Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Verliebte und galante Gedichte. Vor diesen Augen muß ihr güldnes Licht erbleichen/Zwey Sonnen können mehr/ als eine/ kräfftig seyn/ Sie will gantz gern vor euch die hohen Seegel streichen/ Sie ziehet ihren Glantz bey euren Flammen ein. Dort hieß ein Josua die Sonne stille stehen Der Himmel sah es an/ und zürnte nicht darob/ Jch heiß sie nur hinweg nach Thetys Fluhten gehen/ Doch zürnt ihr über mich; ihr eyfert auf eur Lob. Allein/ es bleibet doch der Preiß den schönen Augen/ Die Sonne heisset das/ was ich gesaget/ recht/ Sie spricht: Mein Blitzen kan bey ihrem Strahl nicht taugen/ Bey zweenen Sonnen scheint mein Glantz nur allzuschlecht. Was nützet nun eur Zorn annehmliche Almire? Was hab ich denn geredt/ das straffens-würdig ist? Der edle Tugend-Trieb/ den ich in euch verspühre Macht euch ohn meine Schuld und ohne Fug entrüst. Er zieret euren Geist/ er machet euch vollkommen/ Er wil des Himmels-Pracht gar nicht gemindert sehn/ Er spricht: Der Sonnen wird ihr Schein so nicht benommen Das Auge muß vor ihr/ nicht sie/ zu Gnaden gehn. Allein/ dis machet nicht der Augen - Pracht geringer/ Die Demuht beugt das Recht der holden Augen nicht: Sie bleiben voller Feur und Flammen-reiche Dinger/ Wie sehr hier auch der Trieb der Tugend widerspricht. Kan man bey Sonnen-Schein der Kertzen Brand nicht sehen/ Macht dieses Licht der Welt die schlechten Flammen blind? So kan die Sonn' auch nicht den Augen widerstehen/ Der schöne doppel Glantz den größten Beyfall findt. Die Sonn gesteht es selbst/ daß ich die Warheit rede/ Sie müht sich euren Pracht noch ferner zu erhöhn/ Eur Zürnen schreckt mich nicht! stellt euch nicht allzublöde/ Eur Weigern machet euch noch tausend mahl so schön. Bescheidenheit und Zucht die holde Schönheit küsset/ Kein Hochmuht wird an euch/ galantes Kind/ verspührt/ Und dieses macht/ daß ihr den Lob-Spruch gerne misset/ Der euch vor aller Welt mit allen Recht gebührt. Erweget nun bey euch/ vortreffliche Almire, Ob eur Erzürnen recht und zu beschönen sey? Be- F 5
Verliebte und galante Gedichte. Vor dieſen Augen muß ihr guͤldnes Licht erbleichen/Zwey Sonnen koͤnnen mehr/ als eine/ kraͤfftig ſeyn/ Sie will gantz gern vor euch die hohen Seegel ſtreichen/ Sie ziehet ihren Glantz bey euren Flammen ein. Dort hieß ein Joſua die Sonne ſtille ſtehen Der Himmel ſah es an/ und zuͤrnte nicht darob/ Jch heiß ſie nur hinweg nach Thetys Fluhten gehen/ Doch zuͤrnt ihr uͤber mich; ihr eyfert auf eur Lob. Allein/ es bleibet doch der Preiß den ſchoͤnen Augen/ Die Sonne heiſſet das/ was ich geſaget/ recht/ Sie ſpricht: Mein Blitzen kan bey ihrem Strahl nicht taugen/ Bey zweenen Sonnen ſcheint mein Glantz nur allzuſchlecht. Was nuͤtzet nun eur Zorn annehmliche Almire? Was hab ich denn geredt/ das ſtraffens-wuͤrdig iſt? Der edle Tugend-Trieb/ den ich in euch verſpuͤhre Macht euch ohn meine Schuld und ohne Fug entruͤſt. Er zieret euren Geiſt/ er machet euch vollkommen/ Er wil des Himmels-Pracht gar nicht gemindert ſehn/ Er ſpricht: Der Sonnen wird ihr Schein ſo nicht benommen Das Auge muß vor ihr/ nicht ſie/ zu Gnaden gehn. Allein/ dis machet nicht der Augen - Pracht geringer/ Die Demuht beugt das Recht der holden Augen nicht: Sie bleiben voller Feur und Flammen-reiche Dinger/ Wie ſehr hier auch der Trieb der Tugend widerſpricht. Kan man bey Sonnen-Schein der Kertzen Brand nicht ſehen/ Macht dieſes Licht der Welt die ſchlechten Flammen blind? So kan die Sonn’ auch nicht den