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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. altnordische vocale.
lautete fall ein reines a hätte. Ferner muß erwogen
werden theils, daß in dem fall tt und s für ht und ns.
durch den auswurf des h und n eine veränderung des
vocals herbeigeführt worden seyn kann (vgl. oben s. 210.
231.) theils die angels. mundart vor den verbindungen
nc. ng. das a mit o vertauscht (oben s. 223. 226.) vor
lm. lp. lf. lc. lg. ls hingegen mit ea (s. 236.) obgleich
wieder die analogie beider sprachen nicht überall zu-
trifft, denn auch vor mm. nn. mp. mb. nt. nd. ll. rr.
lt. ld etc. verändert sich das sächs., nicht aber das nord.
a, sondern es heißt: land, kambr, salt etc. Dieses
schwanken schon läßt mich vermuthen, daß, wo nicht
sämmtliche, doch die meisten der unter 5) angegebenen
veränderungen des a in a unorganisch und der älteren
nord. sprache unangemeßen waren, wie sie es der goth.
alth. und alts. sind, und das bestätigen die vorhandenen
spuren des umlauts vollkommen *). Neben lang, ganga,
fang, hanga, hals etc. findet nämlich lengi, genginn,
fenginn, hengja, helsi (collare) etc. statt, da sonst das
wahre a in ae umlauten müste; gleicherweise bekommt
ganga (iter) im gen. göngu, krangr (tenuis) im fem.
kröng (f. kröngu) etc. wo das organ. a unverändert er-
scheinen würde. Endlich wird zuweilen st. der ver-
bindung nk mit weggeworfnem n das k geminiert und
dann bleibt ebenfalls der vorhergehende vocal rein, z. b.
frackr (francus) thacka (gratias agere) hleckr (catena) beckr
(scamnum) dreckja (mergere) gleichsam statt: frankr, than-
ka, hlankr etc. (s. unten beim n.) -- 6) die auslautenden a
sind folgende: a (in) a (flumen) a (agna) bra (cilium) fa
(splendor) fa- (paulo) fla (stratum) fra (de) ga (lascivia)
ga (observare) ha (pellis) ha (foenum) ha- (alte-) ja
(imo) kra oder ra (angulus) la (aequor) la (coma) ma
(terere) na (cadaver) na (prope) pa (pavo) ra (caprea)
sa (ille) ska (obliquitas) skra (libellus) sla (subsus) sma
(contemnere) spa (vaticinium) stra (stramen) sva (sic) ta
(digitus pedis) va (pericnlum) tha (tunc) thra (desiderium)
sodann die nom. fem. sg und pl. neutr. der vorhin an-
geführten adj. blar, frar, flar, grar, hlar, hrar etc. end-
lich die praet. a (habet) kna (novit) ma (valet) la (ja-
cuit) fra (interrogavit) va (dimicavit) tha (obtinuit). Es
gibt kein auslautendes kurzes a (in der wurzel), obige
a sind aber sehr verschiednen ursprungs, einige entstan-

*) Für die verbindung ang gibt auch Rask §. 73. ein älteres
und noch heute provincielles ang zu.

I. altnordiſche vocale.
lautete fall ein reines a hätte. Ferner muß erwogen
werden theils, daß in dem fall tt und s für ht und ns.
durch den auswurf des h und n eine veränderung des
vocals herbeigeführt worden ſeyn kann (vgl. oben ſ. 210.
231.) theils die angelſ. mundart vor den verbindungen
nc. ng. das a mit o vertauſcht (oben ſ. 223. 226.) vor
lm. lp. lf. lc. lg. ls hingegen mit ëa (ſ. 236.) obgleich
wieder die analogie beider ſprachen nicht überall zu-
trifft, denn auch vor mm. nn. mp. mb. nt. nd. ll. rr.
lt. ld etc. verändert ſich das ſächſ., nicht aber das nord.
a, ſondern es heißt: land, kambr, ſalt etc. Dieſes
ſchwanken ſchon läßt mich vermuthen, daß, wo nicht
ſämmtliche, doch die meiſten der unter 5) angegebenen
veränderungen des a in â unorganiſch und der älteren
nord. ſprache unangemeßen waren, wie ſie es der goth.
alth. und altſ. ſind, und das beſtätigen die vorhandenen
ſpuren des umlauts vollkommen *). Neben lâng, gânga,
fâng, hânga, hâls etc. findet nämlich lengi, genginn,
fenginn, hengja, helſi (collare) etc. ſtatt, da ſonſt das
wahre â in æ umlauten müſte; gleicherweiſe bekommt
gânga (iter) im gen. göngu, krângr (tenuis) im fem.
kröng (f. kröngu) etc. wo das organ. â unverändert er-
ſcheinen würde. Endlich wird zuweilen ſt. der ver-
bindung nk mit weggeworfnem n das k geminiert und
dann bleibt ebenfalls der vorhergehende vocal rein, z. b.
frackr (francus) þacka (gratias agere) hleckr (catena) beckr
(ſcamnum) dreckja (mergere) gleichſam ſtatt: frânkr, þân-
ka, hlânkr etc. (ſ. unten beim n.) — 6) die auslautenden â
ſind folgende: â (in) â (flumen) â (agna) brâ (cilium) fâ
(ſplendor) fâ- (paulo) flâ (ſtratum) frâ (de) gâ (laſcivia)
gâ (obſervare) hâ (pellis) hâ (foenum) hâ- (alte-) jâ
(imo) krâ oder râ (angulus) lâ (aequor) lâ (coma) mâ
(terere) nâ (cadaver) nâ (prope) pâ (pavo) râ (caprea)
ſâ (ille) ſkâ (obliquitas) ſkrâ (libellus) ſlâ (ſubſus) ſmâ
(contemnere) ſpâ (vaticinium) ſtrâ (ſtramen) ſvâ (ſic) tâ
(digitus pedis) vâ (pericnlum) þâ (tunc) þrâ (deſiderium)
ſodann die nom. fem. ſg und pl. neutr. der vorhin an-
geführten adj. blâr, frâr, flâr, grâr, hlâr, hrâr etc. end-
lich die praet. â (habet) knâ (novit) mâ (valet) lâ (ja-
cuit) frâ (interrogavit) vâ (dimicavit) þâ (obtinuit). Es
gibt kein auslautendes kurzes a (in der wurzel), obige
â ſind aber ſehr verſchiednen urſprungs, einige entſtan-

