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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Dstasien

läßt. Aber das kann auch nicht das Ziel der japanischen Politik sein. Wenn sich
nur die Negierung dieses Volkes den japanischen Interessen anpaßt, und, wo es
der japanischen Regierung nötig erscheint, fügt. Hier arbeitet die japanische Politik
mit anderen, dem Orient eigentümlichen, Mitteln als Rußland und Amerika gegen¬
über. Die staatsrechtliche Herrin der Mandschurei sowohl wie der Mongolei ist
nach wie vor die Pekinger Regierung. Aber das gute Einvernehmen, das Japan
mit den Vertretern der chinesischen Macht sowohl in Mukden wie in Urga her¬
zustellen verstanden hat, beweist, daß die von Japan verfolgte Politik des Zu¬
sammenwirkens mit China unter japanischer Führung, wenigstens in jenem Teil
des chinesischen Reiches und jedenfalls auf dem Gebiet der äußeren Politik er¬
folgreich gewesen ist. Die für die heutigen Zustände charakteristischste Erscheinung
des ostsibirischen MarkteI, der Kampf zwischen Jen und Dollar -- der Rubel hat,
einstweilen jedenfalls, seine Herrscherrolle ausgespielt -- ist vielleicht symbolisch
auch für die gesamte politische Lage jenes Teiles der Welt; und es ist nicht der
amerikanische, sondern der chinesische Dollar, der dem japanischen Mu dort als
Bedeutendster Gegner gegenübersteht.

Man muß nicht glauben, wie es von japanfeindlicher Seite oft dargestellt
wird, daß Japans dortiges Bordringen auf dem Festlande ein rein willkürliches,
nur auf dem Verlangen nach politischer Machtausdehnung beruhendes Unter-,
nehmen sei. Es ist zum großen Teil ein Bedürfnis des japanischen Volkes, ein¬
Bedürfnis, das durch Staatsverträge gerade mit denjenigen, von denen Japan in
dieser Hinsicht am meisten angegriffen zu werden .Pflegt, anerkannt ist.

Das muß sich auch der deutsche Kaufmann und Unternehmer, der wie¬
der ins ostsibirische Geschüft will, vergegenwärtigen. Bisher ist von deutschen Gc-
schäftsanknüpfungen nach dem Kriege wenig bekannt geworden. Das Jahr 1919
schien unter der damals ganz Ostsibirien sichernden japanischen Herrschaft solchen
Geschäftsanknüpfungen günstig zu sein, und der Ruf nach den deutschen Waren,
die früher so beliebt waren, kam auch von Ostsibirien zu uns.

Wenn man auch in und nach dem Kriege das Deutschtum in Russisch?
Sibirien wie im übrigen Rußland zu vertreiben und zu vernichten gestrebt hat,
wir wissen, daß nicht alle Wurzeln des Deutschtums, auch in Ostsibirien nicht,
ausgerottet werden konnten; man braucht nur an das bekannte deutsche Waren¬
haus, das von Wladiwostok ans den ostsibirischen Markt beherrschte, an die dort
unentbehrlich gewordenen deutschen Apotheken und ihre deutschen Waren, an die
deutschen Bauernkolonien in Sibirien und man braucht nur an die vielen deut¬
schen Kriegsgefangenen zu denken, die sich in Sibirien eine neue Existenz oder doch
neue Geschäftsverbindungen geschaffen haben. Nach Zeitungsmcldungen ist be¬
sonders Harbin im Oktober v. I. mit Deutschen überfüllt gewesen, in den dortigen
Geschäften waren schon wieder deutsche Waren zu haben und die Zeitungen hatten
zahlreiche deutsche Geschäftsanzeigen. Viel von dem ehemaligen deutschen Geschüft
ist inzwischen in japanische und amerikanische Hände übergegangen. Der Deutsche
darf nicht übersehen, daß die zwei wichtigsten Vorteile, die er früher im Wett¬
bewerb mit Amerika hatte, heute nicht mehr für ihn bestehen: die längere Kredit¬
gewährung an den sibirischen Käufer, und die billigeren Schiffsfrachten von
Europa, und daß die überseeische Ein- und Ausfuhr heute, sei es über Daircn, sei
es, über Wladiwostok durch japanische Hafen- und Bahnkontrolle geht.


