Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite
II. von der conjugation im allgemeinen.
11) in IX. sind keine stämme iul, ium. iun. iur: in VIII.
keine eil, eim, eir; in VII. keine am vorhanden (von
an das einzige anan); und wiewohl mir scheint, daß
sie vor zeiten dagewesen seyn können, mithin ihre
ausschließung nicht im wesen dieser conjug. liegt;
so mag doch die natur dieser liq. widerstand gegen
den ablaut begründen.
12) auf dem unterschiede zwischen mut. und liq. beruht
auch gerade die trennung von X. und XI., welche
sich nahe liegen und später in einander verschwim-
men; zu X. gehören stämme, wo einfache muta, zu
XI. wo einfache liq. dem kurzen i folgt (die form in
scheint auch hier ausgegangen).
13) XII. befaßt lauter stämme, wo ursprünglichem i liq.
cum muta oder geminierte liq. nachfolgt; die mit a
vor liq. cum mut. und liq. gem. fallen meistens in I,
einige in VII. --
D) die schwache conj. bildet ihr praet. nicht durch re-
dupl. oder ablautung der wurzel, sondern durch die
zwischen verbum und personenflexion eingeschaltete
lingualis d (alth. t), über deren sinn ich mich erst am
schluße des capitels erkläre. Diese schwache conj.
begreift unerläßlich abgeleitete wörter, womit nicht
gesagt wird, daß der starken nothwendig wurzeln ge-
bühren. Bloß das ist zu behaupten, daß alle reine
wurzeln immer stark flectieren; ableitungen mit star-
ker flexion sind selten und scheinen die verwachsung
eines ableitenden cons. in die wurzel vorauszusetzen.
Ein beispiel wäre das goth. saltan, saisalt aus sal-t-an
(nach s. 825.); mehrere wird die alth. conj. XII. ver-
deutlichen. Sichtbar ist die starke conj. die ursprüng-
liche, ihre bewegungen geschehen freier, vollständi-
ger, als die der schwachen. Auch das bewährt diese
ansicht, daß die starke flexion stufenweise versinkt
und ausstirbt, die schwache aber um sich greift; daß
fremdher eingeführte verba beständig der schwachen
unterworfen werden, kaum an der starken theilneh-
men können (späterhin doch einige ausnahmen hier-
von). Mischungen beider formen werden unter den
anomalien abgehandelt.


II. von der conjugation im allgemeinen.
11) in IX. ſind keine ſtämme iul, ium. iun. iur: in VIII.
keine eil, eim, eir; in VII. keine am vorhanden (von
an das einzige anan); und wiewohl mir ſcheint, daß
ſie vor zeiten dageweſen ſeyn können, mithin ihre
ausſchließung nicht im weſen dieſer conjug. liegt;
ſo mag doch die natur dieſer liq. widerſtand gegen
den ablaut begründen.
12) auf dem unterſchiede zwiſchen mut. und liq. beruht
auch gerade die trennung von X. und XI., welche
ſich nahe liegen und ſpäter in einander verſchwim-
men; zu X. gehören ſtämme, wo einfache muta, zu
XI. wo einfache liq. dem kurzen i folgt (die form in
ſcheint auch hier ausgegangen).
13) XII. befaßt lauter ſtämme, wo urſprünglichem i liq.
cum muta oder geminierte liq. nachfolgt; die mit a
vor liq. cum mut. und liq. gem. fallen meiſtens in I,
einige in VII. —
D) die ſchwache conj. bildet ihr praet. nicht durch re-
dupl. oder ablautung der wurzel, ſondern durch die
zwiſchen verbum und perſonenflexion eingeſchaltete
lingualis d (alth. t), über deren ſinn ich mich erſt am
ſchluße des capitels erkläre. Dieſe ſchwache conj.
begreift unerläßlich abgeleitete wörter, womit nicht
geſagt wird, daß der ſtarken nothwendig wurzeln ge-
bühren. Bloß das iſt zu behaupten, daß alle reine
wurzeln immer ſtark flectieren; ableitungen mit ſtar-
ker flexion ſind ſelten und ſcheinen die verwachſung
eines ableitenden conſ. in die wurzel vorauszuſetzen.