*) Für die verbindung âng gibt auch Raſk §. 73. ein älteres
und noch heute provincielles ang zu.
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[287/0313] I. altnordiſche vocale. lautete fall ein reines a hätte. Ferner muß erwogen werden theils, daß in dem fall tt und s für ht und ns. durch den auswurf des h und n eine veränderung des vocals herbeigeführt worden ſeyn kann (vgl. oben ſ. 210. 231.) theils die angelſ. mundart vor den verbindungen nc. ng. das a mit o vertauſcht (oben ſ. 223. 226.) vor lm. lp. lf. lc. lg. ls hingegen mit ëa (ſ. 236.) obgleich wieder die analogie beider ſprachen nicht überall zu- trifft, denn auch vor mm. nn. mp. mb. nt. nd. ll. rr. lt. ld etc. verändert ſich das ſächſ., nicht aber das nord. a, ſondern es heißt: land, kambr, ſalt etc. Dieſes ſchwanken ſchon läßt mich vermuthen, daß, wo nicht ſämmtliche, doch die meiſten der unter 5) angegebenen veränderungen des a in â unorganiſch und der älteren nord. ſprache unangemeßen waren, wie ſie es der goth. alth. und altſ. ſind, und das beſtätigen die vorhandenen ſpuren des umlauts vollkommen *). Neben lâng, gânga, fâng, hânga, hâls etc. findet nämlich lengi, genginn, fenginn, hengja, helſi (collare) etc. ſtatt, da ſonſt das wahre â in æ umlauten müſte; gleicherweiſe bekommt gânga (iter) im gen. göngu, krângr (tenuis) im fem. kröng (f. kröngu) etc. wo das organ. â unverändert er- ſcheinen würde. Endlich wird zuweilen ſt. der ver- bindung nk mit weggeworfnem n das k geminiert und dann bleibt ebenfalls der vorhergehende vocal rein, z. b. frackr (francus) þacka (gratias agere) hleckr (catena) beckr (ſcamnum) dreckja (mergere) gleichſam ſtatt: frânkr, þân- ka, hlânkr etc. (ſ. unten beim n.) — 6) die auslautenden â ſind folgende: â (in) â (flumen) â (agna) brâ (cilium) fâ (ſplendor) fâ- (paulo) flâ (ſtratum) frâ (de) gâ (laſcivia) gâ (obſervare) hâ (pellis) hâ (foenum) hâ- (alte-) jâ (imo) krâ oder râ (angulus) lâ (aequor) lâ (coma) mâ (terere) nâ (cadaver) nâ (prope) pâ (pavo) râ (caprea) ſâ (ille) ſkâ (obliquitas) ſkrâ (libellus) ſlâ (ſubſus) ſmâ (contemnere) ſpâ (vaticinium) ſtrâ (ſtramen) ſvâ (ſic) tâ (digitus pedis) vâ (pericnlum) þâ (tunc) þrâ (deſiderium) ſodann die nom. fem. ſg und pl. neutr. der vorhin an- geführten adj. blâr, frâr, flâr, grâr, hlâr, hrâr etc. end- lich die praet. â (habet) knâ (novit) mâ (valet) lâ (ja- cuit) frâ (interrogavit) vâ (dimicavit) þâ (obtinuit). Es gibt kein auslautendes kurzes a (in der wurzel), obige â ſind aber ſehr verſchiednen urſprungs, einige entſtan- *) Für die verbindung âng gibt auch Raſk §. 73. ein älteres und noch heute provincielles ang zu.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/313>, abgerufen am 19.05.2024.