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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. altnordische consonanten. gutturales.

(CH) die asp. fehlt völlig, selbst die schreibung ch
in fremden wörtern oder zus. schiebung des k und h
verschiedner silben wird gemieden und das einf. k da-
für gebraucht, als: kristr, leikami st. likhami.

(J) ungeachtet sich dieser cons. aus dem voc. i, wie
v aus dem u erzeugt, habe ich doch verschiedentlich
auf den abweichenden gang beider consonanzen hinge-
wiesen, vgl. oben s. 58 und 187; und solche abweichun-
gen lehrt auch das nord. j verglichen mit v. Letzteres
stand wenigstens ehmahls vor l und r; das j steht durch-
aus nur vor vocalen; eine andere verschiedenheit findet
sich bei der alliteration. Die alten hss. unterscheiden j
nirgends von dem vocal i, beweisen folglich weder für
noch wider die annahme desselben in einzelnen fällen.
Meiner ansicht nach steht j

1) anlautend sehr selten und zwar in: ja (ita) jol (festum),
wozu man noch das fremde judi (judaeus) und die
spat aus dem dän. aufgenommenen jagt (venatio) jon-
frau (virgo) rechne. Gewöhnlich wird es vornen ab-
geworfen und nicht bloß vor o, u, y (wie das v) son-
dern vor allen vocalen, vgl. amr, ambl (querela, wo-
neben doch jamla, queri) ar (annus) ef (si) enn (ille)
ok (jugum) aungr (juvenis). Die isländ. grammatiker
nehmen jedoch j in allen fällen des anlautenden diphth.
ia, iö, io an und schreiben jarl, jördh, jötunn, jörmun,
jor etc., man vgl. Biörn. Zugegeben, daß in diesen
diphth. das vorschlagende i beinahe consonantisch,
also wie j lautet, lautet es immer nicht völlig so, viel-
mehr wie ein unbetonter vocal und ich ziehe die vo-
calische schreibung vor, theils weil i keine aphärese
erfährt (nie heißt es arl, ötunn etc.) theils diesem ia,
iö, io das angels. eo, eo begegnet, nicht das der nord.
aphärese entsprechende angels. ge [es heißt eorl, eoten,
nicht georl, geoten *), gleicherweise im alth. und alts.
erl, erda, erman oder irman, nicht jerl, jerda]. Noch
einen andern grund gegen das ja, jö, jo bietet mir
die alliteration, in welcher ia, iö, io beständig voca-
lische geltung haben; wäre der anlaut consonantisch,
so würden sie untereinander, vielleicht mit g (wie
*) Zweifel macht gicel (glacies) nord. iökull (und zwar
saem. edda 217a isa: iökla: aptan); ich vermuthe aber ge-
icel, wozu das engl. icle und alth. ihsil stimmt; gälte ein
nord. jökull, so würde angels. geocel stehn, wie geoc f.
ok; hiernach gehört s. 259. gicel nicht unter II, 1.
I. altnordiſche conſonanten. gutturales.

(CH) die aſp. fehlt völlig, ſelbſt die ſchreibung ch
in fremden wörtern oder zuſ. ſchiebung des k und h
verſchiedner ſilben wird gemieden und das einf. k da-
für gebraucht, als: kriſtr, lîkami ſt. lìkhami.

(J) ungeachtet ſich dieſer conſ. aus dem voc. i, wie
v aus dem u erzeugt, habe ich doch verſchiedentlich
auf den abweichenden gang beider conſonanzen hinge-
wieſen, vgl. oben ſ. 58 und 187; und ſolche abweichun-
gen lehrt auch das nord. j verglichen mit v. Letzteres
ſtand wenigſtens ehmahls vor l und r; das j ſteht durch-
aus nur vor vocalen; eine andere verſchiedenheit findet
ſich bei der alliteration. Die alten hſſ. unterſcheiden j
nirgends von dem vocal i, beweiſen folglich weder für
noch wider die annahme deſſelben in einzelnen fällen.
Meiner anſicht nach ſteht j

