eren, bautan f. be-autan (engl. but) binnen f. be-innen, botschaft f. boto-scaf, tagstern f. taga-sterro etc. -- als der consonant z. b. sigimunt f. sigis-munt. nebigast f. das ältere hnebisgast, edel-mann f. edels-man -- zuwei- len beide, vocal und consonant, vielleicht nicht gleich- zeitig, sondern nacheinander z. b. talanc (hodie) st. taga-lang. Manchmahl wirkliche syncopen in der ersten wurzel, z. b. uolreich, albert st. uodal-rich, adal-be- raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zusammenstoßen- der vocale lieber, als daß er den der ersten wurzel ab- wirft, z. b. ga-aistan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-au- kan etc. doch vgl. and-augjo f. auda-augjo. Ein glei- ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.
2) zwischen zwei nicht zusammengesetzten wörtern, und zwar so, daß die ursache des wegwerfens in der be- rührung beider zu linden ist, denn sonst tritt bloße apocope ein. Die fälle (meistens esoterisch erkennbar, in so fern sie sich nicht in eigne zusammensetzungen verhärten) sind in den deutschen sprachen weit seltner, als in der griechischen und lateinischen und die enthaltsamkeit selbst der heutigen dichtkunst läßt doch wohl einen schluß auf die ältere poesie zu, der mir durch die be- trachtung der nordischen und mittelh. nicht widerlegt zu werden scheint. Das mittelh. auslautende tonlose e wird z. b. vom schwachen subst. und schwachen praet. gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch nicht immer, sondern nach erforderniß des metrums. Aufmerksamkeit verdienen die von ihm selbst schon so benannten synaloephen Otfrieds welche in den hss. durch einen doppelten punct, über und unter den im betonten lesen der zeile zuszulaßenden vocal gesetzt, angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) spracha ouh. (ad Lud. 154.) zi themo ewinigen (I. 11, 12.) zala irga- bin, sind die auslaute a, o und a doppelt punctiert. Die meisten, sowohl der otfriedischen synaloephen, als der sonst bemerklichen weglaßungen beziehen sich auf das, was man inclination (egklisis) nennt, worunter ich aber nicht allein die sich hinten anlehnenden wörter (encliticae) begreife, sondern auch die es vornen thun, in welchem letztern fall der classische sprachgebrauch eine krasis annimmt, doch verschmelzung der laute hat im deutschen nicht immer statt, gewöhulich erfolgt nur abwerfen eines vocals oder consonanten. Ich führe die wichtigsten fälle an:
I. von den buchſtaben insgemein.
êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen, botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. — als der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f. das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man — zuwei- len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich- zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt. taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë- raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen- der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab- wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu- kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei- ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.
2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern, und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be- rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten) ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be- trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe e wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet. gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums. Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo benannten ſynaloephen Otfrieds welche in den hſſ. durch einen doppelten punct, über und unter den im betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt, angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ- bin, ſind die auslaute a, o und a doppelt punctiert. Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf das, was man inclination (ἔγκλισις) nennt, worunter ich aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter (encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun, in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe die wichtigſten fälle an:
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0057"n="31"/><fwplace="top"type="header">I. <hirendition="#i">von den buchſtaben insgemein.</hi></fw><lb/>
êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen,<lb/>
botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. — als<lb/>
der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f.<lb/>
das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man — zuwei-<lb/>
len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich-<lb/>
zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt.<lb/>
taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten<lb/>
wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë-<lb/>
raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen-<lb/>
der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab-<lb/>
wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu-<lb/>
kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei-<lb/>
ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.</p><lb/><p>2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern,<lb/>
und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be-<lb/>
rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope<lb/>
ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern<lb/>ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten)<lb/>ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der<lb/>
griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit<lb/>ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen<lb/>ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be-<lb/>
trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt<lb/>
zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe <hirendition="#i">e</hi><lb/>
wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet.<lb/>
gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch<lb/>
nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums.<lb/>
Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo<lb/>
benannten <hirendition="#i">ſynaloephen</hi> Otfrieds welche in den hſſ.<lb/>
durch einen doppelten punct, über und unter den im<lb/>
betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt,<lb/>
angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad<lb/>
Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ-<lb/>
bin, ſind die auslaute <hirendition="#i">a, o</hi> und <hirendition="#i">a</hi> doppelt punctiert.<lb/>
Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als<lb/>
der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf<lb/>
das, was man <hirendition="#i">inclination</hi> (<hirendition="#i">ἔγκλισις</hi>) nennt, worunter ich<lb/>
aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter<lb/>
(encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun,<lb/>
in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch<lb/>
eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat<lb/>
im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur<lb/>
abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe<lb/>
die wichtigſten fälle an:</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[31/0057]
