Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Neu-Jahrs-Gratulation an einen vorneh-
men Minister.
Das kluge Alterthum/ von dessen guten Sitten
Noch keine dieser Zeit so gar verloschen ist/
Jst recht mit Vorbedacht ins neue Jahr geschritten/
Wenn Flora ihre Brust in warme Decken schliest/
Und vor den holden West die rauhen Winde-wehen/
Daß jene muß betrübt nach ihrem Buhlen sehen.
Die Felder sind dann leer von Früchten und von Leuten
Der ungestühme Mars steckt seinen Degen ein/
Und seine Ritter-Schaar will nach den harten Streiten
So wie ihr Führer still/ und nicht blut-gierig seyn.
Es ruht zu solcher Zeit/ was diese Welt umschliesset
Was Titans Wunder-Licht und Phoebens Glantz geniesset.
Jn diese frohe Zeit da Dolch und Degen liegen
Da lauter Lieblichkeit die stoltze Ruhe reicht/
Da hat das Alterthum zu jedermanns Vergnügen/
Das neue Jahr gesetzt/ und dadurch angezeigt/
Daß denn mit bestem Recht die Wünsche können fliessen/
Weil Mavors stille ist mit Mord und Blut-vergiessen.
Jhr Absehn war dabey den Göttern Danck zu geben
Vor die verliehne Ruh/ sie wünscheten zu gleich
Daß ferner ihre Huld sie friedlich liesse leben/
So wären sie so wol am Glück als Gütern reich.
Am meisten liessen sich dieselbe wünschend hören
Die vorgenoßne Gunst die Gönner musten ehren.
Weil nun die neue Welt auch diesen Brauch beliebet/
So stellt sich meine Pflicht Hoch-Wohlgebohrner ein/
Mein Arm-seyn aber nichts von Gold und Silber giebet/
Mein Unvermögen läst mich nicht frey-gebig seyn.
Der Wille ist zwar da/ doch das Vermögen fehlet/
Ohn das der Wille todt und gleichsahm ist entseelet.
Doch seiner Großmuth wird der Wille auch gefallen/
Denn hohe Leute sind mit solchem offt vergnügt
Ein Artaxerxes hält am höchsten unter allen
Wenn ein getreuer Knecht mit Wasser vor ihm liegt/
Er
Vermiſchte Gedichte.
Neu-Jahrs-Gratulation an einen vorneh-
men Miniſter.
Das kluge Alterthum/ von deſſen guten Sitten
Noch keine dieſer Zeit ſo gar verloſchen iſt/
Jſt recht mit Vorbedacht ins neue Jahr geſchritten/
Wenn Flora ihre Bruſt in warme Decken ſchlieſt/
Und vor den holden Weſt die rauhen Winde-wehen/
Daß jene muß betruͤbt nach ihrem Buhlen ſehen.
Die Felder ſind dann leer von Fruͤchten und von Leuten
Der ungeſtuͤhme Mars ſteckt ſeinen Degen ein/
Und ſeine Ritter-Schaar will nach den harten Streiten
So wie ihr Fuͤhrer ſtill/ und nicht blut-gierig ſeyn.
Es ruht zu ſolcher Zeit/ was dieſe Welt umſchlieſſet
Was Titans Wunder-Licht und Phœbens Glantz genieſſet.
Jn dieſe frohe Zeit da Dolch und Degen liegen
Da lauter Lieblichkeit die ſtoltze Ruhe reicht/
Da hat das Alterthum zu jedermanns Vergnuͤgen/
Das neue Jahr geſetzt/ und dadurch angezeigt/
Daß denn mit beſtem Recht die Wuͤnſche koͤnnen flieſſen/
Weil Mavors ſtille iſt mit Mord und Blut-vergieſſen.
Jhr Abſehn war dabey den Goͤttern Danck zu geben
Vor die verliehne Ruh/ ſie wuͤnſcheten zu gleich
Daß ferner ihre Huld ſie friedlich lieſſe leben/
So waͤren ſie ſo wol am Gluͤck als Guͤtern reich.
