Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Sinn-Gedichte. Jch schwinde! ich vergeh/Jch werde halb erblaßt Wenn ich dich bey mir seh/ Jch weiß du liebst mich auch/ Ob gleich dein Angesichte Die Liebe macht zu nichte/ So liebet doch mein Hertz/ Das frey von allen Schertz Jn heissen Flammen steht. Denn liest die Liebe man nicht an der Stirne/ So ist sie doch im Hertzen und Gehirne. An einem so eine Jungfer geschwängert. Mein Freund er griff zu starck das muntre Pferdgen an/ Der Sachen hat er auch dadurch zu viel gethau; Dem Pferd/ so willig ist/ und das sich läst besteigen/ Muß man die scharffe Sporn nicht geben/ sondern zeigen. An ihr Btte. Jhr Federn hört ihr nicht aus meiner Liebsten Munde Gebrochne Worte gehn/ wenn sie zur Morgen-Stunde Halb schlaffend/ halb erwacht auf ihren Lager spricht/ Und dencket sie im Schlaff an ihrem Tarsis nicht? Als sie einen Ring am Finger trug. Wie/ trägt die Marmor Hand Gold und auch Demant-stein/ Da ihre Artigkeit dieselben überwieget? Doch still! du hast mein Hertz durch einen Blick besieget/ Nun soll auch meine Treu so vest wie Demant seyn. Der auffrichtige Liebhaber. Catull. Epigr. 85. Kein Weib mit Wahrheit spricht; sie sey so sehr geliebet Als meine Lesbia von mir geliebet ist/ Nie hat sich solche Treu mit einem Bund geküßt/ Als welche ich bey dir/ mein Leben ausgeübet. Die
Sinn-Gedichte. Jch ſchwinde! ich vergeh/Jch werde halb erblaßt Wenn ich dich bey mir ſeh/ Jch weiß du liebſt mich auch/ Ob gleich dein Angeſichte Die Liebe macht zu nichte/ So liebet doch mein Hertz/ Das frey von allen Schertz Jn heiſſen Flammen ſteht. Denn lieſt die Liebe man nicht an der Stirne/ So iſt ſie doch im Hertzen und Gehirne. An einem ſo eine Jungfer geſchwaͤngert. Mein Freund er griff zu ſtarck das muntre Pferdgen an/ Der Sachen hat er auch dadurch zu viel gethau; Dem Pferd/ ſo willig iſt/ und das ſich laͤſt beſteigen/ Muß man die ſcharffe Sporn nicht geben/ ſondern zeigen. An ihr Btte. Jhr Federn hoͤrt ihr nicht aus meiner Liebſten Munde Gebrochne Worte gehn/ wenn ſie zur Morgen-Stunde Halb ſchlaffend/ halb erwacht auf ihren Lager ſpricht/ Und dencket ſie im Schlaff an ihrem Tarſis nicht? Als ſie einen Ring am Finger trug. Wie/ traͤgt die Marmor Hand Gold und auch Demant-ſtein/ Da ihre Artigkeit dieſelben uͤberwieget? Doch ſtill! du haſt mein Hertz durch einen Blick beſieget/ Nun ſoll auch meine Treu ſo veſt wie Demant ſeyn. Der auffrichtige Liebhaber. Catull. Epigr. 85. Kein Weib mit Wahrheit ſpricht; ſie ſey ſo ſehr geliebet Als meine Lesbia von mir geliebet iſt/ Nie hat ſich ſolche Treu mit einem Bund gekuͤßt/ Als welche ich bey dir/ mein Leben ausgeuͤbet. Die
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Jch ſchwinde! ich vergeh/
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Jch weiß du liebſt mich auch/
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Die Liebe macht zu nichte/
So liebet doch mein Hertz/
Das frey von allen Schertz
Jn heiſſen Flammen ſteht.
Denn lieſt die Liebe man nicht an der Stirne/
So iſt ſie doch im Hertzen und Gehirne.
An einem ſo eine Jungfer geſchwaͤngert.
Mein Freund er griff zu ſtarck das muntre Pferdgen an/
Der Sachen hat er auch dadurch zu viel gethau;
Dem Pferd/ ſo willig iſt/ und das ſich laͤſt beſteigen/
Muß man die ſcharffe Sporn nicht geben/ ſondern zeigen.
An ihr Btte.
Jhr Federn hoͤrt ihr nicht aus meiner Liebſten Munde
Gebrochne Worte gehn/ wenn ſie zur Morgen-Stunde
Halb ſchlaffend/ halb erwacht auf ihren Lager ſpricht/
Und dencket ſie im Schlaff an ihrem Tarſis nicht?
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Doch ſtill! du haſt mein Hertz durch einen Blick beſieget/
Nun ſoll auch meine Treu ſo veſt wie Demant ſeyn.
Der auffrichtige Liebhaber.
Catull. Epigr. 85.
Kein Weib mit Wahrheit ſpricht; ſie ſey ſo ſehr geliebet
Als meine Lesbia von mir geliebet iſt/
Nie hat ſich ſolche Treu mit einem Bund gekuͤßt/
Als welche ich bey dir/ mein Leben ausgeuͤbet.
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Zitationshilfe: | Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/369>, abgerufen am 22.07.2024. |