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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Hypochondrie.
ganze Nervensystem betreffenden Störung mit dem Fieber als dem
allgemeinsten acuten Krankheitszustand (Hoffmann) nicht unpassend.
Namentlich häufig leidet die Verdauung, die Zunge wird belegt, der
Appetit übermässig oder vermindert, der Stuhl angehalten und die
Verdauung ist oft von stärkerer Gasentwickelung begleitet, wodurch
Spannung in den Hypochondrien, und mit dem Heraufdrängen des
Zwerchfells Beengung entsteht. Hämorrhoiden sind häufig, ebenso
Abdominalpulsation, Herzklopfen, Kopfcongestionen, Kopfschmerz, un-
ruhiger Schlaf, zuweilen Steigerung, öfter bedeutende Verminderung
des Geschlechtstriebs; sehr häufig ist eine schleimige Expectoration
aus dem Larynx und Schlund. In vielen Fällen lässt es sich nicht
entscheiden, ob und in wie weit die höchst verschiedenen Symptome
solchen primären Störungen der Eingeweide angehören, unter deren
Einfluss sich die Hypochondrie gebildet hat, in wie weit sie dagegen
centralen Ursprungs im Nervensysteme sind. Immer hat der Arzt
eine genaue Untersuchung aller zugänglichen Organe vorzunehmen;
nicht selten stellen sich erst im Verlauf der Krankheit allmählig er-
kennbare Erkrankungen eines Eingeweides heraus, die sich schon in
ihren dunkeln Anfängen als Ursachen zu der Hypochondrie verhalten
haben mögen.

Die Hypochondrie entsteht nemlich offenbar auf zweierlei Wegen.
Einmal als secundäre Cerebrospinalirritation, in Folge von inneren,
aber allerdings oft leichten Erkrankungen (des Darms, der Leber, der
Genitalien; vielleicht der Nieren), die mehr ein intensives Krank-
heitsgefühl, als localisirte Schmerzen setzen; namentlich ist hier
genaue Aufmerksamkeit auf die Zustände des Uro-Genitalsystems zu
empfehlen, um so mehr, je häufiger hier vorhandene Störungen über-
sehen werden und je schädlicher solchen Kranken, die freilich oft
dabei an angehaltenem Stuhle leiden, die gebräuchliche Behandlungs-
weise mit reichlichen Abführmitteln ist.

Andrerseits kann die Hypochondrie unzweifelhaft auf direct psy-
chischem Wege entstehen, indem durch äussere Veranlassung das
Vorstellen anhaltend auf den eigenen Gesundheitszustand im Allge-
meinen oder speciell auf einzelne Organe determinirt wird und
dadurch erst krankhafte Empfindungen geweckt werden. Solches
beobachtet man beim Lesen medicinischer Bücher, beim steten Um-
gang mit Hypochondristen, in Zeiten grosser Epidemieen, wie der
Cholera etc. Diese Fälle sind indessen die leichteren, und auch
selten gegen die, sehr frequente Entstehung der Hypochondrie aus
indirecten psychischen Anlässen, so nemlich, dass depresive Affecte,

der Hypochondrie.
ganze Nervensystem betreffenden Störung mit dem Fieber als dem
allgemeinsten acuten Krankheitszustand (Hoffmann) nicht unpassend.
Namentlich häufig leidet die Verdauung, die Zunge wird belegt, der
Appetit übermässig oder vermindert, der Stuhl angehalten und die
Verdauung ist oft von stärkerer Gasentwickelung begleitet, wodurch
Spannung in den Hypochondrien, und mit dem Heraufdrängen des
Zwerchfells Beengung entsteht. Hämorrhoiden sind häufig, ebenso
Abdominalpulsation, Herzklopfen, Kopfcongestionen, Kopfschmerz, un-
ruhiger Schlaf, zuweilen Steigerung, öfter bedeutende Verminderung
des Geschlechtstriebs; sehr häufig ist eine schleimige Expectoration
aus dem Larynx und Schlund. In vielen Fällen lässt es sich nicht
entscheiden, ob und in wie weit die höchst verschiedenen Symptome
solchen primären Störungen der Eingeweide angehören, unter deren
Einfluss sich die Hypochondrie gebildet hat, in wie weit sie dagegen
centralen Ursprungs im Nervensysteme sind. Immer hat der Arzt
eine genaue Untersuchung aller zugänglichen Organe vorzunehmen;
nicht selten stellen sich erst im Verlauf der Krankheit allmählig er-
kennbare Erkrankungen eines Eingeweides heraus, die sich schon in
ihren dunkeln Anfängen als Ursachen zu der Hypochondrie verhalten
haben mögen.

