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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Das Kartenspiel um Gberschlesion

Daß es im ganzen Abstimmungsgebiet nicht eine einzige Gemeinde gibt,
in der nur polnische Stimmen abgegeben sind, aber eine größere Zahl -- aus
der Karte des Statistischen Landesamtes zähle ich 65, eine Pressenachricht, die
am 24. Juni die amtlichen Abstimmungszahlen der Kreise aus dem "Journal
oüiLisl ete I-laues Lilesis" mitteilt, spricht sogar von 89, -- in denen nicht eine
einzige Hand sich für Polen gerührt hat, das ist ein anderer Ausdruck für die
immer wieder hervortretende Tatsache des Deutfchwillens in Oberschlesien; dieser
deutsche Wille spricht sich auch in der äußerst geringen Beimischung von Polen¬
stimmen in den deutschesten Gegenden und in einer sehr viel größeren Anzahl
von deutsch Abstimmenden in den am meisten polnischen Gebieten aus. Er er¬
scheint endlich wieder darin, daß es zwar drei Kreise gibt, in denen keine einzige
Gemeinde eine polnische Mehrheit zustandegebracht hat, aber keinen einzigen Kreis, in
dem nicht eine ganze Anzahl von Gemeinden mit deutscher Mehrheit vorhanden wären.

^ Nur die Kreise Pleß, Rybnik, und Tarnowitz haben eins deutlich ausge¬
sprochene polnische Mehrheit, -- im Kreise Groß-Strehlitz ist eigentlich nur von
Stimmengleichheit zu sprechen (22415 deutsche und 23036 polnische Stimmen,
49,3 Prozent gegen 50,7 Prozent). Trotzdem ist auch in diesen drei
Kreisen eine erhebliche Anzahl von Orten mit deutschen Mehrheiten vorhanden,
und was das Wichtigste dabei ist, diese Orte fallen in ihrer Stimmensmnme stark
ins Gewicht; in ihnen sitzen sehr beträchtliche Teile der gesamten Stimmen des
Kreises, die 16 Orte des Kreises Rybnik z. B., die in Frage kommen, fassen
11098 deutsche und 5088 polnische Stimmen, also 16186, d. i. ein volles Fünftel
der 80286 Stimmen des ganzen Kreises. In Tarnowitz ist der Anteil noch größer;
dort erreicht er fast ein Viertel (24,5 Prozent) aller Stimmen; in den 8 Orten
mit deutschen Mehrheiten sind 8800 deutsche und 1953 polnische, also 10833
Stimmen vereinigt, denen im ganzen Kreise 44589 Stimmen gegenüberstehen.
Und selbst in Pleß, dem Kreise mit der größten polnischen Mehrheit, dem ein¬
zigen Kreise, in dem sich die polnische Mehrheit auf über 60 Prozent er¬
hebt, sind in 10 Orten noch 11292 Stimmen (7338 deutsche und 3954 polnische)
abgegeben worden, also auch noch fast ein Sechstel (15,7 Prozent) der ge-
gesamten Stimmenzahl des Kreises, die 72046 beträgt.

Stellt man einmal die Kreise mit den kleinsten deutschen Hundertanteilen
von der Sprachenstatistik 1910 neben die mit den kleinsten Hundertteilen bei der
Abstimmung:

Sprache 1910 Abstimmung 1921 Verhältnis
Land Naübor39.7 Prozent Tschechisch
11,9Deutsch59.5 Prozent Deutsch1:5
Pleß13.625,91:1.9
Lublinitz17.653,11:3
Rosenberg17.368.1/,1:3.8
Groß-Strehlitz18,449.31:2.7
Rybnik20,334,81:1.7
Tarnowitz30,131.11:1.1

so entsteht sofort die Frage: Woher dieser auffallende Unterschied bei den einzelnen
Kreisen zwischen ihrem deutschen Hundertteil damals und jetzt? Die letzte Reihe
zeigt, wie er nur in Tarnowitz sich ungefähr gleich geblieben ist, in Pleß und Rybnik


