(UE) ein bedenklicher laut, der aber in den denk- mählern zuweilen erscheint 1) offenbar fehlerhaft für eu, wovon vorhin s. 480.). 2) für au in fällen wo die- ses einer an sich noch zweifelhaften kürzung in u un- terliegt, namentlich in der form uere für ure oder aure, vgl. avontuere:creatuere Rein. 314. muere:ghebuere, muere:scuere (horreo) Rein. 285. 307., obgleich gewöhn- lich in diesen wörtern das beßere-ure steht. Es scheint bloße nachahmung der schreibungen duere (per) ter cuere (insigniter) duere (porta) Maerl. 2, 34. 61. (st. deure, ceure und dieses = dore, core) welche zwar unter ein- ander, nicht leicht auf jene muere, scuere, avontuere reimen, ausnahmsweise freilich sure (acidi):dure Maerl. 1, 36. vgl. vorhin s. 473. -- Critische ausgaben können das ue gänzlich aufgeben.
(UI) dieser im neuniederl. gewöhnliche diphth. ist unerweislich. Die quellen schreiben offenbar kaussc, dautsc und nicht kuissc, duitsc, ja sie reimen huse (domo): muse (mures) Rein. 308., so daß an einen umlaut des au in ui, parallel dem des mittelh. au in iu (wonach hause nicht auf miuse reimt) kein gedanke ist. Selbst das neuniederl. ui läßt sich jenem umlaute nur einiger- maßen, nicht überall vergleichen, da es z. b. zwar muize (mures) heißt, aber auch muis (mus). Findet sich in den ausg. zuweilen ui, z. b. Maerl. 2, 196. ghecruist, so ändere man in ghecraust. --
(AEI. OOI. OEI. AEU. EEU. IEU) sechs der mittel- niederl. sprache zuständige triphthongen, doch alle nur in wenigen wörtern; aei, oi, oei lauten im neuniederl. aai, ooi, werden aber in den denkmählern gewöhnlich ay, oy geschrieben, vielleicht sind sie nur diphthongische ai, oi? Ich finde vraei (pulcher, bonus) Maerl. 2, 392. 3, 270. ghecraei (clamor) Rein. 342. waeide (spiravit) blaeide (efflavit) Stoke 3, 7. im inf. waejen, blaejen? (vgl. oben s. 435.) eben so saejen (serere) maejen (me- tere) Maerl. 2, 465. gewiß auch draejen (tornare) etc. Sodann hoi (foenum) moje (das goth. mavi, obwohl amita bedeutend?) Rein. 315. 324. 358. scojen (mendi- care) Rein. 358. vernojen (taedere, ennuyer) Rein. 315. 324. oit, noit (unquam, nunq.) moeje (labor) vermoejet (fessus) Maerl. 2, 75. moeilic (difficilis (Maerl. 2, 56.) ont- scoejen (discalceare) vloejen (fluere) Rein. 359. vermuth- lich auch bloejen (florere) groejen (virere) u. a. m. -- Belege zu den drei letzten doppellauten unten beim w. --
H h 2
I. mittelniederländiſche vocale.
(UE) ein bedenklicher laut, der aber in den denk- mählern zuweilen erſcheint 1) offenbar fehlerhaft für eu, wovon vorhin ſ. 480.). 2) für û in fällen wo die- ſes einer an ſich noch zweifelhaften kürzung in u un- terliegt, namentlich in der form uere für ure oder ûre, vgl. avontuere:creatuere Rein. 314. muere:ghebuere, muere:ſcuere (horreo) Rein. 285. 307., obgleich gewöhn- lich in dieſen wörtern das beßere-ure ſteht. Es ſcheint bloße nachahmung der ſchreibungen duere (per) ter cuere (inſigniter) duere (portà) Maerl. 2, 34. 61. (ſt. deure, ceure und dieſes = dore, core) welche zwar unter ein- ander, nicht leicht auf jene muere, ſcuere, avontuere reimen, ausnahmsweiſe freilich ſure (acidi):dure Maerl. 1, 36. vgl. vorhin ſ. 473. — Critiſche ausgaben können das ue gänzlich aufgeben.
