Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.II. mittelh. substantiv. anomalien. Anomalien der mittelhochdeutschen substantive. 1) vater, bruoder, muoter, swester, tohter im sg. un- veränderlich; den pl. lauten einzelne hss. um in veter, brueder, mueter, töhter, doch scheint das spätere verderbnis. Nicht mehr beweiskraft haben die schwa- chen pl. tohteren, swesteren troj. 81c 82a 97b 101c 107a. Zu untersuchen bleibt, ob sweher, sweher, (socer) Wilh. 2, 83a 182b swiger (socrus) swager (maritus so- roris) Wilh. 3, 63b auf trager (tardius) reimend, gleich- falls unveränderlich sind; nach dem goth. svaihra, svaihro sollte man die schwache form swehere, swigere erwarten, allein auch im alth. gilt suehar, swigar, kein suehero, swigera. 2) man sowohl ganz unveränderlich für alle casus sg. und pl. (gen. sg. lw. 21c Parc. 48a dat. sg. Parc. 43a gen. pl. Nib. 308. Bit. 58a dat. pl. Bit. 56a 90a) als nach der ersten st. masc. decl. gen., mannes, dat. manne; gen. pl. manne, dat. mannen. Doch lautet nom. acc. pl. immer man, niemahls manne. Oft beiderlei form ne- beneinander, z. b. von manne ze man Wilh. 2, 35b. 3) naht nach vierter weibl. gen. dat. nehte M. S. 2, 185b fragm. 31c; zuweilen ohne umlaut nahte M. S. 2, 66b 108b; zuweilen das indecl. naht (noctis) M. S. 1, 63b; seltner männlich, mit dem gen. nahtes (vgl. M. S. 1, 37a des nahtes) der aber häufig adverbialiter vorkommt. -- diet scheint im mittelh. überall weibl. und nur in nie- derd. quellen (En. Roth. etc.) zeigt es sich männlich. -- buoch ist entschieden neutrum. 4) von einschiebung des -er vorhin s. 680.; einschie- bung des -en kommt nicht vor, selbst nicht bei aus der schweiz gebürtigen dichtern, nur lüge (mendacium) zeigt Nib. 18227. den pl. lügene. Man vgl. aber die zur dritten schw. weibl. decl. angemerkten spuren des -ein, in, -en. Neutrale diminutiva gehen schon im nom. sg. auf -lein, sehr selten auf -lei aus (vgl. vin- gerlei griffelei Flore 11a 35c trautlei amur 14c minnerlei fragm. 15a; näheres bei der wortbildung). 5) schwanken zwischen st. und schw. form z. b. gebaur, gebaure s. 667. 682 n. a. m. vgl. 674. Mittelniederdeutsches substantivum. Die beschränktheit der quellen läßt keine eigentliche II. mittelh. ſubſtantiv. anomalien. Anomalien der mittelhochdeutſchen ſubſtantive. 1) vater, bruoder, muoter, ſwëſter, tohter im ſg. un- veränderlich; den pl. lauten einzelne hſſ. um in veter, brueder, mueter, töhter, doch ſcheint das ſpätere verderbnis. Nicht mehr beweiskraft haben die ſchwa- chen pl. tohteren, ſwëſteren troj. 81c 82a 97b 101c 107a. Zu unterſuchen bleibt, ob ſwëher, ſwêher, (ſocer) Wilh. 2, 83a 182b ſwiger (ſocrus) ſwâger (maritus ſo- roris) Wilh. 3, 63b auf trâger (tardius) reimend, gleich- falls unveränderlich ſind; nach dem goth. ſvaíhra, ſvaihrô ſollte man die ſchwache form ſwëhere, ſwigere erwarten, allein auch im alth. gilt ſuëhar, ſwigar, kein ſuëhero, ſwigera. 2) man ſowohl ganz unveränderlich für alle caſus ſg. und pl. (gen. ſg. lw. 21c Parc. 48a dat. ſg. Parc. 43a gen. pl. Nib. 308. Bit. 58a dat. pl. Bit. 56a 90a) als nach der erſten ſt. maſc. decl. gen., mannes, dat. manne; gen. pl. manne, dat. mannen. Doch lautet nom. acc. pl. immer man, niemahls manne. Oft beiderlei form ne- beneinander, z. b. von manne ze man Wilh. 2, 35b. 3) naht nach vierter weibl. gen. dat. nehte M. S. 2, 185b fragm. 