Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
wate Flore 16b 25b troj. 175b 180b am. 7a sprate Reinfr.
166a naten Wilh. 2, 88b muoten:luoten Barl. 375. ruo-
ten:muoten Reinfr. 211a]. Der conj. ist in beiden
fällen dem ind. gleich und lautet entw. blaete oder
blate; inf. und praes. können auch gekürzt werden,
gewöhnlich mit umlaut blaen, draen, maen, saen; blaet,
waet; blaent, waent (Parc. 53b 39a Wilh. 2, 13a 68b
Wilh. 1, 98a Trist. 58c 88c) bluen, muen (M. S. 2, 109a
Georg 57a) seltner rückumlautend (wat:gat Georg 38a
muon:tuon Wilh. 3, 163b); das part. praet. lautet
meistens um (genaet, gedraet, gewaet Parc. 4b 39a 54b
erbluet Wilh. 2, 160a). Verwerflich ist die schreibung
bleien, weien oder seigen, meigen, neigen (M. S. 2,
13a troj. 10b 19b 116a) d. h. nie auf ächte ei in
zweien, heien, zeigen, veigen reimend. -- g) schwache
verba mit h nach langem wurzelvoc. (beispiele s. 438.)
stoßen das h nicht im praet. aus, vgl. smaehete:wae-
hete Wilh. 2, 3a, draehete (fragravit) baehete (torruit)
schiuhete etc. inf. und praes. laßen manchmahl die
kürzung zu, z. b. versman M. S. 1, 49b baen:draen
(torquere Parc. 101c). -- d) mischungen: schiuwen f.
schiuhen oben s. 404; Heinr. r. meisen reimt 1228. 1457.
ziuhet:muehet f. muejet; sprewete, wewete f. sprete,
wete = spraete, waete bei Herb. 15a 107a; dieser dich-
ter setzt 110d ruejeten (remigabant) 105a das part. ge-
ruoret (s. 435. note) M. S. 2, 150b steht ruodern. --
8) schwache verba mit der bildung -ew stoßen das e
nach l, r und kurzem voc. nothwendig aus, als: sel-
wen. velwen, gerwen, verwen; nach t darf es blei-
ben oder ausfallen, z. b. verwitewen, verwitwen Nib.
8860. Praet. salte, valte, garte, varte; für garte häu-
fige belege, die andern sind mir nicht vorgekommen,
aber kaum zu bezweifeln; verwitwen macht verwit-
wete, schwerlich verwitte [schatte f. schatete ist hin-
kende vergleichung, seit es nicht mehr schatewen
sondern schaten heißt].
9) bringen, brahte, brahten; conj. braehte, braehten;
part. braht (nicht gebraht); denken, dahte, dahten;
daehte; gedaht; dunken (:trunken troj. 74b) dauhte,
dauhten; diuhte; gedauht; würken (beßer als wirken,
im reim nur auf lürken in der schmiede) worhte,
worhten; wörhte; geworht; vürhten, vorhte (goth.
faurhta, alth. vorahta) vorhten; vörhte; gevorht. Der
conj. umlaut entspricht der zweiten anom.

II. anomalien der mittelhochd. conjugation.
wâte Flore 16b 25b troj. 175b 180b am. 7a ſprâte Reinfr.
166a nâten Wilh. 2, 88b muoten:luoten Barl. 375. ruo-
ten:muoten Reinfr. 211a]. Der conj. iſt in beiden
fällen dem ind. gleich und lautet entw. blæte oder
blâte; inf. und praeſ. können auch gekürzt werden,
gewöhnlich mit umlaut blæn, dræn, mæn, ſæn; blæt,
wæt; blænt, wænt (Parc. 53b 39a Wilh. 2, 13a 68b
Wilh. 1, 98a Triſt. 58c 88c) bluen, muen (M. S. 2, 109a
Georg 57a) ſeltner rückumlautend (wât:gât Georg 38a
muon:tuon Wilh. 3, 163b); das part. praet. lautet
meiſtens um (genæt, gedræt, gewæt Parc. 4b 39a 54b
erbluet Wilh. 2, 160a). Verwerflich iſt die ſchreibung
bleien, weien oder ſeigen, meigen, neigen (M. S. 2,
13a troj. 10b 19b 116a) d. h. nie auf ächte ei in
zweien, heien, zeigen, veigen reimend. — γ) ſchwache
verba mit h nach langem wurzelvoc. (beiſpiele ſ. 438.)