(UI) dieſer im neuniederl. gewöhnliche diphth. iſt unerweislich. Die quellen ſchreiben offenbar kûſſc, dûtſc und nicht kuiſſc, duitſc, ja ſie reimen huſe (domo): muſe (mures) Rein. 308., ſo daß an einen umlaut des û in ui, parallel dem des mittelh. û in iu (wonach hûſe nicht auf miuſe reimt) kein gedanke iſt. Selbſt das neuniederl. ui läßt ſich jenem umlaute nur einiger- maßen, nicht überall vergleichen, da es z. b. zwar muize (mures) heißt, aber auch muis (mus). Findet ſich in den ausg. zuweilen ui, z. b. Maerl. 2, 196. ghecruiſt, ſo ändere man in ghecrûſt. —
(AEI. OOI. OEI. AEU. EEU. IEU) ſechs der mittel- niederl. ſprache zuſtändige triphthongen, doch alle nur in wenigen wörtern; aei, ôi, oei lauten im neuniederl. aai, ooi, werden aber in den denkmählern gewöhnlich ay, oy geſchrieben, vielleicht ſind ſie nur diphthongiſche ai, oi? Ich finde vraei (pulcher, bonus) Maerl. 2, 392. 3, 270. ghecraei (clamor) Rein. 342. waeide (ſpiravit) blaeide (efflavit) Stoke 3, 7. im inf. waejen, blaejen? (vgl. oben ſ. 435.) eben ſo ſaejen (ſerere) maejen (me- tere) Maerl. 2, 465. gewiß auch draejen (tornare) etc. Sodann hôi (foenum) môje (das goth. mavi, obwohl amita bedeutend?) Rein. 315. 324. 358. ſcôjen (mendi- care) Rein. 358. vernôjen (taedere, ennuyer) Rein. 315. 324. ôit, nôit (unquam, nunq.) moeje (labor) vermoejet (feſſus) Maerl. 2, 75. moeilic (difficilis (Maerl. 2, 56.) ont- ſcoejen (diſcalceare) vloejen (fluere) Rein. 359. vermuth- lich auch bloejen (florere) groejen (virere) u. a. m. — Belege zu den drei letzten doppellauten unten beim w. —
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[483/0509]
I. mittelniederländiſche vocale.
(UE) ein bedenklicher laut, der aber in den denk-
mählern zuweilen erſcheint 1) offenbar fehlerhaft für
eu, wovon vorhin ſ. 480.). 2) für û in fällen wo die-
ſes einer an ſich noch zweifelhaften kürzung in u un-
terliegt, namentlich in der form uere für ure oder ûre,
vgl. avontuere:creatuere Rein. 314. muere:ghebuere,
muere:ſcuere (horreo) Rein. 285. 307., obgleich gewöhn-
lich in dieſen wörtern das beßere-ure ſteht. Es ſcheint
bloße nachahmung der ſchreibungen duere (per) ter
cuere (inſigniter) duere (portà) Maerl. 2, 34. 61. (ſt. deure,
ceure und dieſes = dore, core) welche zwar unter ein-
ander, nicht leicht auf jene muere, ſcuere, avontuere
reimen, ausnahmsweiſe freilich ſure (acidi):dure Maerl.
1, 36. vgl. vorhin ſ. 473. — Critiſche ausgaben können
das ue gänzlich aufgeben.
(UI) dieſer im neuniederl. gewöhnliche diphth. iſt
unerweislich. Die quellen ſchreiben offenbar kûſſc,
dûtſc und nicht kuiſſc, duitſc, ja ſie reimen huſe (domo):
muſe (mures) Rein. 308., ſo daß an einen umlaut des û
in ui, parallel dem des mittelh. û in iu (wonach hûſe
nicht auf miuſe reimt) kein gedanke iſt. Selbſt das
neuniederl. ui läßt ſich jenem umlaute nur einiger-
maßen, nicht überall vergleichen, da es z. b. zwar muize
(mures) heißt, aber auch muis (mus). Findet ſich in
den ausg. zuweilen ui, z. b. Maerl. 2, 196. ghecruiſt,
ſo ändere man in ghecrûſt. —
(AEI. OOI. OEI. AEU. EEU. IEU) ſechs der mittel-
niederl. ſprache zuſtändige triphthongen, doch alle nur
in wenigen wörtern; aei, ôi, oei lauten im neuniederl.
aai, ooi, werden aber in den denkmählern gewöhnlich
ay, oy geſchrieben, vielleicht ſind ſie nur diphthongiſche
ai, oi? Ich finde vraei (pulcher, bonus) Maerl. 2, 392.
3, 270. ghecraei (clamor) Rein. 342. waeide (ſpiravit)
blaeide (efflavit) Stoke 3, 7. im inf. waejen, blaejen?
(vgl. oben ſ. 435.) eben ſo ſaejen (ſerere) maejen (me-
tere) Maerl. 2, 465. gewiß auch draejen (tornare) etc.
Sodann hôi (foenum) môje (das goth. mavi, obwohl
amita bedeutend?) Rein. 315. 324. 358. ſcôjen (mendi-
care) Rein. 358. vernôjen (taedere, ennuyer) Rein. 315.
324. ôit, nôit (unquam, nunq.) moeje (labor) vermoejet
(feſſus) Maerl. 2, 75. moeilic (difficilis (Maerl. 2, 56.) ont-
ſcoejen (diſcalceare) vloejen (fluere) Rein. 359. vermuth-
lich auch bloejen (florere) groejen (virere) u. a. m. —
Belege zu den drei letzten doppellauten unten beim w. —
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/509>, abgerufen am 22.11.2024.
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