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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

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II. allgemeine vergleichung der conjugation.
begriff des futurums geht leicht in den des aorists über,
beide drücken das bewegliche der zukünftigen oder
erfolgten handlung im gegensatze zu der ständigkeit
des praes. und praet., wo die handlung sicher ge-
schieht oder geschehen ist, aus. Vergröberter sprach-
gebrauch mengt aber praes. und futurum so wie praet.
und aorist, die früher geschiedene form wendet sich
bald dahin, bald dorthin. Es kann daher nicht be-
fremden, wenn wir die bildung s im lat. aufs praet.,
im lett. aufs futurum eingeschränkt sehen, vgl. die
litth. praes. suku, penu, laikau, jeßkau, fut. suksu,
penesu, laikisu, jeßkosu; lettisch steht -schu st. des
litth. -su, z. b. eeschu (ibo) gaschu (servabo). Im
sanskr. erscheint das bildende -s bei dem dritten praet.,
z. b. asrausham (audivi) aleksham (similis fui) auapsam
(luxi) avaksham (vexi) von den wurzeln sru, lih, tap,
vah; also mit augment und ablaut verbunden, biswei-
len durch einen vocal von der wurzel geschieden, als:
avadisham (loquutus sum) atopisham (percussi) von
vad, tup. Zugleich aber gewährt das sanskrit auf-
schluß über den ursprung der eingefügten -s (Bopp
l. c. p. 54-56.) es ist das eingewachsene hülfsverbum
asam und kommt selbst inwendig reduplicierend vor,
z. b. ajasisham (ivi); nicht anders wird das ind. futu-
rum durch anfügung des hülfsworts erzeugt (Bopp.
p. 49.) z. b. dasjami (doso) tanishjami (extendam). Die
deutsche sprache bedient sich dieses -s in der conj.
nirgends, besitzt es aber vielleicht noch in wortbil-
dungen [vorhin s. 1051.) und insofern wäre rexi mit
dem altb. reihhiso nicht außer dem vergleich? sollte
auch wahsu (cresco) hierher gehören, um so mehr
als es auxiliarisch für werde gebraucht wird, das fut.
auszudrücken? -- b) das gewöhnliche bildungsmittel
des latein. praet. ist -v, (mit häufigem übergang in
-u) beispiele: amavi, delevi, docui (st. docevi) au-
deivi, colui, tremui, flevi, nevi etc. Verschiedene
praesentia versetzen die wurzel mit unorg. consonan-
ten, z. b. pasco, nosco, suesco, cresco (st. pao, noo,
sueo, creo?) cerno, sperno, sterno (st. cero, spero,
stro? vgl. tero, trivi; sero, sevi) sino, lino (st. seio,
leio?) was der regelmäßigkeit der praet. pavi, novi,
suevi, crevi. crevi, sprevi, stravi, sivi, levi nichts
benimmt. Ob dieses -v mit dem kennzeichen -b
des lat. fut. und imperf. gemeinschaft habe? ob es
auch aus eingefügtem hülfsverbum stamme? bleibt hier
II. allgemeine vergleichung der conjugation.
begriff des futurums geht leicht in den des aoriſts über,
beide drücken das bewegliche der zukünftigen oder
erfolgten handlung im gegenſatze zu der ſtändigkeit
des praeſ. und praet., wo die handlung ſicher ge-
ſchieht oder geſchehen iſt, aus. Vergröberter ſprach-
gebrauch mengt aber praeſ. und futurum ſo wie praet.
und aoriſt, die früher geſchiedene form wendet ſich
bald dahin, bald dorthin. Es kann daher nicht be-
fremden, wenn wir die bildung s im lat. aufs praet.,
im lett. aufs futurum eingeſchränkt ſehen, vgl. die
litth. praeſ. ſukù, penù, laikau, jeſzkau, fut. ſukſu,
peneſu, laikiſu, jeſzkóſu; lettiſch ſteht -ſchu ſt. des
litth. -ſu, z. b. eeſchu (ibo) gaſchu (ſervabo). Im
ſanſkr. erſcheint das bildende -s bei dem dritten praet.,
z. b. aſrauſham (audivi) alêkſham (ſimilis fui) auâpſam
(luxi) avakſham (vexi) von den wurzeln ſru, lih, tap,
vah; alſo mit augment und ablaut verbunden, biswei-
len durch einen vocal von der wurzel geſchieden, als:
avâdiſham (loquutus ſum) atôpiſham (percuſſi) von
vad, tup. Zugleich aber gewährt das ſanſkrit auf-
ſchluß über den urſprung der eingefügten -s (Bopp
l. c. p. 54-56.) es iſt das eingewachſene hülfsverbum
âſam und kommt ſelbſt inwendig reduplicierend vor,
z. b. ajâſiſham (ivi); nicht anders wird das ind. futu-
rum durch anfügung des hülfsworts erzeugt (Bopp.
