zorn, zurnen; korn, folkurni; fogal, fugali; loch, lucha; thorren (arescere) thurri (aridum); ros (equus) russein (equinus); horo (lutum) hurwein (luteus); horskei (industria) hursgjan (incitare); pocch (caper) pucchein (caprinus); tobal (vallis) gitubili (convallis) etc. Auch hier ist weder umlaut, noch rückkehr des alten lauts, sondern festhaften desselben, durch gewisse biegungen und ableitungen verursacht *). Wir werden gleich sehen, daß, ohne eine endung i, das alte u in den ablauten zugun, wurfun, bundun (wie das i in ritun) ebenfalls geblieben ist, bis das vorrückende o im neuh. endlich zogen, noch nicht worfen, bonden, aber im niederd. auch worpen und bonden bewirkte.
4) des in o übergehenden e ist vorhin beim e gedacht, aber besondere erwägung verdienen noch die wörter auf on: tonar (tonitru), wonen (habitare) und fona (praep.). Letzteres fehlt dem goth. nord. und angels. stamm völlig und der niederd. hat fan. Dieses a zeigt auch Notker in wanen (K. T. haben wonen) so wie das nord. vanr (assuetus) und umlautend venja (con- suetudo). Ein u hingegen gewährt das angels. dunor (tonitru) und vunjan (manere), auch das nord. dyn und dunr. Da sich nun auch aus quena später kone entwickelt, vgl. das nord. kona und angels. cven, so vermuthe ich für alle diese wörter längst verlorene starke stämme, die gleich dem goth. niman, nam, nu- man gehabt haben: winan, wan, wunan; dinan, dan, dunan. Jenes o darf also aus einem frühern u und a geleitet werden. Man halte hierzu das vorhin s. 75. über den wechsel zwischen a und o (wamba, womba; durnaht, durnoht) beigebrachte; ein weiteres beispiel gibt die copula joh, die bei J. K. O. N. so und nicht jah, wie im goth. lautet; bloß die exhort. liest ja und in beiden hss. (Vgl. nachher über das schwanken der diphthongen ia und io).
(U) u, die runische gleich der gothischen schrift bedient sich für das kurze u keines eigenen, sondern des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieser laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen übergänge in o. Auch hier erscheint vorzugsweise das o zunächst in wurzeln mit einfachem, später in denen mit
*) Analoge übergänge der lat. sprache bei Schneider p. 26-32.
I. althochdeutſche vocale.
zorn, zurnen; korn, folkurni; fogal, fugali; loch, lucha; thorrên (areſcere) thurri (aridum); ros (equus) ruſſîn (equinus); horo (lutum) hurwîn (luteus); horſkî (induſtria) hurſgjan (incitare); pocch (caper) pucchîn (caprinus); tobal (vallis) gitubili (convallis) etc. Auch hier iſt weder umlaut, noch rückkehr des alten lauts, ſondern feſthaften deſſelben, durch gewiſſe biegungen und ableitungen verurſacht *). Wir werden gleich ſehen, daß, ohne eine endung i, das alte u in den ablauten zugun, wurfun, bundun (wie das i in ritun) ebenfalls geblieben iſt, bis das vorrückende o im neuh. endlich zogen, noch nicht worfen, bonden, aber im niederd. auch worpen und bonden bewirkte.
