſ. fratahun; mhd. ſchilhen und ſchilwen; und ſo wird aus agſ. fur-h (ſulcus(ahd. vur-iha, engl. furr-ow. Tadel- hafter ſcheint das im engl. ſo häufige -ow ſtatt des agſ. g, z. b. bill-ow (unda); will-ow (ſalix); morr-ow; ſorr-ow; burr-ow; tall-ow; harr-ow ſt. des agſ. byl-ige, vil-ige etc. d. h. ſowohl für das wahre g, als das aus -j entſprungne -ig, letzteres auch in den verbis hol-low (excavare, holi- gean); bel-low (latrare) winn-ow (ventilare) etc. in foll- ow, hall-ow iſt wahres g (fylgian, hâlgian). In wind- ow (feneſtra) ſteckt ſogar die compoſ. altn. vind-auga, obgleich ich kein agſ. vind-eáge weiß. ableitungen mit T. hier tritt der eigne fall ein, daß ſich in gewiſſen con- ſonanzverbindungen viele ableitende t erhalten haben, die der gewöhnlichen lautverſchiebung widerſtreben, d. h. dem lat. t entſprechen, nicht dem lat. d. Sie bleiben auch in allen deutſchen dialecten unverrückt, d. h. ſolche goth. t werden keine hochd. z, Ʒ. Von ihnen ſind die andern t, welche der lautverſchiebung folgen, ſorgfältig zu trennen. I. goth. T. = ahd. T, = lat. T. ſie finden ſtatt in den verbindungen ft, ſt, ht, deren erſter conſonant offenbar zur wurzel oder zu einer vor- hergehenden ableitung gehört. Das t bewirkt aber eine ableitung, ſei es die erſte oder die zweite, und darf nie zur wurzel gerechnet werden. ft und ht lauten im deut- N

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/211>, abgerufen am 27.04.2024.