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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Das Lüde des allen Heeres

beiden durch Abwicklungsstellen derjenigen Friedensformationen, welche erstere
während pes Krieges aufgestellt hatten, ferner durch Abgabe von Behörden und
Einrichtungen des alten Heeres an lebende Verwaltungen oder durch ihre Auf¬
lösung kam Einfachheit und Klarheit in den Abbauapparat. Zugleich brachte mit
dem 1. Oktober 1919 die Stellenbesetzung für das Abwicklmigswesen auch wieder
verantwortungsfreudige, in altbewährter Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit
arbeitende Kräfte an leitende Stellen, freilich nicht, ohne daß die Angestellten¬
schaft vielfach auf das schroffste gegen sie Front machte. Gerade diejenigen
Elemente, welche am wenigsten Anrecht auf Versorgung in den Abwicklungsstellen
hatten, setzten mit einer gehässigen Wühlarbeit gegen ehemalige Offiziere und
Beamte ein und begannen auf dem Wege der Verbandsbildung mehrfach eine
förmliche Kampfansage gegen die ehemaligen Berufssoldaten und Heeresbeamten.
Der Geist der Soldatenräte spukte noch lange weiter. Unterschlagungen und Be¬
trügereien haben auch weiterhin dein Staate Schaden gebracht. Die Einführung
des Betriebsrätegesetzes brachte hierin wenig Besserung. Die führenden Elemente
der Angestellten beschäftigten sich meist mit reiner Interessenvertretung, stifteten
dauernd Unruhe, zogen alles auf das politische Gebiet, gaben sich vielfach mit
häßlichen Denunziationen ab und glaubten in dem bald in Tätigkeit tretenden
sozialistischen Reichsabwicklungskommissar Grzeszinsky ihre Stütze zu sehen. Die
Erlasse desselben deuteten vielfach anfangs auch darauf hin, daß er ihnen ein
allzu williges Ohr lieh; da er aber andererseits ein ebenso williges Ohr für die
Wünsche seiner Partei und des Reichsfuianzministers und für die Befehle des
Herrn Nollet besaß, sah sich die Angestelltenschaft am Ende von ihm in Stich
gelassen und machte scharf gegen ihn Front. Das alles trug zur Förderung der
im Interesse des Volkes so nötigen Abwicklungsarbeiten sicherlich nicht bei; so war
es verständlich, wenn nach Jahresfrist zu einer schärferen Zentralisierung und zu
einer starken Verringerung des Abwicklungswesens geschritten wurde. Der Reichs¬
finanzminister mag dafür das treibende Element gewesen sein; während man die
ehemaligen Offiziere ohne Rücksicht auf ihre Verantwortlichkeit und die Größe
ihres Arbeitsgebietes ebenso wie die Beamten nach dem früheren Dienstgrad mit
Gebührnissen abfand, hatte man den Angestellten in ihren unerhörten Lohn¬
forderungen allzu sehr nachgegeben. Die Folge mußte eine Verringerung dieses
Personals sein.

Am 1. Oktober 1920 wurden die Abwicklungsstellen der Behörden und der
Truppen aufgelöst. Die Reflarbeiten übernahmen je nach ihrer Natur die Ab¬
wicklungsämter der Armeekorps bzw. die Heeresabwicklungsämter der ehemaligen
Bundesstaaten und die Intendanturen. Auf Druck der Entente war bereits seit
1. April 1920 eine völlige EntMilitarisierung eingetreten. Die Offiziere wurden
verabschiedet und als Beamte aus Kündigung angestellt. Die Ententekommissionen
befleißigten sich einer sehr scharfen Überwachung der Abwicklung und wußten
nicht genug zu fragen und zu forschen. Wer mit ihnen zu tun hatte, wird den
Eindruck angstvoller Besorgnisse dieser Leute nicht so leicht vergessen. Deutsche
Volksgenossen haben sich zudem nicht geschämt, die Ententevertreter durch falsche
Angaben scharf zu machen. Trotz der erwähnten weitgehenden Verringerung und
Zusammenfassung der ganzen Abbauorganisation setzte die Entente mit doppelt
scharfem Druck im Herbst 1920 gegen sie ein. Kein Gewehr in den noch nicht


