Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Altes und neues Heer

notwendige Einfluß des Offizierkorps fordern das, die sittliche Stärke hat, einen
festgefügten Bau aufzuführen. Ob das Opfer seiner Eigentümlichkeit
mit Nutzen erfolgt ist.

Von diesen drei Daten ab gewöhnen sich Offizierkorps und einzelne Offiziere
wie im großen nun auch im kleinen daran, Kompromisse einzugehen: in der
Haltung zur Republik, politisch, militärisch, moralisch und dienstlich -- und Schritt für
Schritt nachzugeben, eine Taktik, die anfangs für den alten Offizier etwas Fremdes
und Widernatürliches ist. Aber es wird zur Gewohnheit. Der gefährlichste Feind
der deutschen Wiedergeburt und der Regeneration des deutschen Offizierkorps im
Sinne der Überlieferung ist das Gewöhnen an das Verurteilenswerte am
Neuen, das langsame, unbewußte Hinübergleiten und die damit verbundene
Charakterlosigkeit, die gerade für einen Führer von Soldaten und den
Organisator eines so konservativen Wesens, wie das einer Wehrmacht, ver¬
hängnisvoll ist. Die ernsteste Gefahr des Ofstzierkorps ist nicht die sozialistische
und kommunistische Ideologie, sondern die demokratische. Die Demokratie
wird das kaiserliche Offizierkorps zugrunde richten, denn auch demokratische
Motive waren es, aus denen heraus sich das Ofstzierkorps der Republik zur Ver¬
fügung gestellt hat.

Die Tragik liegt darin, daß der Offizier glaubte und glaubt, aus Vater¬
landsliebe so handeln zu müssen, und damit den Untergang seines Standes
heraufbeschwört, der mit der Erhaltung seiner Eigenart, im guten und schlechten,
steht und fällt.

Mit der Revolution, der Mitarbeit in der Unterdrückung der Spartakus¬
unruhen und mit Versailles verliert der Offizier aber auch die Basis und klare
Linie für eine eigene Politik, deren subjektive Triebkraft die Liebe zum Vaterland
war, dessen Größe mit der des Offizierkorps in engster Wechselbeziehung stand.
Mit dem Ende der geistigen Einheitlichkeit des großen deutschen Offizierkorps
büßt es jeden politischen Einfluß und die Macht, die es im andern Fall -- auch
nicht im Militärdienst stehend -- in Deutschland gehabt hätte, ein.

Die Militärpolitik des Krieges ist an den Motiven gescheitert -- die nach der
Revolution an der Uneinigkeit ihrer Träger. Die Reichswehr kann daher in ihrer
Gesamtheit keine militärpolitische Macht darstellen.

Ein Teil des alten Ofstzierkorps, in einem der wichtigsten Punkte -- der
geistigen Disziplin und Geschlossenheit -- also nicht mehr das alte -- übernimmt,
zum größten Teil von selbstloser Vaterlandsliebe und dem Glauben, am Ausdauer
helfen zu müssen, getrieben, die undankbare, mühselige, viel innere Konflikte
bringende Reichswehrbildung.




Altes und neues Heer

notwendige Einfluß des Offizierkorps fordern das, die sittliche Stärke hat, einen
festgefügten Bau aufzuführen. Ob das Opfer seiner Eigentümlichkeit
mit Nutzen erfolgt ist.

Von diesen drei Daten ab gewöhnen sich Offizierkorps und einzelne Offiziere
wie im großen nun auch im kleinen daran, Kompromisse einzugehen: in der
Haltung zur Republik, politisch, militärisch, moralisch und dienstlich — und Schritt für
Schritt nachzugeben, eine Taktik, die anfangs für den alten Offizier etwas Fremdes
und Widernatürliches ist. Aber es wird zur Gewohnheit. Der gefährlichste Feind
der deutschen Wiedergeburt und der Regeneration des deutschen Offizierkorps im
Sinne der Überlieferung ist das Gewöhnen an das Verurteilenswerte am
Neuen, das langsame, unbewußte Hinübergleiten und die damit verbundene
Charakterlosigkeit, die gerade für einen Führer von Soldaten und den
Organisator eines so konservativen Wesens, wie das einer Wehrmacht, ver¬
hängnisvoll ist. Die ernsteste Gefahr des Ofstzierkorps ist nicht die sozialistische
und kommunistische Ideologie, sondern die demokratische. Die Demokratie
wird das kaiserliche Offizierkorps zugrunde richten, denn auch demokratische
Motive waren es, aus denen heraus sich das Ofstzierkorps der Republik zur Ver¬
fügung gestellt hat.