ſtoßen das h nicht im praet. aus, vgl. ſmæhete:wæ-
hete Wilh. 2, 3a, dræhete (fragravit) bæhete (torruit)
ſchiuhete etc. inf. und praeſ. laßen manchmahl die
kürzung zu, z. b. verſmân M. S. 1, 49b bæn:dræn
(torquere Parc. 101c). — δ) miſchungen: ſchiuwen f.
ſchiuhen oben ſ. 404; Heinr. r. mîſen reimt 1228. 1457.
ziuhet:muehet f. muejet; ſprêwete, wêwete f. ſprête,
wête = ſpræte, wæte bei Herb. 15a 107a; dieſer dich-
ter ſetzt 110d ruejeten (remigabant) 105a das part. ge-
ruoret (ſ. 435. note) M. S. 2, 150b ſteht ruodern. —
8) ſchwache verba mit der bildung -ew ſtoßen das e
nach l, r und kurzem voc. nothwendig aus, als: ſel-
wen. velwen, gerwen, verwen; nach t darf es blei-
ben oder ausfallen, z. b. verwitewen, verwitwen Nib.
8860. Praet. ſalte, valte, garte, varte; für garte häu-
fige belege, die andern ſind mir nicht vorgekommen,
aber kaum zu bezweifeln; verwitwen macht verwit-
wete, ſchwerlich verwitte [ſchatte f. ſchatete iſt hin-
kende vergleichung, ſeit es nicht mehr ſchatewen
ſondern ſchaten heißt].
9) bringen, brâhte, brâhten; conj. bræhte, bræhten;
part. brâht (nicht gebrâht); denken, dâhte, dâhten;
dæhte; gedâht; dunken (:trunken troj. 74b) dûhte,
dûhten; diuhte; gedûht; würken (beßer als wirken,
im reim nur auf lürken in der ſchmiede) worhte,
worhten; wörhte; geworht; vürhten, vorhte (goth.
faúrhta, alth. vorahta) vorhten; vörhte; gevorht. Der
conj. umlaut entſpricht der zweiten anom.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <list>
                <item><pb facs="#f0995" n="969"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">anomalien der mittelhochd. conjugation.</hi></fw><lb/>
wâte Flore 16<hi rendition="#sup">b</hi> 25<hi rendition="#sup">b</hi> troj. 175<hi rendition="#sup">b</hi> 180<hi rendition="#sup">b</hi> am. 7<hi rendition="#sup">a</hi> &#x017F;prâte Reinfr.<lb/>
166<hi rendition="#sup">a</hi> nâten Wilh. 2, 88<hi rendition="#sup">b</hi> muoten:luoten Barl. 375. ruo-<lb/>
ten:muoten Reinfr. 211<hi rendition="#sup">a</hi>]. Der conj. i&#x017F;t in beiden<lb/>
fällen dem ind. gleich und lautet entw. blæte oder<lb/>
blâte; inf. und prae&#x017F;. können auch gekürzt werden,<lb/>
gewöhnlich mit umlaut blæn, dræn, mæn, &#x017F;æn; blæt,<lb/>
wæt; blænt, wænt (Parc. 53<hi rendition="#sup">b</hi> 39<hi rendition="#sup">a</hi> Wilh. 2, 13<hi rendition="#sup">a</hi> 68<hi rendition="#sup">b</hi><lb/>
Wilh. 1, 98<hi rendition="#sup">a</hi> Tri&#x017F;t. 58<hi rendition="#sup">c</hi> 88<hi rendition="#sup">c</hi>) bluen, muen (M. S. 2, 109<hi rendition="#sup">a</hi><lb/>
Georg 57<hi rendition="#sup">a</hi>) &#x017F;eltner rückumlautend (wât:gât Georg 38<hi rendition="#sup">a</hi><lb/>
muon:tuon Wilh. 3, 163<hi rendition="#sup">b</hi>); das part. praet. lautet<lb/>