Das Kartenspiel um Gberschlesion

Daß es im ganzen Abstimmungsgebiet nicht eine einzige Gemeinde gibt,
in der nur polnische Stimmen abgegeben sind, aber eine größere Zahl — aus
der Karte des Statistischen Landesamtes zähle ich 65, eine Pressenachricht, die
am 24. Juni die amtlichen Abstimmungszahlen der Kreise aus dem „Journal
oüiLisl ete I-laues Lilesis" mitteilt, spricht sogar von 89, — in denen nicht eine
einzige Hand sich für Polen gerührt hat, das ist ein anderer Ausdruck für die
immer wieder hervortretende Tatsache des Deutfchwillens in Oberschlesien; dieser
deutsche Wille spricht sich auch in der äußerst geringen Beimischung von Polen¬
stimmen in den deutschesten Gegenden und in einer sehr viel größeren Anzahl
von deutsch Abstimmenden in den am meisten polnischen Gebieten aus. Er er¬
scheint endlich wieder darin, daß es zwar drei Kreise gibt, in denen keine einzige
Gemeinde eine polnische Mehrheit zustandegebracht hat, aber keinen einzigen Kreis, in
dem nicht eine ganze Anzahl von Gemeinden mit deutscher Mehrheit vorhanden wären.

^ Nur die Kreise Pleß, Rybnik, und Tarnowitz haben eins deutlich ausge¬
sprochene polnische Mehrheit, — im Kreise Groß-Strehlitz ist eigentlich nur von
Stimmengleichheit zu sprechen (22415 deutsche und 23036 polnische Stimmen,
49,3 Prozent gegen 50,7 Prozent). Trotzdem ist auch in diesen drei
Kreisen eine erhebliche Anzahl von Orten mit deutschen Mehrheiten vorhanden,
und was das Wichtigste dabei ist, diese Orte fallen in ihrer Stimmensmnme stark
ins Gewicht; in ihnen sitzen sehr beträchtliche Teile der gesamten Stimmen des
Kreises, die 16 Orte des Kreises Rybnik z. B., die in Frage kommen, fassen
11098 deutsche und 5088 polnische Stimmen, also 16186, d. i. ein volles Fünftel
der 80286 Stimmen des ganzen Kreises. In Tarnowitz ist der Anteil noch größer;
dort erreicht er fast ein Viertel (24,5 Prozent) aller Stimmen; in den 8 Orten
mit deutschen Mehrheiten sind 8800 deutsche und 1953 polnische, also 10833
Stimmen vereinigt, denen im ganzen Kreise 44589 Stimmen gegenüberstehen.
Und selbst in Pleß, dem Kreise mit der größten polnischen Mehrheit, dem ein¬
zigen Kreise, in dem sich die polnische Mehrheit auf über 60 Prozent er¬
hebt, sind in 10 Orten noch 11292 Stimmen (7338 deutsche und 3954 polnische)
abgegeben worden, also auch noch fast ein Sechstel (15,7 Prozent) der ge-
gesamten Stimmenzahl des Kreises, die 72046 beträgt.

Stellt man einmal die Kreise mit den kleinsten deutschen Hundertanteilen
von der Sprachenstatistik 1910 neben die mit den kleinsten Hundertteilen bei der
Abstimmung:

Sprache 1910 Abstimmung 1921 Verhältnis
Land Naübor39.7 Prozent Tschechisch
11,9Deutsch59.5 Prozent Deutsch1:5
Pleß13.625,91:1.9
Lublinitz17.653,11:3
Rosenberg17.368.1/,1:3.8
Groß-Strehlitz18,449.31:2.7
Rybnik20,334,81:1.7
Tarnowitz30,131.11:1.1

so entsteht sofort die Frage: Woher dieser auffallende Unterschied bei den einzelnen
Kreisen zwischen ihrem deutschen Hundertteil damals und jetzt? Die letzte Reihe
zeigt, wie er nur in Tarnowitz sich ungefähr gleich geblieben ist, in Pleß und Rybnik