Die Hypochondrie entsteht nemlich offenbar auf zweierlei Wegen.
Einmal als secundäre Cerebrospinalirritation, in Folge von inneren,
aber allerdings oft leichten Erkrankungen (des Darms, der Leber, der
Genitalien; vielleicht der Nieren), die mehr ein intensives Krank-
heitsgefühl, als localisirte Schmerzen setzen; namentlich ist hier
genaue Aufmerksamkeit auf die Zustände des Uro-Genitalsystems zu
empfehlen, um so mehr, je häufiger hier vorhandene Störungen über-
sehen werden und je schädlicher solchen Kranken, die freilich oft
dabei an angehaltenem Stuhle leiden, die gebräuchliche Behandlungs-
weise mit reichlichen Abführmitteln ist.

Andrerseits kann die Hypochondrie unzweifelhaft auf direct psy-
chischem Wege entstehen, indem durch äussere Veranlassung das
Vorstellen anhaltend auf den eigenen Gesundheitszustand im Allge-
meinen oder speciell auf einzelne Organe determinirt wird und
dadurch erst krankhafte Empfindungen geweckt werden. Solches
beobachtet man beim Lesen medicinischer Bücher, beim steten Um-
gang mit Hypochondristen, in Zeiten grosser Epidemieen, wie der
Cholera etc. Diese Fälle sind indessen die leichteren, und auch
selten gegen die, sehr frequente Entstehung der Hypochondrie aus
indirecten psychischen Anlässen, so nemlich, dass depresive Affecte,

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[159/0173] der Hypochondrie. ganze Nervensystem betreffenden Störung mit dem Fieber als dem allgemeinsten acuten Krankheitszustand (Hoffmann) nicht unpassend. Namentlich häufig leidet die Verdauung, die Zunge wird belegt, der Appetit übermässig oder vermindert, der Stuhl angehalten und die Verdauung ist oft von stärkerer Gasentwickelung begleitet, wodurch Spannung in den Hypochondrien, und mit dem Heraufdrängen des Zwerchfells Beengung entsteht. Hämorrhoiden sind häufig, ebenso Abdominalpulsation, Herzklopfen, Kopfcongestionen, Kopfschmerz, un- ruhiger Schlaf, zuweilen Steigerung, öfter bedeutende Verminderung des Geschlechtstriebs; sehr häufig ist eine schleimige Expectoration aus dem Larynx und Schlund. In vielen Fällen lässt es sich nicht entscheiden, ob und in wie weit die höchst verschiedenen Symptome solchen primären Störungen der Eingeweide angehören, unter deren Einfluss sich die Hypochondrie gebildet hat, in wie weit sie dagegen centralen Ursprungs im Nervensysteme sind. Immer hat der Arzt eine genaue Untersuchung aller zugänglichen Organe vorzunehmen; nicht selten stellen sich erst im Verlauf der Krankheit allmählig er- kennbare Erkrankungen eines Eingeweides heraus, die sich schon in ihren dunkeln Anfängen als Ursachen zu der Hypochondrie verhalten haben mögen. Die Hypochondrie entsteht nemlich offenbar auf zweierlei Wegen. Einmal als secundäre Cerebrospinalirritation, in Folge von inneren, aber allerdings oft leichten Erkrankungen (des Darms, der Leber, der Genitalien; vielleicht der Nieren), die mehr ein intensives Krank- heitsgefühl, als localisirte Schmerzen setzen; namentlich ist hier genaue Aufmerksamkeit auf die Zustände des Uro-Genitalsystems zu empfehlen, um so mehr, je häufiger hier vorhandene Störungen über- sehen werden und je schädlicher solchen Kranken, die freilich oft dabei an angehaltenem Stuhle leiden, die gebräuchliche Behandlungs- weise mit reichlichen Abführmitteln ist. Andrerseits kann die Hypochondrie unzweifelhaft auf direct psy- chischem Wege entstehen, indem durch äussere Veranlassung das Vorstellen anhaltend auf den eigenen Gesundheitszustand im Allge- meinen oder speciell auf einzelne Organe determinirt wird und dadurch erst krankhafte Empfindungen geweckt werden. Solches beobachtet man beim Lesen medicinischer Bücher, beim steten Um- gang mit Hypochondristen, in Zeiten grosser Epidemieen, wie der Cholera etc. Diese Fälle sind indessen die leichteren, und auch selten gegen die, sehr frequente Entstehung der Hypochondrie aus indirecten psychischen Anlässen, so nemlich, dass depresive Affecte,

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/173>, abgerufen am 21.11.2024.