mei&#x017F;tens um (genæt, gedræt, gewæt Parc. 4<hi rendition="#sup">b</hi> 39<hi rendition="#sup">a</hi> 54<hi rendition="#sup">b</hi><lb/>
erbluet Wilh. 2, 160<hi rendition="#sup">a</hi>). Verwerflich i&#x017F;t die &#x017F;chreibung<lb/>
bleien, weien oder &#x017F;eigen, meigen, neigen (M. S. 2,<lb/>
13<hi rendition="#sup">a</hi> troj. 10<hi rendition="#sup">b</hi> 19<hi rendition="#sup">b</hi> 116<hi rendition="#sup">a</hi>) d. h. nie auf ächte ei in<lb/>
zweien, heien, zeigen, veigen reimend. &#x2014; <hi rendition="#i">&#x03B3;</hi>) &#x017F;chwache<lb/>
verba mit h nach langem wurzelvoc. (bei&#x017F;piele &#x017F;. 438.)<lb/>
&#x017F;toßen das h nicht im praet. aus, vgl. &#x017F;mæhete:wæ-<lb/>
hete Wilh. 2, 3<hi rendition="#sup">a</hi>, dræhete (fragravit) bæhete (torruit)<lb/>
&#x017F;chiuhete etc. inf. und prae&#x017F;. laßen manchmahl die<lb/>
kürzung zu, z. b. ver&#x017F;mân M. S. 1, 49<hi rendition="#sup">b</hi> bæn:dræn<lb/>
(torquere Parc. 101<hi rendition="#sup">c</hi>). &#x2014; <hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>) mi&#x017F;chungen: &#x017F;chiuwen f.<lb/>
&#x017F;chiuhen oben &#x017F;. 404; Heinr. r. mî&#x017F;en reimt 1228. 1457.<lb/>
ziuhet:muehet f. muejet; &#x017F;prêwete, wêwete f. &#x017F;prête,<lb/>
wête = &#x017F;præte, wæte bei Herb. 15<hi rendition="#sup">a</hi> 107<hi rendition="#sup">a</hi>; die&#x017F;er dich-<lb/>
ter &#x017F;etzt 110<hi rendition="#sup">d</hi> ruejeten (remigabant) 105<hi rendition="#sup">a</hi> das part. ge-<lb/>
ruoret (&#x017F;. 435. note) M. S. 2, 150<hi rendition="#sup">b</hi> &#x017F;teht ruodern. &#x2014;</item><lb/>
                <item>8) &#x017F;chwache verba <hi rendition="#i">mit der bildung -ew</hi> &#x017F;toßen das e<lb/>
nach l, r und kurzem voc. nothwendig aus, als: &#x017F;el-<lb/>
wen. velwen, gerwen, verwen; nach t darf es blei-<lb/>
ben oder ausfallen, z. b. verwitewen, verwitwen Nib.<lb/>
8860. Praet. &#x017F;alte, valte, garte, varte; für garte häu-<lb/>
fige belege, die andern &#x017F;ind mir nicht vorgekommen,<lb/>
aber kaum zu bezweifeln; verwitwen macht verwit-<lb/>
wete, &#x017F;chwerlich verwitte [&#x017F;chatte f. &#x017F;chatete i&#x017F;t hin-<lb/>
kende vergleichung, &#x017F;eit es nicht mehr &#x017F;chatewen<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;chaten heißt].</item><lb/>
                <item>9) bringen, <hi rendition="#i">brâhte</hi>, brâhten; conj. bræhte, bræhten;<lb/>
part. brâht (nicht gebrâht); denken, <hi rendition="#i">dâhte</hi>, dâhten;<lb/>
dæhte; gedâht; dunken (:trunken troj. 74<hi rendition="#sup">b</hi>) <hi rendition="#i">dûhte</hi>,<lb/>
dûhten; diuhte; gedûht; würken (beßer als wirken,<lb/>
im reim nur auf lürken in der &#x017F;chmiede) <hi rendition="#i">worhte</hi>,<lb/>