Am meiſten lieſſen ſich dieſelbe wuͤnſchend hoͤren
Die vorgenoßne Gunſt die Goͤnner muſten ehren.
Weil nun die neue Welt auch dieſen Brauch beliebet/
So ſtellt ſich meine Pflicht Hoch-Wohlgebohrner ein/
Mein Arm-ſeyn aber nichts von Gold und Silber giebet/
Mein Unvermoͤgen laͤſt mich nicht frey-gebig ſeyn.
Der Wille iſt zwar da/ doch das Vermoͤgen fehlet/
Ohn das der Wille todt und gleichſahm iſt entſeelet.
Doch ſeiner Großmuth wird der Wille auch gefallen/
Denn hohe Leute ſind mit ſolchem offt vergnuͤgt
Ein Artaxerxes haͤlt am hoͤchſten unter allen
Wenn ein getreuer Knecht mit Waſſer vor ihm liegt/
Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0415" n="397"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Neu-Jahrs-<hi rendition="#aq">Gratulation</hi> an einen vorneh-</hi><lb/>
men <hi rendition="#aq">Mini&#x017F;ter.</hi></head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>as kluge Alterthum/ von de&#x017F;&#x017F;en guten Sitten</l><lb/>
            <l>Noch keine die&#x017F;er Zeit &#x017F;o gar verlo&#x017F;chen i&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>J&#x017F;t recht mit Vorbedacht ins neue Jahr ge&#x017F;chritten/</l><lb/>
            <l>Wenn <hi rendition="#aq">Flora</hi> ihre Bru&#x017F;t in warme Decken &#x017F;chlie&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>Und vor den holden We&#x017F;t die rauhen Winde-wehen/</l><lb/>
            <l>Daß jene muß betru&#x0364;bt nach ihrem Buhlen &#x017F;ehen.</l><lb/>
            <l>Die Felder &#x017F;ind dann leer von Fru&#x0364;chten und von Leuten</l><lb/>
            <l>Der unge&#x017F;tu&#x0364;hme <hi rendition="#aq">Mars</hi> &#x017F;teckt &#x017F;einen Degen ein/</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;eine Ritter-Schaar will nach den harten Streiten</l><lb/>
            <l>So wie ihr Fu&#x0364;hrer &#x017F;till/ und nicht blut-gierig &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Es ruht zu &#x017F;olcher Zeit/ was die&#x017F;e Welt um&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et</l><lb/>
            <l>Was <hi rendition="#aq">Titans</hi> Wunder-Licht und <hi rendition="#aq">Ph&#x0153;bens</hi> Glantz genie&#x017F;&#x017F;et.</l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;e frohe Zeit da Dolch und Degen liegen</l><lb/>
            <l>Da lauter Lieblichkeit die &#x017F;toltze Ruhe reicht/</l><lb/>
            <l>Da hat das Alterthum zu jedermanns Vergnu&#x0364;gen/</l><lb/>
            <l>Das neue Jahr ge&#x017F;etzt/ und dadurch angezeigt/</l><lb/>
            <l>Daß denn mit be&#x017F;tem Recht die Wu&#x0364;n&#x017F;che ko&#x0364;nnen flie&#x017F;&#x017F;en/</l><lb/>
            <l>Weil <hi rendition="#aq">Mavors</hi> &#x017F;tille i&#x017F;t mit Mord und Blut-vergie&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            <l>Jhr Ab&#x017F;ehn war dabey den Go&#x0364;ttern Danck zu geben</l><lb/>
            <l>Vor die verliehne Ruh/ &#x017F;ie wu&#x0364;n&#x017F;cheten zu gleich</l><lb/>
            <l>Daß ferner ihre Huld &#x017F;ie friedlich lie&#x017F;&#x017F;e leben/</l><lb/>
            <l>So wa&#x0364;ren &#x017F;ie &#x017F;o wol am Glu&#x0364;ck als Gu&#x0364;tern reich.</l><lb/>
