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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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I. althochdeutsche vocale.
nach sehen, daß die niederdeutsche *) weiter gieng;
doch scheinbare ausnahmen wären das alth. pede (ambo)
und zuene (duo), jenes zusammengezogen aus peiode,
pejode (vgl. manod, goth menoths) so daß hier das j
dem h nicht weit abstünde (vgl. we, weha und oben
s. 70. die note über bajoths und vaja); zuene hingegen
dürfte aus zueihne. zuehne entspringen, insofern sich ein
goth. tva[i]hnai, tvaihnos näher begründen ließe. Mehr
von allem bei den zahlwörtern; pede schwankt auch
noch in peide.

Alth. hss. pflegen dieses e zuweilen ae und e zu
schreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des
a in ae zu vermischen ist. Die gl. hrab. 962a kalaert
(ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo.
Bei J liefert oft dieselbe seite beiderlei schreibung,
vgl. 408 erwirdeig und aerwirdeig. 371 herduom 387 haer-
duom 397 aewein, 398 aewun und ewen **). Gleichzei-
tige lat. hss. setzen e gleichbedeutend mit ae, welcher
laut auch wirklich dem alth. e und seinem ursprung
aus ei und ai zumeist entspricht, s. oben s. 86.; in die-
ser hinsicht führe ich noch an, daß alth. diplome des
7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen schreiben,
denen unser e gebührt, vgl. herigaer, walgaer, haungaer,
teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen
mit -ger zusammengesetzten namen, als gero (kero)
notger (notker), amalger etc. weisen auf jenes ältere
geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai-
sus (comes Marcellin. p. 14.) gaisericus (Idatius p. 17.)
laniogaisus (Amm. Marcell.) gaiso (consul im jahr 351.)
gaiso (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue bestätigung bringen.

Einige alth. denkmähler setzen zuweilen e für ie,
nach niederdeutscher weise, welche beides, ei und das
umgekehrte ie, in e zusammenfallen läßt. So I. 367. 385.
fenc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b weleim (fervere-
mus) zerei (decus) fel für wieleim, zierei, fiel; gl. mons.
359. fenc, 325. welun, 346. plesot etc. K. O. T. N. ha-
ben dies e für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie.


*) Spuren hiervon in den gl. hrab. wo 952a meß (ampu-
tavi) f. meiß; 954a fredeig (apostata) f. freideig.
**) Aber erena 340. ernust 351. aerdha 361. erdha 364. aedhil 396.
herzin 403. sind falsch, darum vielleicht auch das mehr-
mahlige er oder aer (ante) -- die gl. ker. haben neben
epan (aequalis) aepan.

I. althochdeutſche vocale.
nach ſehen, daß die niederdeutſche *) weiter gieng;
doch ſcheinbare ausnahmen wären das alth. pêde (ambo)
und zuêne (duo), jenes zuſammengezogen aus peiode,
pejôde (vgl. mânôd, goth mênôþs) ſo daß hier das j
dem h nicht weit abſtünde (vgl. wê, wêha und oben
ſ. 70. die note über bajôþs und vaja); zuêne hingegen
dürfte aus zueihne. zuêhne entſpringen, inſofern ſich ein
goth. tvá[i]hnai, tváihnôs näher begründen ließe. Mehr
von allem bei den zahlwörtern; pêde ſchwankt auch
noch in peide.

Alth. hſſ. pflegen dieſes ê zuweilen ae und ę zu
ſchreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des
â in æ zu vermiſchen iſt. Die gl. hrab. 962a kalaert
(ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo.
Bei J liefert oft dieſelbe ſeite beiderlei ſchreibung,
vgl. 408 ęrwirdîg und aerwirdîg. 371 hęrduom 387 haer-
duom 397 aewîn, 398 aewun und ewen **). Gleichzei-
tige lat. hſſ. ſetzen ę gleichbedeutend mit ae, welcher
laut auch wirklich dem alth. ê und ſeinem urſprung
aus ei und ái zumeiſt entſpricht, ſ. oben ſ. 86.; in die-
ſer hinſicht führe ich noch an, daß alth. diplome des
7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen ſchreiben,
denen unſer ê gebührt, vgl. herigaer, wâlgaer, hûngaer,
teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen
mit -gêr zuſammengeſetzten namen, als gêro (kêro)
nôtgêr (notkêr), amalgêr etc. weiſen auf jenes ältere
geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai-
ſus (comes Marcellin. p. 14.) gaiſericus (Idatius p. 17.)
laniogaiſus (Amm. Marcell.) gaiſo (conſul im jahr 351.)
gaiſo (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue beſtätigung bringen.

