Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.Symptomatologie sind ganz oberflächlich, können ohne allen Grund mit einander wechselnund äussern sich durchaus in schwächlicher, kindischer, läppischer Weise. Bei aller Unbekümmertheit und bei der Abwesenheit jeder wirklichen Begierde kommen ebenso doch unordentliche psychische Bewegungen und ein zweckloses, zuweilen extravagantes Treiben vor, dessen Sinn der Kranke selbst nicht mehr versteht, und die Willens- reaction, wo noch solche vorhanden ist, hat durchaus den Character des Flüchtigen und Schwankenden. §. 126. Während schon von dieser Seite Alles auf Schwäche, Ohnmacht Symptomatologie sind ganz oberflächlich, können ohne allen Grund mit einander wechselnund äussern sich durchaus in schwächlicher, kindischer, läppischer Weise. Bei aller Unbekümmertheit und bei der Abwesenheit jeder wirklichen Begierde kommen ebenso doch unordentliche psychische Bewegungen und ein zweckloses, zuweilen extravagantes Treiben vor, dessen Sinn der Kranke selbst nicht mehr versteht, und die Willens- reaction, wo noch solche vorhanden ist, hat durchaus den Character des Flüchtigen und Schwankenden. §. 126. Während schon von dieser Seite Alles auf Schwäche, Ohnmacht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0290" n="276"/><fw place="top" type="header">Symptomatologie</fw><lb/> sind ganz oberflächlich, können ohne allen Grund mit einander wechseln<lb/> und äussern sich durchaus in schwächlicher, kindischer, läppischer<lb/> Weise. Bei aller Unbekümmertheit und bei der Abwesenheit jeder<lb/> wirklichen Begierde kommen ebenso doch unordentliche psychische<lb/> Bewegungen und ein zweckloses, zuweilen extravagantes Treiben vor,<lb/> dessen Sinn der Kranke selbst nicht mehr versteht, und die Willens-<lb/> reaction, wo noch solche vorhanden ist, hat durchaus den Character<lb/> des Flüchtigen und Schwankenden.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 126.</head><lb/> <p>Während schon von dieser Seite Alles auf Schwäche, Ohnmacht<lb/> und Erschlaffung hinweist, zeigt sich derselbe Character, fast in noch<lb/> höherem Masse, auf dem Gebiete des Vorstellens, wie denn schon<lb/> oben der Zusammenhang jener Gemüthsschwäche mit der Schwäche<lb/> des Vorstellens besprochen wurde. Diese äussert sich vor Allem als<lb/> Verlust des Gedächtnisses, und die Reproduction der Vorstellungen<lb/> ist hauptsächlich in der Art beeinträchtigt, dass das näher Liegende,<lb/> das jetzt, während des Blödsinns vorgestellte immer augenblicklich<lb/> wieder vergessen wird, während nicht selten frühere, an Ereignisse<lb/> längst vergangener Lebens-Perioden geknüpfte Vorstellungen leichter<lb/> reproducirt werden; doch haben Manche dieser Kranken auch ihr<lb/> früheres Leben und ihren eigenen Namen ganz vergessen. Da alle<lb/> Operationen des Vorstellens durchaus energielos vor sich gehen, so<lb/> werden von dem jetzt Vorgestellten keine Eindrücke mehr festgehalten;<lb/> damit aber ist die Fähigkeit, mehrere Vorstellungen mit einander zu<lb/> vergleichen, ein Gemeinsames aus ihnen zu abstrahiren, zu urtheilen<lb/> und zu schliessen, verloren gegangen, und alles Vorstellen zu einem<lb/> zusammenhangslosen Spiele flüchtig auftauchender und wieder ver-<lb/> gehender Bilder und Worte herabgesunken. Es ist eine unnütze und<lb/> sterile Activität der Intelligenz, die sich in disparaten, isolirten