p. 49.) z. b. dâſjâmi (δώσω) taniſhjâmi (extendam). Die
deutſche ſprache bedient ſich dieſes -s in der conj.
nirgends, beſitzt es aber vielleicht noch in wortbil-
dungen [vorhin ſ. 1051.) und inſofern wäre rexi mit
dem altb. rîhhiſô nicht außer dem vergleich? ſollte
auch wahſu (creſco) hierher gehören, um ſo mehr
als es auxiliariſch für werde gebraucht wird, das fut.
auszudrücken? — β) das gewöhnliche bildungsmittel
des latein. praet. iſt -v, (mit häufigem übergang in
-u) beiſpiele: amâvi, delêvi, docui (ſt. docêvi) au-
dîvi, colui, tremui, flêvi, nêvi etc. Verſchiedene
praeſentia verſetzen die wurzel mit unorg. conſonan-
ten, z. b. paſco, noſco, ſueſco, creſco (ſt. pâo, nôo,
ſuêo, crêo?) cerno, ſperno, ſterno (ſt. cero, ſpero,
ſtro? vgl. tero, trivi; ſero, ſevi) ſino, lino (ſt. ſîo,
lîo?) was der regelmäßigkeit der praet. pavi, novi,
ſuevi, crevi. crevi, ſprevi, ſtravi, ſivi, levi nichts
benimmt. Ob dieſes -v mit dem kennzeichen -b
des lat. fut. und imperf. gemeinſchaft habe? ob es
auch aus eingefügtem hülfsverbum ſtamme? bleibt hier
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[1058/1084] II. allgemeine vergleichung der conjugation. begriff des futurums geht leicht in den des aoriſts über, beide drücken das bewegliche der zukünftigen oder erfolgten handlung im gegenſatze zu der ſtändigkeit des praeſ. und praet., wo die handlung ſicher ge- ſchieht oder geſchehen iſt, aus. Vergröberter ſprach- gebrauch mengt aber praeſ. und futurum ſo wie praet. und aoriſt, die früher geſchiedene form wendet ſich bald dahin, bald dorthin. Es kann daher nicht be- fremden, wenn wir die bildung s im lat. aufs praet., im lett. aufs futurum eingeſchränkt ſehen, vgl. die litth. praeſ. ſukù, penù, laikau, jeſzkau, fut. ſukſu, peneſu, laikiſu, jeſzkóſu; lettiſch ſteht -ſchu ſt. des litth. -ſu, z. b. eeſchu (ibo) gaſchu (ſervabo). Im ſanſkr. erſcheint das bildende -s bei dem dritten praet., z. b. aſrauſham (audivi) alêkſham (ſimilis fui) auâpſam (luxi) avakſham (vexi) von den wurzeln ſru, lih, tap, vah; alſo mit augment und ablaut verbunden, biswei- len durch einen vocal von der wurzel geſchieden, als: avâdiſham (loquutus ſum) atôpiſham (percuſſi) von vad, tup. Zugleich aber gewährt das ſanſkrit auf- ſchluß über den urſprung der eingefügten -s (Bopp l. c. p. 54-56.) es iſt das eingewachſene hülfsverbum âſam und kommt ſelbſt inwendig reduplicierend vor, z. b. ajâſiſham (ivi); nicht anders wird das ind. futu- rum durch anfügung des hülfsworts erzeugt (Bopp. p. 49.) z. b. dâſjâmi (δώσω) taniſhjâmi (extendam). Die deutſche ſprache bedient ſich dieſes -s in der conj. nirgends, beſitzt es aber vielleicht noch in wortbil- dungen [vorhin ſ. 1051.) und inſofern wäre rexi mit dem altb. rîhhiſô nicht außer dem vergleich? ſollte auch wahſu (creſco) hierher gehören, um ſo mehr als es auxiliariſch für werde gebraucht wird, das fut. auszudrücken? — β) das gewöhnliche bildungsmittel des latein. praet. iſt -v, (mit häufigem übergang in -u) beiſpiele: amâvi, delêvi, docui (ſt. docêvi) au- dîvi, colui, tremui, flêvi, nêvi etc. Verſchiedene praeſentia verſetzen die wurzel mit unorg. conſonan- ten, z. b. paſco, noſco, ſueſco, creſco (ſt. pâo, nôo, ſuêo, crêo?) cerno, ſperno, ſterno (ſt. cero, ſpero, ſtro? vgl. tero, trivi; ſero, ſevi) ſino, lino (ſt. ſîo, lîo?) was der regelmäßigkeit der praet. pavi, novi, ſuevi, crevi. crevi, ſprevi, ſtravi, ſivi, levi nichts benimmt. Ob dieſes -v mit dem kennzeichen -b des lat. fut. und imperf. gemeinſchaft habe? ob es auch aus eingefügtem hülfsverbum ſtamme? bleibt hier

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 1058. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/1084>, abgerufen am 18.05.2024.