Einige alth. denkmähler ſetzen zuweilen ê für ie,
nach niederdeutſcher weiſe, welche beides, ei und das
umgekehrte ie, in ê zuſammenfallen läßt. So I. 367. 385.
fênc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b wêlîm (fervere-
mus) zêrî (decus) fêl für wielîm, zierî, fiel; gl. monſ.
359. fênc, 325. wêlun, 346. plêſot etc. K. O. T. N. ha-
ben dies ê für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie.


*) Spuren hiervon in den gl. hrab. wo 952a mêƷ (ampu-
tavi) f. meiƷ; 954a frêdîg (apoſtata) f. freidîg.
**) Aber ęrena 340. ęrnuſt 351. aerdha 361. ęrdha 364. aedhil 396.
hęrzin 403. ſind falſch, darum vielleicht auch das mehr-
mahlige ęr oder aer (ante) — die gl. ker. haben neben
ëpan (aequalis) aepan.
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[92/0118] I. althochdeutſche vocale. nach ſehen, daß die niederdeutſche *) weiter gieng; doch ſcheinbare ausnahmen wären das alth. pêde (ambo) und zuêne (duo), jenes zuſammengezogen aus peiode, pejôde (vgl. mânôd, goth mênôþs) ſo daß hier das j dem h nicht weit abſtünde (vgl. wê, wêha und oben ſ. 70. die note über bajôþs und vaja); zuêne hingegen dürfte aus zueihne. zuêhne entſpringen, inſofern ſich ein goth. tváihnai, tváihnôs näher begründen ließe. Mehr von allem bei den zahlwörtern; pêde ſchwankt auch noch in peide. Alth. hſſ. pflegen dieſes ê zuweilen ae und ę zu ſchreiben, welches nicht mit dem mittelh. umlaut des â in æ zu vermiſchen iſt. Die gl. hrab. 962a kalaert (ernditus) 952a zaeha (articula) 956a aerwirdig. 951b laeo. Bei J liefert oft dieſelbe ſeite beiderlei ſchreibung, vgl. 408 ęrwirdîg und aerwirdîg. 371 hęrduom 387 haer- duom 397 aewîn, 398 aewun und ewen **). Gleichzei- tige lat. hſſ. ſetzen ę gleichbedeutend mit ae, welcher laut auch wirklich dem alth. ê und ſeinem urſprung aus ei und ái zumeiſt entſpricht, ſ. oben ſ. 86.; in die- ſer hinſicht führe ich noch an, daß alth. diplome des 7. 8. 9. jahrh. ae ganz richtig in eigennamen ſchreiben, denen unſer ê gebührt, vgl. herigaer, wâlgaer, hûngaer, teutgaer bei Neugart no. 11. 23. 34 etc. Die häufigen mit -gêr zuſammengeſetzten namen, als gêro (kêro) nôtgêr (notkêr), amalgêr etc. weiſen auf jenes ältere geir, goth. gais zurück, welchem die formen radagai- ſus (comes Marcellin. p. 14.) gaiſericus (Idatius p. 17.) laniogaiſus (Amm. Marcell.) gaiſo (conſul im jahr 351.) gaiſo (comes, Greg. tur. 9, 30.) neue beſtätigung bringen. Einige alth. denkmähler ſetzen zuweilen ê für ie, nach niederdeutſcher weiſe, welche beides, ei und das umgekehrte ie, in ê zuſammenfallen läßt. So I. 367. 385. fênc für fienc; gl. hrab. 952b 964a 968b wêlîm (fervere- mus) zêrî (decus) fêl für wielîm, zierî, fiel; gl. monſ. 359. fênc, 325. wêlun, 346. plêſot etc. K. O. T. N. ha- ben dies ê für ie niemahls; mehr darüber beim ia und ie. *) Spuren hiervon in den gl. hrab. wo 952a mêƷ (ampu- tavi) f. meiƷ; 954a frêdîg (apoſtata) f. freidîg. **) Aber ęrena 340. ęrnuſt 351. aerdha 361. ęrdha 364. aedhil 396. hęrzin 403. ſind falſch, darum vielleicht auch das mehr- mahlige ęr oder aer (ante) — die gl. ker. haben neben ëpan (aequalis) aepan.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/118>, abgerufen am 06.05.2024.