Grillparzer, Franz: Ein treuer Diener seines Herrn. Wien, 1830. Königin. Was fehl't ihm also? König. Sitte. Königin. Nun, er ist jung! Viel geh't der Jugend hin, Und Viel erreicht sie selbst durch ihre Fehler. Er ist geschäftlos. Geb't ihm ein Geschäft! Und dann -- was thut er auch? -- Er schwärm't, er lieb't. In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, Der nicht bei Weibern gilt, im Zwist der Minne Den Geist vorübend schärf't für ernstern Zwist. König. So üb' er sich in Frankreich, wo man's duldet, Und abgeklär't, sey er willkommen mir. Von andern Völkern borg't das Schlimme nicht, Wer weiß, ob Euch erreichbar ist ihr Gutes? Der Franke mag durch manche hohe Gaben Den Leichtsinn adeln, dem er gern sich gibt; Mein Land bewohn't ein einfach stilles Volk, Zu jeder Art des Guten rasch und tüchtig, Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß Streng zwischen Allzuwenig, und zu Viel, Und bann't den spröden, überscharfen Sinn. So ist, so muß es seyn, so soll es bleiben! (Geht gegen die Mittelthüre zu.) Königin. Hör't nur noch Ein's. -- Ihr nanntet oft mich stolz, Königin. Was fehl’t ihm alſo? König. Sitte. Königin. Nun, er iſt jung! Viel geh’t der Jugend hin, Und Viel erreicht ſie ſelbſt durch ihre Fehler. Er iſt geſchäftlos. Geb’t ihm ein Geſchäft! Und dann — was thut er auch? — Er ſchwärm’t, er lieb’t. In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne Den Geiſt vorübend ſchärf’t für ernſtern Zwiſt. König. So üb’ er ſich in Frankreich, wo man’s duldet, Und abgeklär’t, ſey er willkommen mir. Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht, Wer weiß, ob Euch erreichbar iſt ihr Gutes? Der Franke mag durch manche hohe Gaben Den Leichtſinn adeln, dem er gern ſich gibt; Mein Land bewohn’t ein einfach ſtilles Volk, Zu jeder Art des Guten raſch und tüchtig, Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß Streng zwiſchen Allzuwenig, und zu Viel, Und bann’t den ſpröden, überſcharfen Sinn. So iſt, ſo muß es ſeyn, ſo ſoll es bleiben! (Geht gegen die Mittelthüre zu.) Königin. Hör’t nur noch Ein’s. — Ihr nanntet oft mich ſtolz, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0030" n="22"/> <sp who="#KOENIGIN"> <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/> <p>Was fehl’t ihm alſo?</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>Sitte.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIGIN"> <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun, er iſt jung! Viel geh’t der Jugend hin,<lb/> Und Viel erreicht ſie ſelbſt durch ihre Fehler.<lb/> Er iſt geſchäftlos. Geb’t ihm ein Geſchäft!<lb/> Und dann — was thut er auch? — Er ſchwärm’t, er lieb’t.<lb/> In Frankreich achtet man den Jüngling wenig,<lb/> Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne<lb/> Den Geiſt vorübend ſchärf’t für ernſtern Zwiſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/> <p>So üb’ er ſich in Frankreich, wo man’s duldet,<lb/> Und abgeklär’t, ſey er willkommen mir.<lb/> Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht,<lb/> Wer weiß, ob Euch erreichbar iſt ihr Gutes?<lb/> Der Franke mag durch manche hohe Gaben<lb/> Den Leichtſinn adeln, dem er gern ſich gibt;<lb/> Mein Land bewohn’t ein einfach ſtilles Volk,<lb/> Zu jeder Art des Guten raſch und tüchtig,<lb/> Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß<lb/> Streng zwiſchen Allzuwenig, und zu Viel,<lb/> Und bann’t den ſpröden, überſcharfen Sinn.<lb/> So iſt, ſo muß es ſeyn, ſo ſoll es bleiben!</p><lb/> <stage>(Geht gegen die Mittelthüre zu.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#KOENIGIN"> <speaker><hi rendition="#g">Königin</hi>.</speaker><lb/> <p>Hör’t nur noch Ein’s. — Ihr nanntet oft mich ſtolz,<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [22/0030]
Königin.
Was fehl’t ihm alſo?
König.
Sitte.
Königin.
Nun, er iſt jung! Viel geh’t der Jugend hin,
Und Viel erreicht ſie ſelbſt durch ihre Fehler.
Er iſt geſchäftlos. Geb’t ihm ein Geſchäft!
Und dann — was thut er auch? — Er ſchwärm’t, er lieb’t.
In Frankreich achtet man den Jüngling wenig,
Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne
Den Geiſt vorübend ſchärf’t für ernſtern Zwiſt.
König.
So üb’ er ſich in Frankreich, wo man’s duldet,
Und abgeklär’t, ſey er willkommen mir.
Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht,
Wer weiß, ob Euch erreichbar iſt ihr Gutes?
Der Franke mag durch manche hohe Gaben
Den Leichtſinn adeln, dem er gern ſich gibt;
Mein Land bewohn’t ein einfach ſtilles Volk,
Zu jeder Art des Guten raſch und tüchtig,
Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß
Streng zwiſchen Allzuwenig, und zu Viel,
Und bann’t den ſpröden, überſcharfen Sinn.
So iſt, ſo muß es ſeyn, ſo ſoll es bleiben!
(Geht gegen die Mittelthüre zu.)
Königin.
Hör’t nur noch Ein’s. — Ihr nanntet oft mich ſtolz,
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