31c; zuweilen ohne umlaut nahte M. S. 2, 66b 108b; zuweilen das indecl. naht (noctis) M. S. 1, 63b; ſeltner männlich, mit dem gen. nahtes (vgl. M. S. 1, 37a des nahtes) der aber häufig adverbialiter vorkommt. — diet ſcheint im mittelh. überall weibl. und nur in nie- derd. quellen (En. Roth. etc.) zeigt es ſich männlich. — buoch iſt entſchieden neutrum. 4) von einſchiebung des -er vorhin ſ. 680.; einſchie- bung des -en kommt nicht vor, ſelbſt nicht bei aus der ſchweiz gebürtigen dichtern, nur lüge (mendacium) zeigt Nib. 18227. den pl. lügene. Man vgl. aber die zur dritten ſchw. weibl. decl. angemerkten ſpuren des -în, in, -en. Neutrale diminutiva gehen ſchon im nom. ſg. auf -lîn, ſehr ſelten auf -lî aus (vgl. vin- gerlî griffelî Flore 11a 35c trûtlî amur 14c minnerlî fragm. 15a; näheres bei der wortbildung). 5) ſchwanken zwiſchen ſt. und ſchw. form z. b. gebûr, gebûre ſ. 667. 682 n. a. m. vgl. 674. Mittelniederdeutſches ſubſtantivum. 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II. mittelh. ſubſtantiv. anomalien.
Anomalien der mittelhochdeutſchen ſubſtantive.
1) vater, bruoder, muoter, ſwëſter, tohter im ſg. un-
veränderlich; den pl. lauten einzelne hſſ. um in veter,
brueder, mueter, töhter, doch ſcheint das ſpätere
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chen pl. tohteren, ſwëſteren troj. 81c 82a 97b 101c
107a. Zu unterſuchen bleibt, ob ſwëher, ſwêher, (ſocer)
Wilh. 2, 83a 182b ſwiger (ſocrus) ſwâger (maritus ſo-
roris) Wilh. 3, 63b auf trâger (tardius) reimend, gleich-
falls unveränderlich ſind; nach dem goth. ſvaíhra,
ſvaihrô ſollte man die ſchwache form ſwëhere, ſwigere
erwarten, allein auch im alth. gilt ſuëhar, ſwigar, kein
ſuëhero, ſwigera.
2) man ſowohl ganz unveränderlich für alle caſus ſg. und
pl. (gen. ſg. lw. 21c Parc. 48a dat. ſg. Parc. 43a gen. pl.
Nib. 308. Bit. 58a dat. pl. Bit. 56a 90a) als nach der
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pl. manne, dat. mannen. Doch lautet nom. acc. pl.
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beneinander, z. b. von manne ze man Wilh. 2, 35b.
3) naht nach vierter weibl. gen. dat. nehte M. S. 2, 185b
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108b; zuweilen das indecl. naht (noctis) M. S. 1, 63b;
ſeltner männlich, mit dem gen. nahtes (vgl. M. S. 1, 37a
des nahtes) der aber häufig adverbialiter vorkommt. —
diet ſcheint im mittelh. überall weibl. und nur in nie-
derd. quellen (En. Roth. etc.) zeigt es ſich männlich. —
buoch iſt entſchieden neutrum.
4) von einſchiebung des -er vorhin ſ. 680.; einſchie-
bung des -en kommt nicht vor, ſelbſt nicht bei aus
der ſchweiz gebürtigen dichtern, nur lüge (mendacium)
zeigt Nib. 18227. den pl. lügene. Man vgl. aber die
zur dritten ſchw. weibl. decl. angemerkten ſpuren des
-în, in, -en. Neutrale diminutiva gehen ſchon im
nom. ſg. auf -lîn, ſehr ſelten auf -lî aus (vgl. vin-
gerlî griffelî Flore 11a 35c trûtlî amur 14c minnerlî
fragm. 15a; näheres bei der wortbildung).
5) ſchwanken zwiſchen ſt. und ſchw. form z. b. gebûr,
gebûre ſ. 667. 682 n. a. m. vgl. 674.
Mittelniederdeutſches ſubſtantivum.
Die beſchränktheit der quellen läßt keine eigentliche
darſtellung der declinationsflexionen zu; bedeutende ab-
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