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Wirkungen des Krieges auf Dstasien

läßt. Aber das kann auch nicht das Ziel der japanischen Politik sein. Wenn sich
nur die Negierung dieses Volkes den japanischen Interessen anpaßt, und, wo es
der japanischen Regierung nötig erscheint, fügt. Hier arbeitet die japanische Politik
mit anderen, dem Orient eigentümlichen, Mitteln als Rußland und Amerika gegen¬
über. Die staatsrechtliche Herrin der Mandschurei sowohl wie der Mongolei ist
nach wie vor die Pekinger Regierung. Aber das gute Einvernehmen, das Japan
mit den Vertretern der chinesischen Macht sowohl in Mukden wie in Urga her¬
zustellen verstanden hat, beweist, daß die von Japan verfolgte Politik des Zu¬
sammenwirkens mit China unter japanischer Führung, wenigstens in jenem Teil
des chinesischen Reiches und jedenfalls auf dem Gebiet der äußeren Politik er¬
folgreich gewesen ist. Die für die heutigen Zustände charakteristischste Erscheinung
des ostsibirischen MarkteI, der Kampf zwischen Jen und Dollar — der Rubel hat,
einstweilen jedenfalls, seine Herrscherrolle ausgespielt — ist vielleicht symbolisch
auch für die gesamte politische Lage jenes Teiles der Welt; und es ist nicht der
amerikanische, sondern der chinesische Dollar, der dem japanischen Mu dort als
Bedeutendster Gegner gegenübersteht.

Man muß nicht glauben, wie es von japanfeindlicher Seite oft dargestellt
wird, daß Japans dortiges Bordringen auf dem Festlande ein rein willkürliches,
nur auf dem Verlangen nach politischer Machtausdehnung beruhendes Unter-,
nehmen sei. Es ist zum großen Teil ein Bedürfnis des japanischen Volkes, ein¬
Bedürfnis, das durch Staatsverträge gerade mit denjenigen, von denen Japan in
dieser Hinsicht am meisten angegriffen zu werden .Pflegt, anerkannt ist.

Das muß sich auch der deutsche Kaufmann und Unternehmer, der wie¬
der ins ostsibirische Geschüft will, vergegenwärtigen. Bisher ist von deutschen Gc-
schäftsanknüpfungen nach dem Kriege wenig bekannt geworden. Das Jahr 1919
schien unter der damals ganz Ostsibirien sichernden japanischen Herrschaft solchen
Geschäftsanknüpfungen günstig zu sein, und der Ruf nach den deutschen Waren,
die früher so beliebt waren, kam auch von Ostsibirien zu uns.

Wenn man auch in und nach dem Kriege das Deutschtum in Russisch?
Sibirien wie im übrigen Rußland zu vertreiben und zu vernichten gestrebt hat,
wir wissen, daß nicht alle Wurzeln des Deutschtums, auch in Ostsibirien nicht,
ausgerottet werden konnten; man braucht nur an das bekannte deutsche Waren¬
haus, das von Wladiwostok ans den ostsibirischen Markt beherrschte, an die dort
unentbehrlich gewordenen deutschen Apotheken und ihre deutschen Waren, an die
deutschen Bauernkolonien in Sibirien und man braucht nur an die vielen deut¬
schen Kriegsgefangenen zu denken, die sich in Sibirien eine neue Existenz oder doch
neue Geschäftsverbindungen geschaffen haben. Nach Zeitungsmcldungen ist be¬
sonders Harbin im Oktober v. I. mit Deutschen überfüllt gewesen, in den dortigen
Geschäften waren schon wieder deutsche Waren zu haben und die Zeitungen hatten
zahlreiche deutsche Geschäftsanzeigen. Viel von dem ehemaligen deutschen Geschüft
ist inzwischen in japanische und amerikanische Hände übergegangen. Der Deutsche
darf nicht übersehen, daß die zwei wichtigsten Vorteile, die er früher im Wett¬
bewerb mit Amerika hatte, heute nicht mehr für ihn bestehen: die längere Kredit¬
gewährung an den sibirischen Käufer, und die billigeren Schiffsfrachten von
Europa, und daß die überseeische Ein- und Ausfuhr heute, sei es über Daircn, sei
es, über Wladiwostok durch japanische Hafen- und Bahnkontrolle geht.