I. von den buchſtaben insgemein.
êren, bûtan f. be-ûtan (engl. but) binnen f. be-innen,
botſchaft f. boto-ſcaf, tagſtern f. taga-ſtërro etc. — als
der conſonant z. b. ſigimunt f. ſigis-munt. nebigaſt f.
das ältere hnebisgaſt, edel-mann f. edels-man — zuwei-
len beide, vocal und conſonant, vielleicht nicht gleich-
zeitig, ſondern nacheinander z. b. tâlanc (hodie) ſt.
taga-lang. Manchmahl wirkliche ſyncopen in der erſten
wurzel, z. b. uolrîch, âlbërt ſt. uodal-rìch, adal-bë-
raht etc. Der Gothe duldet den hiatus zuſammenſtoßen-
der vocale lieber, als daß er den der erſten wurzel ab-
wirft, z. b. ga-áiſtan, ga-ibnjan, bi-abrjan, ana-áu-
kan etc. doch vgl. and-áugjô f. auda-augjô. Ein glei-
ches finde ich auch im alth. gebrauch begründet.
2) zwiſchen zwei nicht zuſammengeſetzten wörtern,
und zwar ſo, daß die urſache des wegwerfens in der be-
rührung beider zu linden iſt, denn ſonſt tritt bloße apocope
ein. Die fälle (meiſtens eſoteriſch erkennbar, in ſo fern
ſie ſich nicht in eigne zuſammenſetzungen verhärten)
ſind in den deutſchen ſprachen weit ſeltner, als in der
griechiſchen und lateiniſchen und die enthaltſamkeit
ſelbſt der heutigen dichtkunſt läßt doch wohl einen
ſchluß auf die ältere poësie zu, der mir durch die be-
trachtung der nordiſchen und mittelh. nicht widerlegt
zu werden ſcheint. Das mittelh. auslautende tonloſe e
wird z. b. vom ſchwachen ſubſt. und ſchwachen praet.
gern abgeworfen, wenn ein vocal-anlaut folgt, doch
nicht immer, ſondern nach erforderniß des metrums.
Aufmerkſamkeit verdienen die von ihm ſelbſt ſchon ſo
benannten ſynaloephen Otfrieds welche in den hſſ.
durch einen doppelten punct, über und unter den im
betonten leſen der zeile zuszulaßenden vocal geſetzt,
angezeigt werden. z. b. (III. 25, 59.) ſprâcha ouh. (ad
Lud. 154.) zi thëmo êwinigen (I. 11, 12.) zala irgâ-
bin, ſind die auslaute a, o und a doppelt punctiert.
Die meiſten, ſowohl der otfriediſchen ſynaloephen, als
der ſonſt bemerklichen weglaßungen beziehen ſich auf
das, was man inclination (ἔγκλισις) nennt, worunter ich
aber nicht allein die ſich hinten anlehnenden wörter
(encliticae) begreife, ſondern auch die es vornen thun,
in welchem letztern fall der claſſiſche ſprachgebrauch
eine kraſis annimmt, doch verſchmelzung der laute hat
im deutſchen nicht immer ſtatt, gewöhulich erfolgt nur
abwerfen eines vocals oder conſonanten. Ich führe
die wichtigſten fälle an:
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/57>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.