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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. V.
av, iv, uv, wiewohl die beiden letzten von ganz be-
schränktem umfang sind.

[AV] im goth. der vocal überall gewichen, ahd. oft
erhalten, wenn auf das w flexionsvocale folgen, sonst
mit dem w in o verschmolzen. Nhd. verwandeln sich
die gebliebenen w in b. Von dem ableitenden v muß
man aber das wurzelhafte v unterscheiden, wie ich 1,
598. 613 etc. nicht gethan habe. Ableitendes ist nur an-
zunehmen, wo der die wurzel schließende consonant ihm
vorausgeht, z. b. im goth. bal-vjan oder im ahd. pal-o =
pal-aw; geht kein solcher cons. vorher, so gehört das
v selbst zur wurzel, da es unwahrscheinlich ist, daß vor
einer spirans eine andere spirans ausgefallen sei. In saivs,
snaivs, thius, qvius, ahd. seo, sneo, diu und allen ähnli-
chen steckt daher gar keine ableitung.

1) substantiva,

a) starke masculina,
goth. nur sagg-vs (cantus)*), aber andere laßen sich ver-
muthen, z. b. aus dem verbo bal-vjan ein bal-vs (oder
neutr. bal-v?) malum. Zur dritten decl. gehört fairh-
vus (mundus); doch in skad-us (umbra) hair-us (cardo,
ensis), nicht skad-vus, hair-vus, scheint kein ableitendes
v zu liegen? vgl. indessen das verbum skad-vjan und
die übrigen mundarten **). -- ahd. mat-o (pratum) mat-
awes? nur in compos. mato-screcch (locusta) N. 104, 34;
pal-o (malum) O. II. 6, 71. gen. pal-awes; sal-o (salix) sal-
awes jun. 227; scat-o (umbra) scata-wes; vielleicht rit-o (fe-
bris) rit-awes?; von phul-awei (pulvilli) mons. 339. kann ich
den sg. phul-o nicht weisen (mons. 385. phul-ju neutral?),
später decliniert dies aus dem latein entlehnte wort schwach;
aber sank, sank-es, sang, sang-es, nicht sang-o, sang-awes. --
ags. beal-o (malum) beal-ves; bear-o (lucus) bear-ves;
scead-o (umbra) scead-uves; vielleicht auch heor-o (cardo)
heor-ves. -- altn. hiör-r (ensis) dat. hiör-vi; spiör-r
(passer); in söng-r (cantus) scheint der umlaut ein aus v
entsprungnes u zu bedeuten? vgl. söng-vari (cantor); zur

*) daß in den goth. formeln ggv. gqv das v consonantisch ab-
leitend sei, nicht zu dem gg, gq (= ng, nk) gehöre, folgt aus
den wörtern, wie gaggs, drigkan, die es nicht haben. Ebenso
beurtheile man hv. In allen übrigen dialecten hat sich hinter ng,
nk, h das v meist verloren.
**) zwischen ableitendem v und ableitendem u, das in v über-
tritt (oben s. 95.) ist die rechte scheide schwer; ich sehe hier noch
nicht klar und muß im ahd. aw annehmen, die goth. u scheinen.

III. conſonantiſche ableitungen. V.
av, iv, uv, wiewohl die beiden letzten von ganz be-
ſchränktem umfang ſind.

[AV] im goth. der vocal überall gewichen, ahd. oft
erhalten, wenn auf das w flexionsvocale folgen, ſonſt
mit dem w in o verſchmolzen. Nhd. verwandeln ſich
die gebliebenen w in b. Von dem ableitenden v muß
man aber das wurzelhafte v unterſcheiden, wie ich 1,
598. 613 etc. nicht gethan habe. Ableitendes iſt nur an-
zunehmen, wo der die wurzel ſchließende conſonant ihm
vorausgeht, z. b. im goth. bal-vjan oder im ahd. pal-o =
pal-aw; geht kein ſolcher conſ. vorher, ſo gehört das
v ſelbſt zur wurzel, da es unwahrſcheinlich iſt, daß vor
einer ſpirans eine andere ſpirans ausgefallen ſei. In ſáivs,
ſnáivs, þius, qvius, ahd. ſêo, ſnêo, diu und allen ähnli-
chen ſteckt daher gar keine ableitung.