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[0049] Wirkungen des Krieges auf Dstasien läßt. Aber das kann auch nicht das Ziel der japanischen Politik sein. Wenn sich nur die Negierung dieses Volkes den japanischen Interessen anpaßt, und, wo es der japanischen Regierung nötig erscheint, fügt. Hier arbeitet die japanische Politik mit anderen, dem Orient eigentümlichen, Mitteln als Rußland und Amerika gegen¬ über. Die staatsrechtliche Herrin der Mandschurei sowohl wie der Mongolei ist nach wie vor die Pekinger Regierung. Aber das gute Einvernehmen, das Japan mit den Vertretern der chinesischen Macht sowohl in Mukden wie in Urga her¬ zustellen verstanden hat, beweist, daß die von Japan verfolgte Politik des Zu¬ sammenwirkens mit China unter japanischer Führung, wenigstens in jenem Teil des chinesischen Reiches und jedenfalls auf dem Gebiet der äußeren Politik er¬ folgreich gewesen ist. Die für die heutigen Zustände charakteristischste Erscheinung des ostsibirischen MarkteI, der Kampf zwischen Jen und Dollar — der Rubel hat, einstweilen jedenfalls, seine Herrscherrolle ausgespielt — ist vielleicht symbolisch auch für die gesamte politische Lage jenes Teiles der Welt; und es ist nicht der amerikanische, sondern der chinesische Dollar, der dem japanischen Mu dort als Bedeutendster Gegner gegenübersteht. Man muß nicht glauben, wie es von japanfeindlicher Seite oft dargestellt wird, daß Japans dortiges Bordringen auf dem Festlande ein rein willkürliches, nur auf dem Verlangen nach politischer Machtausdehnung beruhendes Unter-, nehmen sei. Es ist zum großen Teil ein Bedürfnis des japanischen Volkes, ein¬ Bedürfnis, das durch Staatsverträge gerade mit denjenigen, von denen Japan in dieser Hinsicht am meisten angegriffen zu werden .Pflegt, anerkannt ist. Das muß sich auch der deutsche Kaufmann und Unternehmer, der wie¬ der ins ostsibirische Geschüft will, vergegenwärtigen. Bisher ist von deutschen Gc- schäftsanknüpfungen nach dem Kriege wenig bekannt geworden. Das Jahr 1919 schien unter der damals ganz Ostsibirien sichernden japanischen Herrschaft solchen Geschäftsanknüpfungen günstig zu sein, und der Ruf nach den deutschen Waren, die früher so beliebt waren, kam auch von Ostsibirien zu uns. Wenn man auch in und nach dem Kriege das Deutschtum in Russisch? Sibirien wie im übrigen Rußland zu vertreiben und zu vernichten gestrebt hat, wir wissen, daß nicht alle Wurzeln des Deutschtums, auch in Ostsibirien nicht, ausgerottet werden konnten; man braucht nur an das bekannte deutsche Waren¬ haus, das von Wladiwostok ans den ostsibirischen Markt beherrschte, an die dort unentbehrlich gewordenen deutschen Apotheken und ihre deutschen Waren, an die deutschen Bauernkolonien in Sibirien und man braucht nur an die vielen deut¬ schen Kriegsgefangenen zu denken, die sich in Sibirien eine neue Existenz oder doch neue Geschäftsverbindungen geschaffen haben. Nach Zeitungsmcldungen ist be¬ sonders Harbin im Oktober v. I. mit Deutschen überfüllt gewesen, in den dortigen Geschäften waren schon wieder deutsche Waren zu haben und die Zeitungen hatten zahlreiche deutsche Geschäftsanzeigen. Viel von dem ehemaligen deutschen Geschüft ist inzwischen in japanische und amerikanische Hände übergegangen. Der Deutsche darf nicht übersehen, daß die zwei wichtigsten Vorteile, die er früher im Wett¬ bewerb mit Amerika hatte, heute nicht mehr für ihn bestehen: die längere Kredit¬ gewährung an den sibirischen Käufer, und die billigeren Schiffsfrachten von Europa, und daß die überseeische Ein- und Ausfuhr heute, sei es über Daircn, sei es, über Wladiwostok durch japanische Hafen- und Bahnkontrolle geht. 3*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/49>, abgerufen am 22.12.2024.