Ein beiſpiel wäre das goth. ſaltan, ſáiſalt aus ſal-t-an
(nach ſ. 825.); mehrere wird die alth. conj. XII. ver-
deutlichen. Sichtbar iſt die ſtarke conj. die urſprüng-
liche, ihre bewegungen geſchehen freier, vollſtändi-
ger, als die der ſchwachen. Auch das bewährt dieſe
anſicht, daß die ſtarke flexion ſtufenweiſe verſinkt
und ausſtirbt, die ſchwache aber um ſich greift; daß
fremdher eingeführte verba beſtändig der ſchwachen
unterworfen werden, kaum an der ſtarken theilneh-
men können (ſpäterhin doch einige ausnahmen hier-
von). Miſchungen beider formen werden unter den
anomalien abgehandelt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <pb facs="#f0865" n="839"/>
            <fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">von der conjugation im allgemeinen.</hi></fw><lb/>
            <item>11) in IX. &#x017F;ind keine &#x017F;tämme <hi rendition="#i">iul, ium</hi>. <hi rendition="#i">iun</hi>. <hi rendition="#i">iur:</hi> in VIII.<lb/>
keine <hi rendition="#i">eil, eim, eir;</hi> in VII. keine <hi rendition="#i">am</hi> vorhanden (von<lb/><hi rendition="#i">an</hi> das einzige anan); und wiewohl mir &#x017F;cheint, daß<lb/>
&#x017F;ie vor zeiten dagewe&#x017F;en &#x017F;eyn können, mithin ihre<lb/>
aus&#x017F;chließung nicht im we&#x017F;en die&#x017F;er conjug. liegt;<lb/>
&#x017F;o mag doch die natur die&#x017F;er liq. wider&#x017F;tand gegen<lb/>
den ablaut begründen.</item><lb/>
            <item>12) auf dem unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen mut. und liq. beruht<lb/>
auch gerade die trennung von X. und XI., welche<lb/>
&#x017F;ich nahe liegen und &#x017F;päter in einander ver&#x017F;chwim-<lb/>
men; zu X. gehören &#x017F;tämme, wo einfache muta, zu<lb/>
XI. wo einfache liq. dem kurzen i folgt (die form <hi rendition="#i">in</hi><lb/>
&#x017F;cheint auch hier ausgegangen).</item><lb/>
            <item>13) XII. befaßt lauter &#x017F;tämme, wo ur&#x017F;prünglichem i liq.<lb/>
cum muta oder geminierte liq. nachfolgt; die mit a<lb/>
vor liq. cum mut. und liq. gem. fallen mei&#x017F;tens in I,<lb/>
einige in VII. &#x2014;</item>
          </list><lb/>
          <list>
            <item>D) die <hi rendition="#i">&#x017F;chwache</hi> conj. bildet ihr praet. nicht durch re-<lb/>
dupl. oder ablautung der wurzel, &#x017F;ondern durch die<lb/>
zwi&#x017F;chen verbum und per&#x017F;onenflexion einge&#x017F;chaltete<lb/>
lingualis <hi rendition="#i">d</hi> (alth. t), über deren &#x017F;inn ich mich er&#x017F;t am<lb/>
&#x017F;chluße des capitels erkläre. Die&#x017F;e &#x017F;chwache conj.<lb/>
begreift unerläßlich abgeleitete wörter, womit nicht<lb/>
ge&#x017F;agt wird, daß der &#x017F;tarken nothwendig wurzeln ge-<lb/>
bühren. Bloß das i&#x017F;t zu behaupten, daß alle reine<lb/>
wurzeln immer &#x017F;tark flectieren; ableitungen mit &#x017F;tar-<lb/>
ker flexion &#x017F;ind &#x017F;elten und &#x017F;cheinen die verwach&#x017F;ung<lb/>
eines ableitenden con&#x017F;. in die wurzel vorauszu&#x017F;etzen.<lb/>