            <l>Am mei&#x017F;ten lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die&#x017F;elbe wu&#x0364;n&#x017F;chend ho&#x0364;ren</l><lb/>
            <l>Die vorgenoßne Gun&#x017F;t die Go&#x0364;nner mu&#x017F;ten ehren.</l><lb/>
            <l>Weil nun die neue Welt auch die&#x017F;en Brauch beliebet/</l><lb/>
            <l>So &#x017F;tellt &#x017F;ich meine Pflicht Hoch-Wohlgebohrner ein/</l><lb/>
            <l>Mein Arm-&#x017F;eyn aber nichts von Gold und Silber giebet/</l><lb/>
            <l>Mein Unvermo&#x0364;gen la&#x0364;&#x017F;t mich nicht frey-gebig &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Der Wille i&#x017F;t zwar da/ doch das Vermo&#x0364;gen fehlet/</l><lb/>
            <l>Ohn das der Wille todt und gleich&#x017F;ahm i&#x017F;t ent&#x017F;eelet.</l><lb/>
            <l>Doch &#x017F;einer Großmuth wird der Wille auch gefallen/</l><lb/>
            <l>Denn hohe Leute &#x017F;ind mit &#x017F;olchem offt vergnu&#x0364;gt</l><lb/>
            <l>Ein <hi rendition="#aq">Artaxerxes</hi> ha&#x0364;lt am ho&#x0364;ch&#x017F;ten unter allen</l><lb/>
            <l>Wenn ein getreuer Knecht mit Wa&#x017F;&#x017F;er vor ihm liegt/</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0415] Vermiſchte Gedichte. Neu-Jahrs-Gratulation an einen vorneh- men Miniſter. Das kluge Alterthum/ von deſſen guten Sitten Noch keine dieſer Zeit ſo gar verloſchen iſt/ Jſt recht mit Vorbedacht ins neue Jahr geſchritten/ Wenn Flora ihre Bruſt in warme Decken ſchlieſt/ Und vor den holden Weſt die rauhen Winde-wehen/ Daß jene muß betruͤbt nach ihrem Buhlen ſehen. Die Felder ſind dann leer von Fruͤchten und von Leuten Der ungeſtuͤhme Mars ſteckt ſeinen Degen ein/ Und ſeine Ritter-Schaar will nach den harten Streiten So wie ihr Fuͤhrer ſtill/ und nicht blut-gierig ſeyn. Es ruht zu ſolcher Zeit/ was dieſe Welt umſchlieſſet Was Titans Wunder-Licht und Phœbens Glantz genieſſet. Jn dieſe frohe Zeit da Dolch und Degen liegen Da lauter Lieblichkeit die ſtoltze Ruhe reicht/ Da hat das Alterthum zu jedermanns Vergnuͤgen/ Das neue Jahr geſetzt/ und dadurch angezeigt/ Daß denn mit beſtem Recht die Wuͤnſche koͤnnen flieſſen/ Weil Mavors ſtille iſt mit Mord und Blut-vergieſſen. Jhr Abſehn war dabey den Goͤttern Danck zu geben Vor die verliehne Ruh/ ſie wuͤnſcheten zu gleich Daß ferner ihre Huld ſie friedlich lieſſe leben/ So waͤren ſie ſo wol am Gluͤck als Guͤtern reich. Am meiſten lieſſen ſich dieſelbe wuͤnſchend hoͤren Die vorgenoßne Gunſt die Goͤnner muſten ehren. Weil nun die neue Welt auch dieſen Brauch beliebet/ So ſtellt ſich meine Pflicht Hoch-Wohlgebohrner ein/ Mein Arm-ſeyn aber nichts von Gold und Silber giebet/ Mein Unvermoͤgen laͤſt mich nicht frey-gebig ſeyn. Der Wille iſt zwar da/ doch das Vermoͤgen fehlet/ Ohn das der Wille todt und gleichſahm iſt entſeelet. Doch ſeiner Großmuth wird der Wille auch gefallen/ Denn hohe Leute ſind mit ſolchem offt vergnuͤgt Ein Artaxerxes haͤlt am hoͤchſten unter allen Wenn ein getreuer Knecht mit Waſſer vor ihm liegt/ Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/415
Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/415>, abgerufen am 21.11.2024.