1) ſubſtantiva,

α) ſtarke maſculina,
goth. nur ſagg-vs (cantus)*), aber andere laßen ſich ver-
muthen, z. b. aus dem verbo bal-vjan ein bal-vs (oder
neutr. bal-v?) malum. Zur dritten decl. gehört faírh-
vus (mundus); doch in ſkad-us (umbra) haír-us (cardo,
enſis), nicht ſkad-vus, haír-vus, ſcheint kein ableitendes
v zu liegen? vgl. indeſſen das verbum ſkad-vjan und
die übrigen mundarten **). — ahd. mat-o (pratum) mat-
awes? nur in compoſ. mato-ſcrëcch (locuſta) N. 104, 34;
pal-o (malum) O. II. 6, 71. gen. pal-awes; ſal-o (ſalix) ſal-
awes jun. 227; ſcat-o (umbra) ſcata-wes; vielleicht rit-o (fe-
bris) rit-awes?; von phul-awî (pulvilli) monſ. 339. kann ich
den ſg. phul-o nicht weiſen (monſ. 385. phul-ju neutral?),
ſpäter decliniert dies aus dem latein entlehnte wort ſchwach;
aber ſank, ſank-es, ſang, ſang-es, nicht ſang-o, ſang-awes. —
agſ. bëal-o (malum) bëal-ves; bëar-o (lucus) bëar-ves;
ſcëad-o (umbra) ſcëad-uves; vielleicht auch hëor-o (cardo)
hëor-ves. — altn. hiör-r (enſis) dat. hiör-vi; ſpiör-r
(paſſer); in ſöng-r (cantus) ſcheint der umlaut ein aus v
entſprungnes u zu bedeuten? vgl. ſöng-vari (cantor); zur

*) daß in den goth. formeln ggv. gqv das v conſonantiſch ab-
leitend ſei, nicht zu dem gg, gq (= ng, nk) gehöre, folgt aus
den wörtern, wie gaggs, drigkan, die es nicht haben. Ebenſo
beurtheile man hv. In allen übrigen dialecten hat ſich hinter ng,
nk, h das v meiſt verloren.
**) zwiſchen ableitendem v und ableitendem u, das in v über-
tritt (oben ſ. 95.) iſt die rechte ſcheide ſchwer; ich ſehe hier noch
nicht klar und muß im ahd. aw annehmen, die goth. u ſcheinen.
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[187/0205] III. conſonantiſche ableitungen. V. av, iv, uv, wiewohl die beiden letzten von ganz be- ſchränktem umfang ſind. [AV] im goth. der vocal überall gewichen, ahd. oft erhalten, wenn auf das w flexionsvocale folgen, ſonſt mit dem w in o verſchmolzen. Nhd. verwandeln ſich die gebliebenen w in b. Von dem ableitenden v muß man aber das wurzelhafte v unterſcheiden, wie ich 1, 598. 613 etc. nicht gethan habe. Ableitendes iſt nur an- zunehmen, wo der die wurzel ſchließende conſonant ihm vorausgeht, z. b. im goth. bal-vjan oder im ahd. pal-o = pal-aw; geht kein ſolcher conſ. vorher, ſo gehört das v ſelbſt zur wurzel, da es unwahrſcheinlich iſt, daß vor einer ſpirans eine andere ſpirans ausgefallen ſei. In ſáivs, ſnáivs, þius, qvius, ahd. ſêo, ſnêo, diu und allen ähnli- chen ſteckt daher gar keine ableitung. 1) ſubſtantiva, α) ſtarke maſculina, goth. nur ſagg-vs (cantus) *), aber andere laßen ſich ver- muthen, z. b. aus dem verbo bal-vjan ein bal-vs (oder neutr. bal-v?) malum. Zur dritten decl. gehört faírh- vus (mundus); doch in ſkad-us (umbra) haír-us (cardo, enſis), nicht ſkad-vus, haír-vus, ſcheint kein ableitendes v zu liegen? vgl. indeſſen das verbum ſkad-vjan und die übrigen mundarten **). — ahd. mat-o (pratum) mat- awes? nur in compoſ. mato-ſcrëcch (locuſta) N. 104, 34; pal-o (malum) O. II. 6, 71. gen. pal-awes; ſal-o (ſalix) ſal- awes jun. 227; ſcat-o (umbra) ſcata-wes; vielleicht rit-o (fe- bris) rit-awes?; von phul-awî (pulvilli) monſ. 339. kann ich den ſg. phul-o nicht weiſen (monſ. 385. phul-ju neutral?), ſpäter decliniert dies aus dem latein entlehnte wort ſchwach; aber ſank, ſank-es, ſang, ſang-es, nicht ſang-o, ſang-awes. — agſ. bëal-o (malum) bëal-ves; bëar-o (lucus) bëar-ves; ſcëad-o (umbra) ſcëad-uves; vielleicht auch hëor-o (cardo) hëor-ves. — altn. hiör-r (enſis) dat. hiör-vi; ſpiör-r (paſſer); in ſöng-r (cantus) ſcheint der umlaut ein aus v entſprungnes u zu bedeuten? vgl. ſöng-vari (cantor); zur *) daß in den goth. formeln ggv. gqv das v conſonantiſch ab- leitend ſei, nicht zu dem gg, gq (= ng, nk) gehöre, folgt aus den wörtern, wie gaggs, drigkan, die es nicht haben. Ebenſo beurtheile man hv. In allen übrigen dialecten hat ſich hinter ng, nk, h das v meiſt verloren. **) zwiſchen ableitendem v und ableitendem u, das in v über- tritt (oben ſ. 95.) iſt die rechte ſcheide ſchwer; ich ſehe hier noch nicht klar und muß im ahd. aw annehmen, die goth. u ſcheinen.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/205>, abgerufen am 28.04.2024.