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[0038] Das Kartenspiel um Gberschlesion Daß es im ganzen Abstimmungsgebiet nicht eine einzige Gemeinde gibt, in der nur polnische Stimmen abgegeben sind, aber eine größere Zahl — aus der Karte des Statistischen Landesamtes zähle ich 65, eine Pressenachricht, die am 24. Juni die amtlichen Abstimmungszahlen der Kreise aus dem „Journal oüiLisl ete I-laues Lilesis" mitteilt, spricht sogar von 89, — in denen nicht eine einzige Hand sich für Polen gerührt hat, das ist ein anderer Ausdruck für die immer wieder hervortretende Tatsache des Deutfchwillens in Oberschlesien; dieser deutsche Wille spricht sich auch in der äußerst geringen Beimischung von Polen¬ stimmen in den deutschesten Gegenden und in einer sehr viel größeren Anzahl von deutsch Abstimmenden in den am meisten polnischen Gebieten aus. Er er¬ scheint endlich wieder darin, daß es zwar drei Kreise gibt, in denen keine einzige Gemeinde eine polnische Mehrheit zustandegebracht hat, aber keinen einzigen Kreis, in dem nicht eine ganze Anzahl von Gemeinden mit deutscher Mehrheit vorhanden wären. ^ Nur die Kreise Pleß, Rybnik, und Tarnowitz haben eins deutlich ausge¬ sprochene polnische Mehrheit, — im Kreise Groß-Strehlitz ist eigentlich nur von Stimmengleichheit zu sprechen (22415 deutsche und 23036 polnische Stimmen, 49,3 Prozent gegen 50,7 Prozent). Trotzdem ist auch in diesen drei Kreisen eine erhebliche Anzahl von Orten mit deutschen Mehrheiten vorhanden, und was das Wichtigste dabei ist, diese Orte fallen in ihrer Stimmensmnme stark ins Gewicht; in ihnen sitzen sehr beträchtliche Teile der gesamten Stimmen des Kreises, die 16 Orte des Kreises Rybnik z. B., die in Frage kommen, fassen 11098 deutsche und 5088 polnische Stimmen, also 16186, d. i. ein volles Fünftel der 80286 Stimmen des ganzen Kreises. In Tarnowitz ist der Anteil noch größer; dort erreicht er fast ein Viertel (24,5 Prozent) aller Stimmen; in den 8 Orten mit deutschen Mehrheiten sind 8800 deutsche und 1953 polnische, also 10833 Stimmen vereinigt, denen im ganzen Kreise 44589 Stimmen gegenüberstehen. Und selbst in Pleß, dem Kreise mit der größten polnischen Mehrheit, dem ein¬ zigen Kreise, in dem sich die polnische Mehrheit auf über 60 Prozent er¬ hebt, sind in 10 Orten noch 11292 Stimmen (7338 deutsche und 3954 polnische) abgegeben worden, also auch noch fast ein Sechstel (15,7 Prozent) der ge- gesamten Stimmenzahl des Kreises, die 72046 beträgt. Stellt man einmal die Kreise mit den kleinsten deutschen Hundertanteilen von der Sprachenstatistik 1910 neben die mit den kleinsten Hundertteilen bei der Abstimmung: Sprache 1910 Abstimmung 1921 Verhältnis Land Naübor39.7 Prozent Tschechisch 11,9Deutsch59.5 Prozent Deutsch1:5 Pleß13.625,91:1.9 Lublinitz17.653,11:3 Rosenberg17.368.1/,1:3.8 Groß-Strehlitz18,449.31:2.7 Rybnik20,334,81:1.7 Tarnowitz30,131.11:1.1 so entsteht sofort die Frage: Woher dieser auffallende Unterschied bei den einzelnen Kreisen zwischen ihrem deutschen Hundertteil damals und jetzt? Die letzte Reihe zeigt, wie er nur in Tarnowitz sich ungefähr gleich geblieben ist, in Pleß und Rybnik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/38>, abgerufen am 22.12.2024.