Augen widerſtehen/ Der ſchoͤne doppel Glantz den groͤßten Beyfall findt. Die Sonn geſteht es ſelbſt/ daß ich die Warheit rede/ Sie muͤht ſich euren Pracht noch ferner zu erhoͤhn/ Eur Zuͤrnen ſchreckt mich nicht! ſtellt euch nicht allzubloͤde/ Eur Weigern machet euch noch tauſend mahl ſo ſchoͤn. Beſcheidenheit und Zucht die holde Schoͤnheit kuͤſſet/ Kein Hochmuht wird an euch/ galantes Kind/ verſpuͤhrt/ Und dieſes macht/ daß ihr den Lob-Spruch gerne miſſet/ Der euch vor aller Welt mit allen Recht gebuͤhrt. Erweget nun bey euch/ vortreffliche Almire, Ob eur Erzuͤrnen recht und zu beſchoͤnen ſey? Be- F 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0107" n="89"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verliebte und <hi rendition="#aq">galante</hi> Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Vor dieſen Augen muß ihr guͤldnes Licht erbleichen/</l><lb/> <l>Zwey Sonnen koͤnnen mehr/ als eine/ kraͤfftig ſeyn/</l><lb/> <l>Sie will gantz gern vor euch die hohen Seegel ſtreichen/</l><lb/> <l>Sie ziehet ihren Glantz bey euren Flammen ein.</l><lb/> <l>Dort hieß ein <hi rendition="#aq">Joſua</hi> die Sonne ſtille ſtehen</l><lb/> <l>Der Himmel ſah es an/ und zuͤrnte nicht darob/</l><lb/> <l>Jch heiß ſie nur hinweg nach <hi rendition="#aq">Thetys</hi> Fluhten gehen/</l><lb/> <l>Doch zuͤrnt ihr uͤber mich; ihr eyfert auf eur Lob.</l><lb/> <l>Allein/ es bleibet doch der Preiß den ſchoͤnen Augen/</l><lb/> <l>Die Sonne heiſſet das/ was ich geſaget/ recht/</l><lb/> <l>Sie ſpricht: Mein Blitzen kan bey ihrem Strahl nicht taugen/</l><lb/> <l>Bey zweenen Sonnen ſcheint mein Glantz nur allzuſchlecht.</l><lb/> <l>Was nuͤtzet nun eur Zorn annehmliche <hi rendition="#aq">Almire?</hi></l><lb/> <l>Was hab ich denn geredt/ das ſtraffens-wuͤrdig iſt?</l><lb/> <l>Der edle Tugend-Trieb/ den ich in euch verſpuͤhre</l><lb/> <l>Macht euch ohn meine Schuld und ohne Fug entruͤſt.</l><lb/> <l>Er zieret euren Geiſt/ er machet euch vollkommen/</l><lb/> <l>Er wil des Himmels-Pracht gar nicht gemindert ſehn/</l><lb/> <l>Er ſpricht: Der Sonnen wird ihr Schein ſo nicht benommen</l><lb/> <l>Das Auge muß vor ihr/ nicht ſie/ zu Gnaden gehn.</l><lb/> <l>Allein/ dis machet nicht der Augen - Pracht geringer/</l><lb/> <l>Die Demuht beugt das Recht der holden Augen nicht:</l><lb/> <l>Sie bleiben voller Feur und Flammen-reiche Dinger/</l><lb/> <l>Wie ſehr hier auch der Trieb der Tugend widerſpricht.</l><lb/> <l>Kan man bey Sonnen-Schein der Kertzen Brand nicht ſehen/</l><lb/> <l>Macht dieſes Licht der Welt die ſchlechten Flammen blind?</l><lb/> <l>So kan die Sonn’ auch nicht den Augen widerſtehen/</l><lb/> <l>Der ſchoͤne doppel Glantz den groͤßten Beyfall findt.</l><lb/> <l>Die Sonn geſteht es ſelbſt/ daß ich die Warheit rede/</l><lb/> <l>Sie muͤht ſich euren Pracht noch ferner zu erhoͤhn/</l><lb/> <l>Eur Zuͤrnen ſchreckt mich nicht! ſtellt euch nicht allzubloͤde/</l><lb/> <l>Eur Weigern machet euch noch tauſend mahl ſo ſchoͤn.</l><lb/> <l>Beſcheidenheit und Zucht die holde Schoͤnheit kuͤſſet/</l><lb/> <l>Kein Hochmuht wird an euch/ <hi rendition="#aq">galantes</hi> Kind/ verſpuͤhrt/</l><lb/> <l>Und dieſes macht/ daß ihr den Lob-Spruch gerne miſſet/</l><lb/> <l>Der euch vor aller Welt mit allen Recht gebuͤhrt.</l><lb/> <l>Erweget nun bey euch/ vortreffliche <hi rendition="#aq">Almire,</hi></l><lb/> <l>Ob eur Erzuͤrnen recht und zu beſchoͤnen ſey?</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0107]
Verliebte und galante Gedichte.
