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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Frankreichs heißem und unbedingtem Wunsch nach Priorität zu Frankreichs und
der Alliierten eigenem Nachteil (man beachte den Gleichlaut mit den Auslassungen
im "Matin") jedoch zu Deutschlands Vorteil nachzukommen, ist wahrhaft genial.
Rathenau ist bereit, Deutschland in einer Art zahlen zu lassen, die, während es
schwer zahlt und arbeitet, seine Produktionsmittel und seinen Ertrag um ein
Mehrfaches vergrößert und ihm in der Zwischenzeit neue Märkte sichert."
Loucheur sei klug und geschickt, Rathenau jedoch weitblickend. Loucheurs Zuversicht¬
lichkeit, aus der letzten Kampfprobe mit Rathenau gut hervorzugehen, sei erstaunlich.

Immerhin darf man sich ja nicht verhehlen, daß eine zu weitgehende Bin¬
dung an die französischen Bedürfnisse auch ihre Gefahren mit sich bringt, weil
die politischen Grundbedingungen fehlen und noch einmal muß mit allem Nach¬
druck darauf hingewiesen werden, daß eine friedlich mit Frankreich zusammen
betriebene Wiederaufbauleistung großzügig und auf die Dauer nicht möglich sein
wird, wenn Frankreich seine politischen Ziele am Rhein, im Saargebiet und --
in Oberschlesien nicht aufgibt. Dank Herrn Simons ungeschicktem Auftreten
haben sich die Franzosen bei den Wiesbadener Besprechungen jede Erwähnung
Oberschlesiens verbeten, es bleibt aber trotzdem wahr, daß in wirtschaftlicher
Hinsicht sowohl wie aus innerpolitischen Rücksichten die glatte Ausführung des
Wiesbadener Abkommens auf die Dauer nur bei einer günstigen Lösung des
Oberschlesienproblems möglich ist. Diese Feststellung ist nicht, wie die Franzosen
zu meinen vorgeben, ein Erpressungsmanöver, sondern der einfache und schlichte
Ausdruck einer Tatsache.

Die Wendung, die die Behandlung dieses Problems selbst in den Kreisen
des Völkerbundes neuerdings genommen hat, kann leider nicht günstig genannt
werden. Das Ringen um die Entscheidung geht, wie von vornherein angenommen
werden konnte, hinter den Kulissen in verstärktem Maße weiter. Die Drohung
Frankreichs, durch Austritt den Völkerbund zu sprengen, eine Drohung, die es
kaum wirklich ausführen könnte, ist von England mit dem Hinweis darauf beant¬
wortet worden, daß auf der Washingtoner Konferenz bei einer gelegentlich der
Rüstungsbeschränkungsdebatte zur Sprache kommenden Erörterung des Petroleum¬
abkommens von San Remo leicht Frankreichs Anteil an der Ausbeute weitere
Beschneidung erleiden könnte, Frankreichs Bestehen auf einstimmigen Beschlüssen
durch weitere Verschiebung und andere Gruppierung der Berichterstatter. Immer¬
hin ist durch diese Übertragung der Verantwortlichkeit auf die Vertreter von vier
Mächten (Belgiens, Brasiliens, China, Spaniens) zugleich und durch die be¬
schlossene Geheimhaltung der Verhandlungen erreicht, daß nicht mehr aus eine
einzelne Macht von selten der beiden streitenden Parteien ein Druck ausgeübt werden
kann und daß die Verantwortlichkeit sozusagen verwischt wird. Als ein heldenhaftes
Eintreten sür das Recht, das die Idealisten aller Völker vom Völkerbund erwarteten,
kann ein solches Verfahren natürlich nicht gerade bezeichnet werden, vielmehr muß
der Bund durch das mit all diesen Manövern verbundene weitere Hinauszögern
der Entscheidung immer mehr an Autorität einbüßen. Trotzdem wird, Westminster
Gazette zufolge, schon ein weiterer Aufschub ins Auge gefaßt: die Verweisung
vom Völkerbund an den internationalen Gerichtshof, falls der von Frankreich
verlangte einstimmige Beschluß nicht erzielt werden könne. Bedauerlicherweise
wird i'n jüngster Zeit die Lösung noch dadurch kompliziert, daß man, wie aus
einer Äußerung des Daily Telegraph geschlossen werden kann, die Oberschlesien"
Angelegenheit mit Deutschlands Zulassung zum Völkerbund zu verquicken sucht.
Die Zulassung Deutschlands, so schreibt das Blatt, hänge in nicht geringem
Maße von der Art und Weise ab, in der es in Genf für sich eintreten werde.
Wenn der deutsche Vertreter in Genf eine chauvinistische oder unnachgiebige
Haltung einnehmen sollte, würde die Zulassung Deutschlands wahrscheinlich einen
Aufschub erfahren. Dies sagt man uns in einem Augenblick, in dem Frankreich
in durchaus und eingestandenermaßen eigennützigen Interesse hervorstehende Ent¬
scheidungen des Völkerbundes offen bekämpft und in dem innerhalb des Völker-
bundes noch keine Stimme sich gegen die nach den Satzungen des Bundes un-


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Frankreichs heißem und unbedingtem Wunsch nach Priorität zu Frankreichs und
der Alliierten eigenem Nachteil (man beachte den Gleichlaut mit den Auslassungen
im „Matin") jedoch zu Deutschlands Vorteil nachzukommen, ist wahrhaft genial.
Rathenau ist bereit, Deutschland in einer Art zahlen zu lassen, die, während es
schwer zahlt und arbeitet, seine Produktionsmittel und seinen Ertrag um ein
Mehrfaches vergrößert und ihm in der Zwischenzeit neue Märkte sichert."
Loucheur sei klug und geschickt, Rathenau jedoch weitblickend. Loucheurs Zuversicht¬
lichkeit, aus der letzten Kampfprobe mit Rathenau gut hervorzugehen, sei erstaunlich.

Immerhin darf man sich ja nicht verhehlen, daß eine zu weitgehende Bin¬
dung an die französischen Bedürfnisse auch ihre Gefahren mit sich bringt, weil
die politischen Grundbedingungen fehlen und noch einmal muß mit allem Nach¬
druck darauf hingewiesen werden, daß eine friedlich mit Frankreich zusammen
betriebene Wiederaufbauleistung großzügig und auf die Dauer nicht möglich sein
wird, wenn Frankreich seine politischen Ziele am Rhein, im Saargebiet und —
in Oberschlesien nicht aufgibt. Dank Herrn Simons ungeschicktem Auftreten
haben sich die Franzosen bei den Wiesbadener Besprechungen jede Erwähnung
Oberschlesiens verbeten, es bleibt aber trotzdem wahr, daß in wirtschaftlicher
Hinsicht sowohl wie aus innerpolitischen Rücksichten die glatte Ausführung des
Wiesbadener Abkommens auf die Dauer nur bei einer günstigen Lösung des
Oberschlesienproblems möglich ist. Diese Feststellung ist nicht, wie die Franzosen
zu meinen vorgeben, ein Erpressungsmanöver, sondern der einfache und schlichte
Ausdruck einer Tatsache.

Die Wendung, die die Behandlung dieses Problems selbst in den Kreisen
des Völkerbundes neuerdings genommen hat, kann leider nicht günstig genannt
werden. Das Ringen um die Entscheidung geht, wie von vornherein angenommen
werden konnte, hinter den Kulissen in verstärktem Maße weiter. Die Drohung
Frankreichs, durch Austritt den Völkerbund zu sprengen, eine Drohung, die es
kaum wirklich ausführen könnte, ist von England mit dem Hinweis darauf beant¬
wortet worden, daß auf der Washingtoner Konferenz bei einer gelegentlich der
Rüstungsbeschränkungsdebatte zur Sprache kommenden Erörterung des Petroleum¬
abkommens von San Remo leicht Frankreichs Anteil an der Ausbeute weitere
Beschneidung erleiden könnte, Frankreichs Bestehen auf einstimmigen Beschlüssen
durch weitere Verschiebung und andere Gruppierung der Berichterstatter. Immer¬
hin ist durch diese Übertragung der Verantwortlichkeit auf die Vertreter von vier
Mächten (Belgiens, Brasiliens, China, Spaniens) zugleich und durch die be¬
schlossene Geheimhaltung der Verhandlungen erreicht, daß nicht mehr aus eine
einzelne Macht von selten der beiden streitenden Parteien ein Druck ausgeübt werden
kann und daß die Verantwortlichkeit sozusagen verwischt wird. Als ein heldenhaftes
Eintreten sür das Recht, das die Idealisten aller Völker vom Völkerbund erwarteten,
kann ein solches Verfahren natürlich nicht gerade bezeichnet werden, vielmehr muß
der Bund durch das mit all diesen Manövern verbundene weitere Hinauszögern
der Entscheidung immer mehr an Autorität einbüßen. Trotzdem wird, Westminster
Gazette zufolge, schon ein weiterer Aufschub ins Auge gefaßt: die Verweisung
vom Völkerbund an den internationalen Gerichtshof, falls der von Frankreich
verlangte einstimmige Beschluß nicht erzielt werden könne. Bedauerlicherweise
wird i'n jüngster Zeit die Lösung noch dadurch kompliziert, daß man, wie aus
einer Äußerung des Daily Telegraph geschlossen werden kann, die Oberschlesien»
Angelegenheit mit Deutschlands Zulassung zum Völkerbund zu verquicken sucht.
Die Zulassung Deutschlands, so schreibt das Blatt, hänge in nicht geringem
Maße von der Art und Weise ab, in der es in Genf für sich eintreten werde.
Wenn der deutsche Vertreter in Genf eine chauvinistische oder unnachgiebige
Haltung einnehmen sollte, würde die Zulassung Deutschlands wahrscheinlich einen
Aufschub erfahren. Dies sagt man uns in einem Augenblick, in dem Frankreich
in durchaus und eingestandenermaßen eigennützigen Interesse hervorstehende Ent¬
scheidungen des Völkerbundes offen bekämpft und in dem innerhalb des Völker-
bundes noch keine Stimme sich gegen die nach den Satzungen des Bundes un-


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[0329] lveltspicgel Frankreichs heißem und unbedingtem Wunsch nach Priorität zu Frankreichs und der Alliierten eigenem Nachteil (man beachte den Gleichlaut mit den Auslassungen im „Matin") jedoch zu Deutschlands Vorteil nachzukommen, ist wahrhaft genial. Rathenau ist bereit, Deutschland in einer Art zahlen zu lassen, die, während es schwer zahlt und arbeitet, seine Produktionsmittel und seinen Ertrag um ein Mehrfaches vergrößert und ihm in der Zwischenzeit neue Märkte sichert." Loucheur sei klug und geschickt, Rathenau jedoch weitblickend. Loucheurs Zuversicht¬ lichkeit, aus der letzten Kampfprobe mit Rathenau gut hervorzugehen, sei erstaunlich. Immerhin darf man sich ja nicht verhehlen, daß eine zu weitgehende Bin¬ dung an die französischen Bedürfnisse auch ihre Gefahren mit sich bringt, weil die politischen Grundbedingungen fehlen und noch einmal muß mit allem Nach¬ druck darauf hingewiesen werden, daß eine friedlich mit Frankreich zusammen betriebene Wiederaufbauleistung großzügig und auf die Dauer nicht möglich sein wird, wenn Frankreich seine politischen Ziele am Rhein, im Saargebiet und — in Oberschlesien nicht aufgibt. Dank Herrn Simons ungeschicktem Auftreten haben sich die Franzosen bei den Wiesbadener Besprechungen jede Erwähnung Oberschlesiens verbeten, es bleibt aber trotzdem wahr, daß in wirtschaftlicher Hinsicht sowohl wie aus innerpolitischen Rücksichten die glatte Ausführung des Wiesbadener Abkommens auf die Dauer nur bei einer günstigen Lösung des Oberschlesienproblems möglich ist. Diese Feststellung ist nicht, wie die Franzosen zu meinen vorgeben, ein Erpressungsmanöver, sondern der einfache und schlichte Ausdruck einer Tatsache. Die Wendung, die die Behandlung dieses Problems selbst in den Kreisen des Völkerbundes neuerdings genommen hat, kann leider nicht günstig genannt werden. Das Ringen um die Entscheidung geht, wie von vornherein angenommen werden konnte, hinter den Kulissen in verstärktem Maße weiter. Die Drohung Frankreichs, durch Austritt den Völkerbund zu sprengen, eine Drohung, die es kaum wirklich ausführen könnte, ist von England mit dem Hinweis darauf beant¬ wortet worden, daß auf der Washingtoner Konferenz bei einer gelegentlich der Rüstungsbeschränkungsdebatte zur Sprache kommenden Erörterung des Petroleum¬ abkommens von San Remo leicht Frankreichs Anteil an der Ausbeute weitere Beschneidung erleiden könnte, Frankreichs Bestehen auf einstimmigen Beschlüssen durch weitere Verschiebung und andere Gruppierung der Berichterstatter. Immer¬ hin ist durch diese Übertragung der Verantwortlichkeit auf die Vertreter von vier Mächten (Belgiens, Brasiliens, China, Spaniens) zugleich und durch die be¬ schlossene Geheimhaltung der Verhandlungen erreicht, daß nicht mehr aus eine einzelne Macht von selten der beiden streitenden Parteien ein Druck ausgeübt werden kann und daß die Verantwortlichkeit sozusagen verwischt wird. Als ein heldenhaftes Eintreten sür das Recht, das die Idealisten aller Völker vom Völkerbund erwarteten, kann ein solches Verfahren natürlich nicht gerade bezeichnet werden, vielmehr muß der Bund durch das mit all diesen Manövern verbundene weitere Hinauszögern der Entscheidung immer mehr an Autorität einbüßen. Trotzdem wird, Westminster Gazette zufolge, schon ein weiterer Aufschub ins Auge gefaßt: die Verweisung vom Völkerbund an den internationalen Gerichtshof, falls der von Frankreich verlangte einstimmige Beschluß nicht erzielt werden könne. Bedauerlicherweise wird i'n jüngster Zeit die Lösung noch dadurch kompliziert, daß man, wie aus einer Äußerung des Daily Telegraph geschlossen werden kann, die Oberschlesien» Angelegenheit mit Deutschlands Zulassung zum Völkerbund zu verquicken sucht. Die Zulassung Deutschlands, so schreibt das Blatt, hänge in nicht geringem Maße von der Art und Weise ab, in der es in Genf für sich eintreten werde. Wenn der deutsche Vertreter in Genf eine chauvinistische oder unnachgiebige Haltung einnehmen sollte, würde die Zulassung Deutschlands wahrscheinlich einen Aufschub erfahren. Dies sagt man uns in einem Augenblick, in dem Frankreich in durchaus und eingestandenermaßen eigennützigen Interesse hervorstehende Ent¬ scheidungen des Völkerbundes offen bekämpft und in dem innerhalb des Völker- bundes noch keine Stimme sich gegen die nach den Satzungen des Bundes un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/329>, abgerufen am 24.07.2024.