Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

I. von den buchstaben insgemein.
galt sein kh so gut einfach als sein ph. Dem Hochdent-
schen ist f. einfach, ch aber nicht.

12) Die richtige aussprache so mannigfaltiger doppel-
laute hat natürliche schwierigkeit, doch gibt es kenn-
zeichen, z. b. die historischen übergänge verschiedener
doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen
consonanten; die späteren r. l. n. statt hr. hl. hn. zei-
gen daß das gewicht auf dem liquiden buchstab ruhte.

13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu-
weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für solche
consonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende
eines worts stehen, z. b. keine dentsche mundart kennt
die dem Griechen so beliebten anlaute mn. pt., keine
den slavischen anlaut sr. etc. Überhaupt gilt auch von
den consonanten die für die vocale gemachte bemer-
kung, daß sich jede mundart ihr gefällige laute unter
so vielen möglichen auswählt und auf ihre weise zu-
richtet.

14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger
bei den consonanten ein gewisser umlaut einzutreten
pflegt, ein übergang in verwandte laute, dessen bedingun-
gen sich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur
soviel kann vorläufig gesagt werden, der consonantum-
laut hängt nicht von der endung, sondern meistentheils
davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken-
nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieselbe
weise. Mich für die erörterung dieser übergänge und
sonst der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me-
diae
(b. d. g.) und aspiratae (ph. th. ch.) zu bedienen,
nehme ich keinen anltand. -- Von einem ablaut der con-
sonanten ist gar keine rede.

Anmerkung über die prosodie.

Vorhin ist gesagt worden, daß die einfachen und
doppelten vocale zugleich den begriff der länge und
kürze in sich schlößen. Dieses würde ziemlich ohne
bedeutung scheinen, wenn man den maßstab des heuti-
gen sprachstandes hinzubringen wollte, der uns ledig-
lich auf den ton oder accent weist. Unsere dichter neh-
men selbst bei der versuchten nachbildung antiker vers-
maße auf die gesetze der quantität keine eigentliche

I. von den buchſtaben insgemein.
galt ſein χ ſo gut einfach als ſein φ. Dem Hochdent-
ſchen iſt f. einfach, ch aber nicht.

12) Die richtige ausſprache ſo mannigfaltiger doppel-
laute hat natürliche ſchwierigkeit, doch gibt es kenn-
zeichen, z. b. die hiſtoriſchen übergänge verſchiedener
doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen
conſonanten; die ſpäteren r. l. n. ſtatt hr. hl. hn. zei-
gen daß das gewicht auf dem liquiden buchſtab ruhte.

13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu-
weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für ſolche
conſonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende
eines worts ſtehen, z. b. keine dentſche mundart kennt
die dem Griechen ſo beliebten anlaute mn. pt., keine
den ſlaviſchen anlaut ſr. etc. Überhaupt gilt auch von
den conſonanten die für die vocale gemachte bemer-
kung, daß ſich jede mundart ihr gefällige laute unter
ſo vielen möglichen auswählt und auf ihre weiſe zu-
richtet.

14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger
bei den conſonanten ein gewiſſer umlaut einzutreten
pflegt, ein übergang in verwandte laute, deſſen bedingun-
gen ſich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur
ſoviel kann vorläufig geſagt werden, der conſonantum-
laut hängt nicht von der endung, ſondern meiſtentheils
davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken-
nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieſelbe
weiſe. Mich für die erörterung dieſer übergänge und
ſonſt der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me-
diae
(b. d. g.) und aſpiratae (ph. th. ch.) zu bedienen,
nehme ich keinen anltand. — Von einem ablaut der con-
ſonanten iſt gar keine rede.

Anmerkung über die proſodie.