Vor dieſen Augen muß ihr guͤldnes Licht erbleichen/
Zwey Sonnen koͤnnen mehr/ als eine/ kraͤfftig ſeyn/
Sie will gantz gern vor euch die hohen Seegel ſtreichen/
Sie ziehet ihren Glantz bey euren Flammen ein.
Dort hieß ein Joſua die Sonne ſtille ſtehen
Der Himmel ſah es an/ und zuͤrnte nicht darob/
Jch heiß ſie nur hinweg nach Thetys Fluhten gehen/
Doch zuͤrnt ihr uͤber mich; ihr eyfert auf eur Lob.
Allein/ es bleibet doch der Preiß den ſchoͤnen Augen/
Die Sonne heiſſet das/ was ich geſaget/ recht/
Sie ſpricht: Mein Blitzen kan bey ihrem Strahl nicht taugen/
Bey zweenen Sonnen ſcheint mein Glantz nur allzuſchlecht.
Was nuͤtzet nun eur Zorn annehmliche Almire?
Was hab ich denn geredt/ das ſtraffens-wuͤrdig iſt?
Der edle Tugend-Trieb/ den ich in euch verſpuͤhre
Macht euch ohn meine Schuld und ohne Fug entruͤſt.
Er zieret euren Geiſt/ er machet euch vollkommen/
Er wil des Himmels-Pracht gar nicht gemindert ſehn/
Er ſpricht: Der Sonnen wird ihr Schein ſo nicht benommen
Das Auge muß vor ihr/ nicht ſie/ zu Gnaden gehn.
Allein/ dis machet nicht der Augen - Pracht geringer/
Die Demuht beugt das Recht der holden Augen nicht:
Sie bleiben voller Feur und Flammen-reiche Dinger/
Wie ſehr hier auch der Trieb der Tugend widerſpricht.
Kan man bey Sonnen-Schein der Kertzen Brand nicht ſehen/
Macht dieſes Licht der Welt die ſchlechten Flammen blind?
So kan die Sonn’ auch nicht den Augen widerſtehen/
Der ſchoͤne doppel Glantz den groͤßten Beyfall findt.
Die Sonn geſteht es ſelbſt/ daß ich die Warheit rede/
Sie muͤht ſich euren Pracht noch ferner zu erhoͤhn/
Eur Zuͤrnen ſchreckt mich nicht! ſtellt euch nicht allzubloͤde/
Eur Weigern machet euch noch tauſend mahl ſo ſchoͤn.
Beſcheidenheit und Zucht die holde Schoͤnheit kuͤſſet/
Kein Hochmuht wird an euch/ galantes Kind/ verſpuͤhrt/
Und dieſes macht/ daß ihr den Lob-Spruch gerne miſſet/
Der euch vor aller Welt mit allen Recht gebuͤhrt.
Erweget nun bey euch/ vortreffliche Almire,
Ob eur Erzuͤrnen recht und zu beſchoͤnen ſey?
Be-
F 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |