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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. altnordische vocale.
I) ö = umlaut des kurzen a (nicht des a), von der en-
dung u gezeugt, wie das e von der endung i; ein
der altnord. sprache eigenthümlicher vorzug, der mit
jenem e in den wurzeln a eine schöne abwechselung
hervorbringt, vgl. börkr (cortex) gen. barkar, dat.
berki; lögr (d. i. lögur, aequor) gen. lagar, dat. legi,
wogegen dies wort im alth. lagu, lages, laga lauten
wurde. Alte hss. (s. die schriftprobe aus dem fr. edd.
membr. univ.) pflegen es mit einem geschwänzten o
(8) zu schreiben (vgl. lateinu-stafrofit p. 276. wo aber
eine andere deutung steht). Dieses unbequeme zei-
chen ist zwar als solches dem geschwänzten e analog,
nicht aber dessen bedeutung, indem nirgends e für e
(umlaut des a) sondern nur für ae gesetzt wird. Ich
bediene mich daher des neueren gangbaren zeichens ö,
ohne jedoch ö mit e auf eine linie zu stellen. Daß
einige ausgaben es durch o, und viele hss. und ausg.
durch av ausdrücken, wurde oben s. 294. bemerkt.
Belege wie amma, ömmu; gladdi, glöddu; allr, öll; sök,
sakar; armr, örmum; völlr, vallar; mölr (tinea, goth.
malo) etc. finden sich überall. Der einzige fall ist
noch zu bedenken, wo a vor nk. ng nach der neueren
aussprache zu a wird; hier nimmt Rask §. 78. 79. bei
hinzutretender endung u und i eine veränderung des
a in au (nicht av = ö) und ei an, z. b. ganga, gen.
gaungu; fang pl. faung; langr, fem. laung; thanki,
dat. pl. thaunkum. Der alten aussprache war gewiß
göngu, föng, thönkum, und aus gleicher ursache geng,
leug etc. gemäßer als geing, leing; wird doch auch
engill (angelus) und nicht eingill geschrieben. Folge-
rechter schiene, wie halfr, half etc. auch krankr, krank
(st. kraunk) anzunehmen oder den alten umlaut krönk
neben krankr zu laßen, da man lieber krenkja als
kreinkja sagt. Die entwicklung eines au und ei aus
wurzelhaftem a ist gewiß unorganisch zu neunen. --
Ausuahmsweise und selten finde ich ö statt o gesetzt,
z. b. in dem worte tröll (gigas) wie theils daraus er.
hellt, daß schon der nom. sg. tröll (nicht trall) und
der gen. pl. trölla (nicht tralla) lautet, theils aus dem
umlaut in trylla (fascinare), theils aus dem schwed.
und dän. o in troll, trold. Vielleicht würde auch im
altn. beßer geschrieben: troll.
II) oe = umlaut des o, = angels. e, mittelh. ue. Die-
sen diphth. drücken die besten hss. und drucke durch
ae aus, womit er gar nichts zu schaffen hat; Biörn
I. altnordiſche vocale.
I) ö = umlaút des kurzen a (nicht des â), von der en-
dung u gezeugt, wie das e von der endung i; ein
der altnord. ſprache eigenthümlicher vorzug, der mit
jenem e in den wurzeln a eine ſchöne abwechſelung
hervorbringt, vgl. börkr (cortex) gen. barkar, dat.
berki; lögr (d. i. lögur, aequor) gen. lagar, dat. legi,
wogegen dies wort im alth. lagu, lages, laga lauten
wurde. Alte hſſ. (ſ. die ſchriftprobe aus dem fr. edd.
membr. univ.) pflegen es mit einem geſchwänzten o
(8) zu ſchreiben (vgl. lâtînu-ſtafrofit p. 276. wo aber
eine andere deutung ſteht). Dieſes unbequeme zei-
chen iſt zwar als ſolches dem geſchwänzten ę analog,
nicht aber deſſen bedeutung, indem nirgends ę für e
(umlaut des a) ſondern nur für æ geſetzt wird. Ich
bediene mich daher des neueren gangbaren zeichens ö,
ohne jedoch ö mit ë auf eine linie zu ſtellen. Daß
einige ausgaben es durch o, und viele hſſ. und ausg.
durch av ausdrücken, wurde oben ſ. 294. bemerkt.
Belege wie amma, ömmu; gladdi, glöddu; allr, öll; ſök,
ſakar; armr, örmum; völlr, vallar; mölr (tinea, goth.
malô) etc. finden ſich überall. Der einzige fall iſt
noch zu bedenken, wo a vor nk. ng nach der neueren
ausſprache zu â wird; hier nimmt Raſk §. 78. 79. bei
hinzutretender endung u und i eine veränderung des
â in au (nicht av = ö) und ei an, z. b. gânga, gen.
gaungu; fàng pl. faung; lângr, fem. laung; þânki,
dat. pl. þaunkum. Der alten ausſprache war gewiß
göngu, föng, þönkum, und aus gleicher urſache geng,
leug etc. gemäßer als geing, leing; wird doch auch
engill (angelus) und nicht eingill geſchrieben. Folge-
rechter ſchiene, wie hâlfr, hâlf etc. auch krânkr, krânk
(ſt. kraunk) anzunehmen oder den alten umlaut krönk
neben krânkr zu laßen, da man lieber krenkja als
kreinkja ſagt. Die entwicklung eines au und ei aus
wurzelhaftem a iſt gewiß unorganiſch zu neunen. —
Ausuahmsweiſe und ſelten finde ich ö ſtatt o geſetzt,
z. b. in dem worte tröll (gigas) wie theils daraus er.
hellt, daß ſchon der nom. ſg. tröll (nicht trall) und
der gen. pl. trölla (nicht tralla) lautet, theils aus dem
umlaut in trylla (faſcinare), theils aus dem ſchwed.
und dän. o in troll, trold. Vielleicht würde auch im
altn. beßer geſchrieben: troll.
II) œ = umlaut des ô, = angelſ. ê, mittelh. ue. Die-
ſen diphth. drücken die beſten hſſ. und drucke durch
æ aus, womit er gar nichts zu ſchaffen hat; Biörn
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[300/0326] I. altnordiſche vocale. I) ö = umlaút des kurzen a (nicht des â), von der en- dung u gezeugt, wie das e von der endung i; ein der altnord. ſprache eigenthümlicher vorzug, der mit jenem e in den wurzeln a eine ſchöne abwechſelung hervorbringt, vgl. börkr (cortex) gen. barkar, dat. berki; lögr (d. i. lögur, aequor) gen. lagar, dat. legi, wogegen dies wort im alth. lagu, lages, laga lauten wurde. Alte hſſ. (ſ. die ſchriftprobe aus dem fr. edd. membr. univ.) pflegen es mit einem geſchwänzten o (8) zu ſchreiben (vgl. lâtînu-ſtafrofit p. 276. wo aber eine andere deutung ſteht). Dieſes unbequeme zei- chen iſt zwar als ſolches dem geſchwänzten ę analog, nicht aber deſſen bedeutung, indem nirgends ę für e (umlaut des a) ſondern nur für æ geſetzt wird. Ich bediene mich daher des neueren gangbaren zeichens ö, ohne jedoch ö mit ë auf eine linie zu ſtellen. Daß einige ausgaben es durch o, und viele hſſ. und ausg. durch av ausdrücken, wurde oben ſ. 294. bemerkt. Belege wie amma, ömmu; gladdi, glöddu; allr, öll; ſök, ſakar; armr, örmum; völlr, vallar; mölr (tinea, goth. malô) etc. finden ſich überall. Der einzige fall iſt noch zu bedenken, wo a vor nk. ng nach der neueren ausſprache zu â wird; hier nimmt Raſk §. 78. 79. bei hinzutretender endung u und i eine veränderung des â in au (nicht av = ö) und ei an, z. b. gânga, gen. gaungu; fàng pl. faung; lângr, fem. laung; þânki, dat. pl. þaunkum. Der alten ausſprache war gewiß göngu, föng, þönkum, und aus gleicher urſache geng, leug etc. gemäßer als geing, leing; wird doch auch engill (angelus) und nicht eingill geſchrieben. Folge- rechter ſchiene, wie hâlfr, hâlf etc. auch krânkr, krânk (ſt. kraunk) anzunehmen oder den alten umlaut krönk neben krânkr zu laßen, da man lieber krenkja als kreinkja ſagt. Die entwicklung eines au und ei aus wurzelhaftem a iſt gewiß unorganiſch zu neunen. — Ausuahmsweiſe und ſelten finde ich ö ſtatt o geſetzt, z. b. in dem worte tröll (gigas) wie theils daraus er. hellt, daß ſchon der nom. ſg. tröll (nicht trall) und der gen. pl. trölla (nicht tralla) lautet, theils aus dem umlaut in trylla (faſcinare), theils aus dem ſchwed. und dän. o in troll, trold. Vielleicht würde auch im altn. beßer geſchrieben: troll. II) œ = umlaut des ô, = angelſ. ê, mittelh. ue. Die- ſen diphth. drücken die beſten hſſ. und drucke durch æ aus, womit er gar nichts zu ſchaffen hat; Biörn

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/326>, abgerufen am 22.11.2024.