Vorhin iſt geſagt worden, daß die einfachen und
doppelten vocale zugleich den begriff der länge und
kürze in ſich ſchlößen. Dieſes würde ziemlich ohne
bedeutung ſcheinen, wenn man den maßſtab des heuti-
gen ſprachſtandes hinzubringen wollte, der uns ledig-
lich auf den ton oder accent weiſt. Unſere dichter neh-
men ſelbſt bei der verſuchten nachbildung antiker vers-
maße auf die geſetze der quantität keine eigentliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0038" n="12"/><fw place="top" type="header">I. <hi rendition="#i">von den buch&#x017F;taben insgemein.</hi></fw><lb/>
galt &#x017F;ein <hi rendition="#i">&#x03C7;</hi> &#x017F;o gut einfach als &#x017F;ein <hi rendition="#i">&#x03C6;</hi>. Dem Hochdent-<lb/>
&#x017F;chen i&#x017F;t f. einfach, ch aber nicht.</p><lb/>
          <p>12) Die richtige aus&#x017F;prache &#x017F;o mannigfaltiger doppel-<lb/>
laute hat natürliche &#x017F;chwierigkeit, doch gibt es kenn-<lb/>
zeichen, z. b. die hi&#x017F;tori&#x017F;chen übergänge ver&#x017F;chiedener<lb/>
doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen<lb/>
con&#x017F;onanten; die &#x017F;päteren r. l. n. &#x017F;tatt <hi rendition="#i">hr</hi>. <hi rendition="#i">hl</hi>. <hi rendition="#i">hn</hi>. zei-<lb/>
gen daß das gewicht auf dem liquiden buch&#x017F;tab ruhte.</p><lb/>
          <p>13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu-<lb/>
weilen der ausdrücke <hi rendition="#i">anlaut, inlaut, auslaut</hi> für &#x017F;olche<lb/>
con&#x017F;onanten bedienen, die in anfang, mitte und ende<lb/>
eines worts &#x017F;tehen, z. b. keine dent&#x017F;che mundart kennt<lb/>
die dem Griechen &#x017F;o beliebten anlaute <hi rendition="#i">mn</hi>. <hi rendition="#i">pt</hi>., keine<lb/>
den &#x017F;lavi&#x017F;chen anlaut <hi rendition="#i">&#x017F;r</hi>. etc. Überhaupt gilt auch von<lb/>
den con&#x017F;onanten die für die vocale gemachte bemer-<lb/>
kung, daß &#x017F;ich jede mundart ihr gefällige laute unter<lb/>
&#x017F;o vielen möglichen auswählt und auf ihre wei&#x017F;e zu-<lb/>
richtet.</p><lb/>
          <p>14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger<lb/>
bei den con&#x017F;onanten ein gewi&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#i">umlaut</hi> einzutreten<lb/>
pflegt, ein übergang in verwandte laute, de&#x017F;&#x017F;en bedingun-<lb/>
gen &#x017F;ich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur<lb/>
&#x017F;oviel kann vorläufig ge&#x017F;agt werden, der con&#x017F;onantum-<lb/>
laut hängt nicht von der endung, &#x017F;ondern mei&#x017F;tentheils<lb/>
davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken-<lb/>
nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf die&#x017F;elbe<lb/>
wei&#x017F;e. Mich für die erörterung die&#x017F;er übergänge und<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t der bekannten eintheilung in <hi rendition="#i">tenues</hi> (p. t. k.) <hi rendition="#i">me-<lb/>
diae</hi> (b. d. g.) und <hi rendition="#i">a&#x017F;piratae</hi> (ph. th. ch.) zu bedienen,<lb/>
nehme ich keinen anltand. &#x2014; Von einem ablaut der con-<lb/>
&#x017F;onanten i&#x017F;t gar keine rede.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#i">Anmerkung über die pro&#x017F;odie.</hi> </head><lb/>
          <p>Vorhin i&#x017F;t ge&#x017F;agt worden, daß die einfachen und<lb/>
doppelten vocale zugleich den begriff der <hi rendition="#i">länge</hi> und<lb/><hi rendition="#i">kürze</hi> in &#x017F;ich &#x017F;chlößen. Die&#x017F;es würde ziemlich ohne<lb/>
bedeutung &#x017F;cheinen, wenn man den maß&#x017F;tab des heuti-<lb/>
gen &#x017F;prach&#x017F;tandes hinzubringen wollte, der uns ledig-<lb/>
lich auf den ton oder accent wei&#x017F;t. Un&#x017F;ere dichter neh-<lb/>
men &#x017F;elb&#x017F;t bei der ver&#x017F;uchten nachbildung antiker vers-<lb/>
maße auf die ge&#x017F;etze der quantität keine eigentliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0038] I. von den buchſtaben insgemein. galt ſein χ ſo gut einfach als ſein φ. Dem Hochdent- ſchen iſt f. einfach, ch aber nicht. 12) Die richtige ausſprache ſo mannigfaltiger doppel- laute hat natürliche ſchwierigkeit, doch gibt es kenn- zeichen, z. b. die hiſtoriſchen übergänge verſchiedener doppellaute, oder das ausfallen eines der verbundenen conſonanten; die ſpäteren r. l. n. ſtatt hr. hl. hn. zei- gen daß das gewicht auf dem liquiden buchſtab ruhte. 13) Der kürze halben werde ich mich im verfolg zu- weilen der ausdrücke anlaut, inlaut, auslaut für ſolche conſonanten bedienen, die in anfang, mitte und ende eines worts ſtehen, z. b. keine dentſche mundart kennt die dem Griechen ſo beliebten anlaute mn. pt., keine den ſlaviſchen anlaut ſr. etc. Überhaupt gilt auch von den conſonanten die für die vocale gemachte bemer- kung, daß ſich jede mundart ihr gefällige laute unter ſo vielen möglichen auswählt und auf ihre weiſe zu- richtet. 14) Endlich muß bemerkt werden, daß nicht weniger bei den conſonanten ein gewiſſer umlaut einzutreten pflegt, ein übergang in verwandte laute, deſſen bedingun- gen ſich doch im allgemeinen nicht darlegen laßen. Nur ſoviel kann vorläufig geſagt werden, der conſonantum- laut hängt nicht von der endung, ſondern meiſtentheils davon ab, daß der inlaut zum auslaut wird. Auch ken- nen ihn nicht alle mundarten und nicht auf dieſelbe weiſe. Mich für die erörterung dieſer übergänge und ſonſt der bekannten eintheilung in tenues (p. t. k.) me- diae (b. d. g.) und aſpiratae (ph. th. ch.) zu bedienen, nehme ich keinen anltand. — Von einem ablaut der con- ſonanten iſt gar keine rede. Anmerkung über die proſodie. Vorhin iſt geſagt worden, daß die einfachen und doppelten vocale zugleich den begriff der länge und kürze in ſich ſchlößen. Dieſes würde ziemlich ohne bedeutung ſcheinen, wenn man den maßſtab des heuti- gen ſprachſtandes hinzubringen wollte, der uns ledig- lich auf den ton oder accent weiſt. Unſere dichter neh- men ſelbſt bei der verſuchten nachbildung antiker vers- maße auf die geſetze der quantität keine eigentliche

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/38
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/38>, abgerufen am 21.11.2024.