worhten; wörhte; geworht; vürhten, <hi rendition="#i">vorhte</hi> (goth.<lb/>
faúrhta, alth. vorahta) vorhten; vörhte; gevorht. Der<lb/>
conj. umlaut ent&#x017F;pricht der zweiten anom.</item><lb/>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[969/0995] II. anomalien der mittelhochd. conjugation. wâte Flore 16b 25b troj. 175b 180b am. 7a ſprâte Reinfr. 166a nâten Wilh. 2, 88b muoten:luoten Barl. 375. ruo- ten:muoten Reinfr. 211a]. Der conj. iſt in beiden fällen dem ind. gleich und lautet entw. blæte oder blâte; inf. und praeſ. können auch gekürzt werden, gewöhnlich mit umlaut blæn, dræn, mæn, ſæn; blæt, wæt; blænt, wænt (Parc. 53b 39a Wilh. 2, 13a 68b Wilh. 1, 98a Triſt. 58c 88c) bluen, muen (M. S. 2, 109a Georg 57a) ſeltner rückumlautend (wât:gât Georg 38a muon:tuon Wilh. 3, 163b); das part. praet. lautet meiſtens um (genæt, gedræt, gewæt Parc. 4b 39a 54b erbluet Wilh. 2, 160a). Verwerflich iſt die ſchreibung bleien, weien oder ſeigen, meigen, neigen (M. S. 2, 13a troj. 10b 19b 116a) d. h. nie auf ächte ei in zweien, heien, zeigen, veigen reimend. — γ) ſchwache verba mit h nach langem wurzelvoc. (beiſpiele ſ. 438.) ſtoßen das h nicht im praet. aus, vgl. ſmæhete:wæ- hete Wilh. 2, 3a, dræhete (fragravit) bæhete (torruit) ſchiuhete etc. inf. und praeſ. laßen manchmahl die kürzung zu, z. b. verſmân M. S. 1, 49b bæn:dræn (torquere Parc. 101c). — δ) miſchungen: ſchiuwen f. ſchiuhen oben ſ. 404; Heinr. r. mîſen reimt 1228. 1457. ziuhet:muehet f. muejet; ſprêwete, wêwete f. ſprête, wête = ſpræte, wæte bei Herb. 15a 107a; dieſer dich- ter ſetzt 110d ruejeten (remigabant) 105a das part. ge- ruoret (ſ. 435. note) M. S. 2, 150b ſteht ruodern. — 8) ſchwache verba mit der bildung -ew ſtoßen das e nach l, r und kurzem voc. nothwendig aus, als: ſel- wen. velwen, gerwen, verwen; nach t darf es blei- ben oder ausfallen, z. b. verwitewen, verwitwen Nib. 8860. Praet. ſalte, valte, garte, varte; für garte häu- fige belege, die andern ſind mir nicht vorgekommen, aber kaum zu bezweifeln; verwitwen macht verwit- wete, ſchwerlich verwitte [ſchatte f. ſchatete iſt hin- kende vergleichung, ſeit es nicht mehr ſchatewen ſondern ſchaten heißt]. 9) bringen, brâhte, brâhten; conj. bræhte, bræhten; part. brâht (nicht gebrâht); denken, dâhte, dâhten; dæhte; gedâht; dunken (:trunken troj. 74b) dûhte, dûhten; diuhte; gedûht; würken (beßer als wirken, im reim nur auf lürken in der ſchmiede) worhte, worhten; wörhte; geworht; vürhten, vorhte (goth. faúrhta, alth. vorahta) vorhten; vörhte; gevorht. Der conj. umlaut entſpricht der zweiten anom.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/995
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 969. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/995>, abgerufen am 19.05.2024.