Ein bei&#x017F;piel wäre das goth. &#x017F;altan, &#x017F;ái&#x017F;alt aus &#x017F;al-t-an<lb/>
(nach &#x017F;. 825.); mehrere wird die alth. conj. XII. ver-<lb/>
deutlichen. Sichtbar i&#x017F;t die &#x017F;tarke conj. die ur&#x017F;prüng-<lb/>
liche, ihre bewegungen ge&#x017F;chehen freier, voll&#x017F;tändi-<lb/>
ger, als die der &#x017F;chwachen. Auch das bewährt die&#x017F;e<lb/>
an&#x017F;icht, daß die &#x017F;tarke flexion &#x017F;tufenwei&#x017F;e ver&#x017F;inkt<lb/>
und aus&#x017F;tirbt, die &#x017F;chwache aber um &#x017F;ich greift; daß<lb/>
fremdher eingeführte verba be&#x017F;tändig der &#x017F;chwachen<lb/>
unterworfen werden, kaum an der &#x017F;tarken theilneh-<lb/>
men können (&#x017F;päterhin doch einige ausnahmen hier-<lb/>
von). Mi&#x017F;chungen beider formen werden unter den<lb/>
anomalien abgehandelt.</item>
          </list><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[839/0865] II. von der conjugation im allgemeinen. 11) in IX. ſind keine ſtämme iul, ium. iun. iur: in VIII. keine eil, eim, eir; in VII. keine am vorhanden (von an das einzige anan); und wiewohl mir ſcheint, daß ſie vor zeiten dageweſen ſeyn können, mithin ihre ausſchließung nicht im weſen dieſer conjug. liegt; ſo mag doch die natur dieſer liq. widerſtand gegen den ablaut begründen. 12) auf dem unterſchiede zwiſchen mut. und liq. beruht auch gerade die trennung von X. und XI., welche ſich nahe liegen und ſpäter in einander verſchwim- men; zu X. gehören ſtämme, wo einfache muta, zu XI. wo einfache liq. dem kurzen i folgt (die form in ſcheint auch hier ausgegangen). 13) XII. befaßt lauter ſtämme, wo urſprünglichem i liq. cum muta oder geminierte liq. nachfolgt; die mit a vor liq. cum mut. und liq. gem. fallen meiſtens in I, einige in VII. — D) die ſchwache conj. bildet ihr praet. nicht durch re- dupl. oder ablautung der wurzel, ſondern durch die zwiſchen verbum und perſonenflexion eingeſchaltete lingualis d (alth. t), über deren ſinn ich mich erſt am ſchluße des capitels erkläre. Dieſe ſchwache conj. begreift unerläßlich abgeleitete wörter, womit nicht geſagt wird, daß der ſtarken nothwendig wurzeln ge- bühren. Bloß das iſt zu behaupten, daß alle reine wurzeln immer ſtark flectieren; ableitungen mit ſtar- ker flexion ſind ſelten und ſcheinen die verwachſung eines ableitenden conſ. in die wurzel vorauszuſetzen. Ein beiſpiel wäre das goth. ſaltan, ſáiſalt aus ſal-t-an (nach ſ. 825.); mehrere wird die alth. conj. XII. ver- deutlichen. Sichtbar iſt die ſtarke conj. die urſprüng- liche, ihre bewegungen geſchehen freier, vollſtändi- ger, als die der ſchwachen. Auch das bewährt dieſe anſicht, daß die ſtarke flexion ſtufenweiſe verſinkt und ausſtirbt, die ſchwache aber um ſich greift; daß fremdher eingeführte verba beſtändig der ſchwachen unterworfen werden, kaum an der ſtarken theilneh- men können (ſpäterhin doch einige ausnahmen hier- von). Miſchungen beider formen werden unter den anomalien abgehandelt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/865
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/865>, abgerufen am 22.11.2024.