Das Lüde des allen Heeres

beiden durch Abwicklungsstellen derjenigen Friedensformationen, welche erstere
während pes Krieges aufgestellt hatten, ferner durch Abgabe von Behörden und
Einrichtungen des alten Heeres an lebende Verwaltungen oder durch ihre Auf¬
lösung kam Einfachheit und Klarheit in den Abbauapparat. Zugleich brachte mit
dem 1. Oktober 1919 die Stellenbesetzung für das Abwicklmigswesen auch wieder
verantwortungsfreudige, in altbewährter Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit
arbeitende Kräfte an leitende Stellen, freilich nicht, ohne daß die Angestellten¬
schaft vielfach auf das schroffste gegen sie Front machte. Gerade diejenigen
Elemente, welche am wenigsten Anrecht auf Versorgung in den Abwicklungsstellen
hatten, setzten mit einer gehässigen Wühlarbeit gegen ehemalige Offiziere und
Beamte ein und begannen auf dem Wege der Verbandsbildung mehrfach eine
förmliche Kampfansage gegen die ehemaligen Berufssoldaten und Heeresbeamten.
Der Geist der Soldatenräte spukte noch lange weiter. Unterschlagungen und Be¬
trügereien haben auch weiterhin dein Staate Schaden gebracht. Die Einführung
des Betriebsrätegesetzes brachte hierin wenig Besserung. Die führenden Elemente
der Angestellten beschäftigten sich meist mit reiner Interessenvertretung, stifteten
dauernd Unruhe, zogen alles auf das politische Gebiet, gaben sich vielfach mit
häßlichen Denunziationen ab und glaubten in dem bald in Tätigkeit tretenden
sozialistischen Reichsabwicklungskommissar Grzeszinsky ihre Stütze zu sehen. Die
Erlasse desselben deuteten vielfach anfangs auch darauf hin, daß er ihnen ein
allzu williges Ohr lieh; da er aber andererseits ein ebenso williges Ohr für die
Wünsche seiner Partei und des Reichsfuianzministers und für die Befehle des
Herrn Nollet besaß, sah sich die Angestelltenschaft am Ende von ihm in Stich
gelassen und machte scharf gegen ihn Front. Das alles trug zur Förderung der
im Interesse des Volkes so nötigen Abwicklungsarbeiten sicherlich nicht bei; so war
es verständlich, wenn nach Jahresfrist zu einer schärferen Zentralisierung und zu
einer starken Verringerung des Abwicklungswesens geschritten wurde. Der Reichs¬
finanzminister mag dafür das treibende Element gewesen sein; während man die
ehemaligen Offiziere ohne Rücksicht auf ihre Verantwortlichkeit und die Größe
ihres Arbeitsgebietes ebenso wie die Beamten nach dem früheren Dienstgrad mit
Gebührnissen abfand, hatte man den Angestellten in ihren unerhörten Lohn¬
forderungen allzu sehr nachgegeben. Die Folge mußte eine Verringerung dieses
Personals sein.

Am 1. Oktober 1920 wurden die Abwicklungsstellen der Behörden und der
Truppen aufgelöst. Die Reflarbeiten übernahmen je nach ihrer Natur die Ab¬
wicklungsämter der Armeekorps bzw. die Heeresabwicklungsämter der ehemaligen
Bundesstaaten und die Intendanturen. Auf Druck der Entente war bereits seit
1. April 1920 eine völlige EntMilitarisierung eingetreten. Die Offiziere wurden
verabschiedet und als Beamte aus Kündigung angestellt. Die Ententekommissionen
befleißigten sich einer sehr scharfen Überwachung der Abwicklung und wußten
nicht genug zu fragen und zu forschen. Wer mit ihnen zu tun hatte, wird den
Eindruck angstvoller Besorgnisse dieser Leute nicht so leicht vergessen. Deutsche
Volksgenossen haben sich zudem nicht geschämt, die Ententevertreter durch falsche
Angaben scharf zu machen. Trotz der erwähnten weitgehenden Verringerung und
Zusammenfassung der ganzen Abbauorganisation setzte die Entente mit doppelt
scharfem Druck im Herbst 1920 gegen sie ein. Kein Gewehr in den noch nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/85>, abgerufen am 23.12.2024.