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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. dänische vocale.

(A) in: tal, tallet (numerus) tak, takken (gratia)
tand (dens) vand (aqua) fand (diabolus) etc. vor einigen
liq. verbind. in aa oder o übertretend, allein schwan-
kend und anders, als im schwed. Vor ld steht: holde
(tenere) folde (plicare) vold (potestas) kold (frigidus);
aber falde (cadere) galde (bilis) kalde (vocare) alder
(aetas); vor nd: aand (spiritus) vaand (periculum) baand
(vinculum) haand (manus); aber sand (arena) band (ban-
num) sand (verus) tand (dens); vor ng stets kurzes a
als: sang (cantus) gang (iter) fang (captura) mange (plu-
res); vor rd: haard (durus) kaarde (ensis) gaard (aula).
Man vgl. das schwed. Wo ld, nd dem altn. ll, nn ent-
spricht, bleibt a, wo sie auch altn. ld. nd. lauten, än-
dert es sich meistentheils, nicht immer, z. b. in land
nicht.

(E) häufig, theils ursprüngliches e, theils e; bei-
spiele:ende (finis) vende (vertere) emmer (cinis candens)
ven, venner (amicus) stemme (vox) nenne (audere) lem,
lemmer (membrum) glemme (oblivisci) let (levis) etc.
Bloch p. 19. unterscheidet ein gröber und feinerlautendes
e, beide seyen kurz, jenes dem ä, dieses dem i näher,
jenes z. b. in ven (amicus), dieses in led (articulus).
Da im altn. vinr und lidr gleichlauten, so vermag ich
diese verschiedenheit historisch nicht zu faßen, noch die
wörter anzugeben, welche der einen oder andern aus-
sprache zufallen. In led scheint mir der Däne eher
zwischen länge und kürze zu schwanken, ich finde le-
devand und leddevand (gliedwaßer); dem Schweden ist
ven, venner (= vän, vänner) kurz, led aber lang.
Wenn Bloch den feinern laut im artikel en, et an-
nimmt, so bezweifle ich zwar nicht die verschiedenheit
dieser e von denen in ven, let (levis), erkläre sie aber
aus der unbetonung; en, et ist das tonlos gewordene
zahlwort en, et. Übrigens wechselt die schreibung e
und ä in manchen wörtern, wie im schwed. z. b. dverg
oder dvärg (nanus) nur daß dem Dänen das e, dem
Schweden das ä beliebter ist. Zuweilen wechselt auch
je mit e, als: bjerg (mons) neben dverg (schwed. berg,
bärg).

(I) nähert sich in der aussprache dem e, in welches
es oft übergetreten ist (z. b. ven, lem, led; altn. vinr.
limr, lidr). Beispiele: ting (res) finde (invenire) vis
(certus) slikke (lambere) etc.; warum es nach Bloch
p. 21. in kikkert (fernrohr) anders lauten soll, sehe ich
nicht ab.


I. däniſche vocale.

(A) in: tal, tallet (numerus) tak, takken (gratia)
tand (dens) vand (aqua) fand (diabolus) etc. vor einigen
liq. verbind. in aa oder o übertretend, allein ſchwan-
kend und anders, als im ſchwed. Vor ld ſteht: holde
(tenere) folde (plicare) vold (poteſtas) kold (frigidus);
aber falde (cadere) galde (bilis) kalde (vocare) alder
(aetas); vor nd: aand (ſpiritus) vaand (periculum) baand
(vinculum) haand (manus); aber ſand (arena) band (ban-
num) ſand (verus) tand (dens); vor ng ſtets kurzes a
als: ſang (cantus) gang (iter) fang (captura) mange (plu-
res); vor rd: haard (durus) kaarde (enſis) gaard (aula).
Man vgl. das ſchwed. Wo ld, nd dem altn. ll, nn ent-
ſpricht, bleibt a, wo ſie auch altn. ld. nd. lauten, än-
dert es ſich meiſtentheils, nicht immer, z. b. in land
nicht.

(E) häufig, theils urſprüngliches e, theils ë; bei-
ſpiele:ende (finis) vende (vertere) emmer (cinis candens)
ven, venner (amicus) ſtemme (vox) nenne (audere) lem,
lemmer (membrum) glemme (obliviſci) let (levis) etc.
Bloch p. 19. unterſcheidet ein gröber und feinerlautendes
e, beide ſeyen kurz, jenes dem ä, dieſes dem i näher,
jenes z. b. in ven (amicus), dieſes in led (articulus).
Da im altn. vinr und lidr gleichlauten, ſo vermag ich
dieſe verſchiedenheit hiſtoriſch nicht zu faßen, noch die
wörter anzugeben, welche der einen oder andern aus-
ſprache zufallen. In led ſcheint mir der Däne eher
zwiſchen länge und kürze zu ſchwanken, ich finde lê-
devand und leddevand (gliedwaßer); dem Schweden iſt
ven, venner (= vän, vänner) kurz, lêd aber lang.
Wenn Bloch den feinern laut im artikel en, et an-
nimmt, ſo bezweifle ich zwar nicht die verſchiedenheit
dieſer e von denen in ven, let (levis), erkläre ſie aber
aus der unbetonung; en, et iſt das tonlos gewordene
zahlwort èn, êt. Übrigens wechſelt die ſchreibung e
und ä in manchen wörtern, wie im ſchwed. z. b. dverg
oder dvärg (nanus) nur daß dem Dänen das e, dem
Schweden das ä beliebter iſt. Zuweilen wechſelt auch
je mit e, als: bjerg (mons) neben dverg (ſchwed. berg,
bärg).

(I) nähert ſich in der ausſprache dem e, in welches
es oft übergetreten iſt (z. b. ven, lem, led; altn. vinr.
limr, lidr). Beiſpiele: ting (res) finde (invenire) vis
(certus) ſlikke (lambere) etc.; warum es nach Bloch
p. 21. in kikkert (fernrohr) anders lauten ſoll, ſehe ich
nicht ab.


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[559/0585] I. däniſche vocale. (A) in: tal, tallet (numerus) tak, takken (gratia) tand (dens) vand (aqua) fand (diabolus) etc. vor einigen liq. verbind. in aa oder o übertretend, allein ſchwan- kend und anders, als im ſchwed. Vor ld ſteht: holde (tenere) folde (plicare) vold (poteſtas) kold (frigidus); aber falde (cadere) galde (bilis) kalde (vocare) alder (aetas); vor nd: aand (ſpiritus) vaand (periculum) baand (vinculum) haand (manus); aber ſand (arena) band (ban- num) ſand (verus) tand (dens); vor ng ſtets kurzes a als: ſang (cantus) gang (iter) fang (captura) mange (plu- res); vor rd: haard (durus) kaarde (enſis) gaard (aula). Man vgl. das ſchwed. Wo ld, nd dem altn. ll, nn ent- ſpricht, bleibt a, wo ſie auch altn. ld. nd. lauten, än- dert es ſich meiſtentheils, nicht immer, z. b. in land nicht. (E) häufig, theils urſprüngliches e, theils ë; bei- ſpiele:ende (finis) vende (vertere) emmer (cinis candens) ven, venner (amicus) ſtemme (vox) nenne (audere) lem, lemmer (membrum) glemme (obliviſci) let (levis) etc. Bloch p. 19. unterſcheidet ein gröber und feinerlautendes e, beide ſeyen kurz, jenes dem ä, dieſes dem i näher, jenes z. b. in ven (amicus), dieſes in led (articulus). Da im altn. vinr und lidr gleichlauten, ſo vermag ich dieſe verſchiedenheit hiſtoriſch nicht zu faßen, noch die wörter anzugeben, welche der einen oder andern aus- ſprache zufallen. In led ſcheint mir der Däne eher zwiſchen länge und kürze zu ſchwanken, ich finde lê- devand und leddevand (gliedwaßer); dem Schweden iſt ven, venner (= vän, vänner) kurz, lêd aber lang. Wenn Bloch den feinern laut im artikel en, et an- nimmt, ſo bezweifle ich zwar nicht die verſchiedenheit dieſer e von denen in ven, let (levis), erkläre ſie aber aus der unbetonung; en, et iſt das tonlos gewordene zahlwort èn, êt. Übrigens wechſelt die ſchreibung e und ä in manchen wörtern, wie im ſchwed. z. b. dverg oder dvärg (nanus) nur daß dem Dänen das e, dem Schweden das ä beliebter iſt. Zuweilen wechſelt auch je mit e, als: bjerg (mons) neben dverg (ſchwed. berg, bärg). (I) nähert ſich in der ausſprache dem e, in welches es oft übergetreten iſt (z. b. ven, lem, led; altn. vinr. limr, lidr). Beiſpiele: ting (res) finde (invenire) vis (certus) ſlikke (lambere) etc.; warum es nach Bloch p. 21. in kikkert (fernrohr) anders lauten ſoll, ſehe ich nicht ab.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/585>, abgerufen am 26.06.2024.