1) anlautend ſehr ſelten und zwar in: jâ (ita) jol (feſtum),
wozu man noch das fremde judi (judaeus) und die
ſpat aus dem dän. aufgenommenen jagt (venatio) jon-
frû (virgo) rechne. Gewöhnlich wird es vornen ab-
geworfen und nicht bloß vor o, u, y (wie das v) ſon-
dern vor allen vocalen, vgl. amr, ambl (querela, wo-
neben doch jamla, queri) âr (annus) ëf (ſi) ënn (ille)
ok (jugum) ûngr (juvenis). Die isländ. grammatiker
nehmen jedoch j in allen fällen des anlautenden díphth.
ia, iö, ió an und ſchreiben jarl, jördh, jötunn, jörmun,
jór etc., man vgl. Biörn. Zugegeben, daß in dieſen
diphth. das vorſchlagende i beinahe conſonantiſch,
alſo wie j lautet, lautet es immer nicht völlig ſo, viel-
mehr wie ein unbetonter vocal und ich ziehe die vo-
caliſche ſchreibung vor, theils weil i keine aphäreſe
erfährt (nie heißt es arl, ötunn etc.) theils dieſem ia,
iö, ió das angelſ. ëo, ëó begegnet, nicht das der nord.
aphäreſe entſprechende angelſ. gë [es heißt ëorl, ëoten,
nicht gëorl, gëoten *), gleicherweiſe im alth. und altſ.
ërl, ërda, ërman oder irman, nicht jërl, jërda]. Noch
einen andern grund gegen das ja, jö, jó bietet mir
die alliteration, in welcher ia, iö, ió beſtändig voca-
liſche geltung haben; wäre der anlaut conſonantiſch,
ſo würden ſie untereinander, vielleicht mit g (wie
*) Zweifel macht gicel (glacies) nord. iökull (und zwar
ſæm. edda 217a ìſa: iökla: aptan); ich vermuthe aber gë-
icel, wozu das engl. icle und alth. ihſil ſtimmt; gälte ein
nord. jökull, ſo würde angelſ. gëocel ſtehn, wie gëoc f.
ok; hiernach gehört ſ. 259. gicel nicht unter II, 1.
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[322/0348] I. altnordiſche conſonanten. gutturales. (CH) die aſp. fehlt völlig, ſelbſt die ſchreibung ch in fremden wörtern oder zuſ. ſchiebung des k und h verſchiedner ſilben wird gemieden und das einf. k da- für gebraucht, als: kriſtr, lîkami ſt. lìkhami. (J) ungeachtet ſich dieſer conſ. aus dem voc. i, wie v aus dem u erzeugt, habe ich doch verſchiedentlich auf den abweichenden gang beider conſonanzen hinge- wieſen, vgl. oben ſ. 58 und 187; und ſolche abweichun- gen lehrt auch das nord. j verglichen mit v. Letzteres ſtand wenigſtens ehmahls vor l und r; das j ſteht durch- aus nur vor vocalen; eine andere verſchiedenheit findet ſich bei der alliteration. Die alten hſſ. unterſcheiden j nirgends von dem vocal i, beweiſen folglich weder für noch wider die annahme deſſelben in einzelnen fällen. Meiner anſicht nach ſteht j 1) anlautend ſehr ſelten und zwar in: jâ (ita) jol (feſtum), wozu man noch das fremde judi (judaeus) und die ſpat aus dem dän. aufgenommenen jagt (venatio) jon- frû (virgo) rechne. Gewöhnlich wird es vornen ab- geworfen und nicht bloß vor o, u, y (wie das v) ſon- dern vor allen vocalen, vgl. amr, ambl (querela, wo- neben doch jamla, queri) âr (annus) ëf (ſi) ënn (ille) ok (jugum) ûngr (juvenis). Die isländ. grammatiker nehmen jedoch j in allen fällen des anlautenden díphth. ia, iö, ió an und ſchreiben jarl, jördh, jötunn, jörmun, jór etc., man vgl. Biörn. Zugegeben, daß in dieſen diphth. das vorſchlagende i beinahe conſonantiſch, alſo wie j lautet, lautet es immer nicht völlig ſo, viel- mehr wie ein unbetonter vocal und ich ziehe die vo- caliſche ſchreibung vor, theils weil i keine aphäreſe erfährt (nie heißt es arl, ötunn etc.) theils dieſem ia, iö, ió das angelſ. ëo, ëó begegnet, nicht das der nord. aphäreſe entſprechende angelſ. gë [es heißt ëorl, ëoten, nicht gëorl, gëoten *), gleicherweiſe im alth. und altſ. ërl, ërda, ërman oder irman, nicht jërl, jërda]. Noch einen andern grund gegen das ja, jö, jó bietet mir die alliteration, in welcher ia, iö, ió beſtändig voca- liſche geltung haben; wäre der anlaut conſonantiſch, ſo würden ſie untereinander, vielleicht mit g (wie *) Zweifel macht gicel (glacies) nord. iökull (und zwar ſæm. edda 217a ìſa: iökla: aptan); ich vermuthe aber gë- icel, wozu das engl. icle und alth. ihſil ſtimmt; gälte ein nord. jökull, ſo würde angelſ. gëocel ſtehn, wie gëoc f. ok; hiernach gehört ſ. 259. gicel nicht unter II, 1.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/348>, abgerufen am 19.05.2024.