4) des in o übergehenden ë iſt vorhin beim ë gedacht, aber beſondere erwägung verdienen noch die wörter auf on: tonar (tonitru), wonên (habitare) und fona (praep.). Letzteres fehlt dem goth. nord. und angelſ. ſtamm völlig und der niederd. hat fan. Dieſes a zeigt auch Notker in wanên (K. T. haben wonèn) ſo wie das nord. vanr (aſſuetus) und umlautend venja (con- ſuetudo). Ein u hingegen gewährt das angelſ. dunor (tonitru) und vunjan (manere), auch das nord. dyn und dunr. Da ſich nun auch aus quëna ſpäter kone entwickelt, vgl. das nord. kona und angelſ. cvën, ſo vermuthe ich für alle dieſe wörter längſt verlorene ſtarke ſtämme, die gleich dem goth. niman, nam, nu- man gehabt haben: winan, wan, wunan; dinan, dan, dunan. Jenes o darf alſo aus einem frühern u und a geleitet werden. Man halte hierzu das vorhin ſ. 75. über den wechſel zwiſchen a und o (wamba, womba; durnaht, durnoht) beigebrachte; ein weiteres beiſpiel gibt die copula joh, die bei J. K. O. N. ſo und nicht jah, wie im goth. lautet; bloß die exhort. lieſt ja und in beiden hſſ. (Vgl. nachher über das ſchwanken der diphthongen ia und io).
(U) u, die runiſche gleich der gothiſchen ſchrift bedient ſich für das kurze u keines eigenen, ſondern des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieſer laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen übergänge in o. Auch hier erſcheint vorzugsweiſe das o zunächſt in wurzeln mit einfachem, ſpäter in denen mit
*) Analoge übergänge der lat. ſprache bei Schneider p. 26-32.
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[85/0111]
I. althochdeutſche vocale.
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ruſſîn (equinus); horo (lutum) hurwîn (luteus); horſkî
(induſtria) hurſgjan (incitare); pocch (caper) pucchîn
(caprinus); tobal (vallis) gitubili (convallis) etc. Auch
hier iſt weder umlaut, noch rückkehr des alten lauts,
ſondern feſthaften deſſelben, durch gewiſſe biegungen
und ableitungen verurſacht *). Wir werden gleich
ſehen, daß, ohne eine endung i, das alte u in den
ablauten zugun, wurfun, bundun (wie das i in ritun)
ebenfalls geblieben iſt, bis das vorrückende o im neuh.
endlich zogen, noch nicht worfen, bonden, aber im
niederd. auch worpen und bonden bewirkte.
4) des in o übergehenden ë iſt vorhin beim ë gedacht,
aber beſondere erwägung verdienen noch die wörter
auf on: tonar (tonitru), wonên (habitare) und fona
(praep.). Letzteres fehlt dem goth. nord. und angelſ.
ſtamm völlig und der niederd. hat fan. Dieſes a zeigt
auch Notker in wanên (K. T. haben wonèn) ſo wie
das nord. vanr (aſſuetus) und umlautend venja (con-
ſuetudo). Ein u hingegen gewährt das angelſ. dunor
(tonitru) und vunjan (manere), auch das nord. dyn
und dunr. Da ſich nun auch aus quëna ſpäter kone
entwickelt, vgl. das nord. kona und angelſ. cvën, ſo
vermuthe ich für alle dieſe wörter längſt verlorene
ſtarke ſtämme, die gleich dem goth. niman, nam, nu-
man gehabt haben: winan, wan, wunan; dinan, dan,
dunan. Jenes o darf alſo aus einem frühern u und a
geleitet werden. Man halte hierzu das vorhin ſ. 75.
über den wechſel zwiſchen a und o (wamba, womba;
durnaht, durnoht) beigebrachte; ein weiteres beiſpiel
gibt die copula joh, die bei J. K. O. N. ſo und nicht
jah, wie im goth. lautet; bloß die exhort. lieſt ja und
in beiden hſſ. (Vgl. nachher über das ſchwanken der
diphthongen ia und io).
(U) u, die runiſche gleich der gothiſchen ſchrift
bedient ſich für das kurze u keines eigenen, ſondern
des zeichens, das eigentlich für das lange gilt. Dieſer
laut hat im alth. nur geringern umfang wegen der vielen
übergänge in o. Auch hier erſcheint vorzugsweiſe das o
zunächſt in wurzeln mit einfachem, ſpäter in denen mit
*) Analoge übergänge der lat. ſprache bei Schneider p. 26-32.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/111>, abgerufen am 23.11.2024.
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