und<lb/> lückenhaften Vorstellungen ergeht, aber unfähig ist, sie zum Urtheil<lb/> zu verbinden. Hieraus ergibt sich also einerseits die Unmöglichkeit<lb/> jeder Abstraction, andererseits auch eine äusserliche Verworrenheit<lb/> in den aus zufällig gegenwärtigen Sinneseindrücken hervorgegangenen<lb/> oder nach dem ganz äusserlichen Zusammenhange zufälliger Aehn-<lb/> lichkeiten (namentlich z. B. der Asonnanz) associirten Bildern und Vor-<lb/> stellungen. Daher der Mangel aller Logik, der unregelmässige Wechsel<lb/> unzusammenhängender Vorstellungen, das sinnlose, papageienartige<lb/> Wiederholen von Worten und Phrasen aus Gewohnheit und nach zu-<lb/> fälligen Aehnlichkeiten der Laute, die incohärenten und widersinnigen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0290]
Symptomatologie
sind ganz oberflächlich, können ohne allen Grund mit einander wechseln
und äussern sich durchaus in schwächlicher, kindischer, läppischer
Weise. Bei aller Unbekümmertheit und bei der Abwesenheit jeder
wirklichen Begierde kommen ebenso doch unordentliche psychische
Bewegungen und ein zweckloses, zuweilen extravagantes Treiben vor,
dessen Sinn der Kranke selbst nicht mehr versteht, und die Willens-
reaction, wo noch solche vorhanden ist, hat durchaus den Character
des Flüchtigen und Schwankenden.
§. 126.
Während schon von dieser Seite Alles auf Schwäche, Ohnmacht
und Erschlaffung hinweist, zeigt sich derselbe Character, fast in noch
höherem Masse, auf dem Gebiete des Vorstellens, wie denn schon
oben der Zusammenhang jener Gemüthsschwäche mit der Schwäche
des Vorstellens besprochen wurde. Diese äussert sich vor Allem als
Verlust des Gedächtnisses, und die Reproduction der Vorstellungen
ist hauptsächlich in der Art beeinträchtigt, dass das näher Liegende,
das jetzt, während des Blödsinns vorgestellte immer augenblicklich
wieder vergessen wird, während nicht selten frühere, an Ereignisse
längst vergangener Lebens-Perioden geknüpfte Vorstellungen leichter
reproducirt werden; doch haben Manche dieser Kranken auch ihr
früheres Leben und ihren eigenen Namen ganz vergessen. Da alle
Operationen des Vorstellens durchaus energielos vor sich gehen, so
werden von dem jetzt Vorgestellten keine Eindrücke mehr festgehalten;
damit aber ist die Fähigkeit, mehrere Vorstellungen mit einander zu
vergleichen, ein Gemeinsames aus ihnen zu abstrahiren, zu urtheilen
und zu schliessen, verloren gegangen, und alles Vorstellen zu einem
zusammenhangslosen Spiele flüchtig auftauchender und wieder ver-
gehender Bilder und Worte herabgesunken. Es ist eine unnütze und
sterile Activität der Intelligenz, die sich in disparaten, isolirten und
lückenhaften Vorstellungen ergeht, aber unfähig ist, sie zum Urtheil
zu verbinden. Hieraus ergibt sich also einerseits die Unmöglichkeit
jeder Abstraction, andererseits auch eine äusserliche Verworrenheit
in den aus zufällig gegenwärtigen Sinneseindrücken hervorgegangenen
oder nach dem ganz äusserlichen Zusammenhange zufälliger Aehn-
lichkeiten (namentlich z. B. der Asonnanz) associirten Bildern und Vor-
stellungen. Daher der Mangel aller Logik, der unregelmässige Wechsel
unzusammenhängender Vorstellungen, das sinnlose, papageienartige
Wiederholen von Worten und Phrasen aus Gewohnheit und nach zu-
fälligen Aehnlichkeiten der Laute, die incohärenten und widersinnigen
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