Die Tragik liegt darin, daß der Offizier glaubte und glaubt, aus Vater¬
landsliebe so handeln zu müssen, und damit den Untergang seines Standes
heraufbeschwört, der mit der Erhaltung seiner Eigenart, im guten und schlechten,
steht und fällt.

Mit der Revolution, der Mitarbeit in der Unterdrückung der Spartakus¬
unruhen und mit Versailles verliert der Offizier aber auch die Basis und klare
Linie für eine eigene Politik, deren subjektive Triebkraft die Liebe zum Vaterland
war, dessen Größe mit der des Offizierkorps in engster Wechselbeziehung stand.
Mit dem Ende der geistigen Einheitlichkeit des großen deutschen Offizierkorps
büßt es jeden politischen Einfluß und die Macht, die es im andern Fall — auch
nicht im Militärdienst stehend — in Deutschland gehabt hätte, ein.

Die Militärpolitik des Krieges ist an den Motiven gescheitert — die nach der
Revolution an der Uneinigkeit ihrer Träger. Die Reichswehr kann daher in ihrer
Gesamtheit keine militärpolitische Macht darstellen.

Ein Teil des alten Ofstzierkorps, in einem der wichtigsten Punkte — der
geistigen Disziplin und Geschlossenheit — also nicht mehr das alte — übernimmt,
zum größten Teil von selbstloser Vaterlandsliebe und dem Glauben, am Ausdauer
helfen zu müssen, getrieben, die undankbare, mühselige, viel innere Konflikte
bringende Reichswehrbildung.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339475"/>
            <fw type="header" place="top"> Altes und neues Heer</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1379" prev="#ID_1378"> notwendige Einfluß des Offizierkorps fordern das, die sittliche Stärke hat, einen<lb/>
festgefügten Bau aufzuführen. Ob das Opfer seiner Eigentümlichkeit<lb/>
mit Nutzen erfolgt ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1380"> Von diesen drei Daten ab gewöhnen sich Offizierkorps und einzelne Offiziere<lb/>
wie im großen nun auch im kleinen daran, Kompromisse einzugehen: in der<lb/>
Haltung zur Republik, politisch, militärisch, moralisch und dienstlich &#x2014; und Schritt für<lb/>
Schritt nachzugeben, eine Taktik, die anfangs für den alten Offizier etwas Fremdes<lb/>
und Widernatürliches ist. Aber es wird zur Gewohnheit. Der gefährlichste Feind<lb/>
der deutschen Wiedergeburt und der Regeneration des deutschen Offizierkorps im<lb/>
Sinne der Überlieferung ist das Gewöhnen an das Verurteilenswerte am<lb/>
Neuen, das langsame, unbewußte Hinübergleiten und die damit verbundene<lb/>
Charakterlosigkeit, die gerade für einen Führer von Soldaten und den<lb/>
Organisator eines so konservativen Wesens, wie das einer Wehrmacht, ver¬<lb/>
hängnisvoll ist. Die ernsteste Gefahr des Ofstzierkorps ist nicht die sozialistische<lb/>
und kommunistische Ideologie, sondern die demokratische. Die Demokratie<lb/>
wird das kaiserliche Offizierkorps zugrunde richten, denn auch demokratische<lb/>
Motive waren es, aus denen heraus sich das Ofstzierkorps der Republik zur Ver¬<lb/>
fügung gestellt hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1381"> Die Tragik liegt darin, daß der Offizier glaubte und glaubt, aus Vater¬<lb/>
landsliebe so handeln zu müssen, und damit den Untergang seines Standes<lb/>
heraufbeschwört, der mit der Erhaltung seiner Eigenart, im guten und schlechten,<lb/>
steht und fällt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1382"> Mit der Revolution, der Mitarbeit in der Unterdrückung der Spartakus¬<lb/>
unruhen und mit Versailles verliert der Offizier aber auch die Basis und klare<lb/>
Linie für eine eigene Politik, deren subjektive Triebkraft die Liebe zum Vaterland<lb/>
war, dessen Größe mit der des Offizierkorps in engster Wechselbeziehung stand.<lb/>
Mit dem Ende der geistigen Einheitlichkeit des großen deutschen Offizierkorps<lb/>
büßt es jeden politischen Einfluß und die Macht, die es im andern Fall &#x2014; auch<lb/>
nicht im Militärdienst stehend &#x2014; in Deutschland gehabt hätte, ein.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1383"> Die Militärpolitik des Krieges ist an den Motiven gescheitert &#x2014; die nach der<lb/>
Revolution an der Uneinigkeit ihrer Träger. Die Reichswehr kann daher in ihrer<lb/>
Gesamtheit keine militärpolitische Macht darstellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1384"> Ein Teil des alten Ofstzierkorps, in einem der wichtigsten Punkte &#x2014; der<lb/>
geistigen Disziplin und Geschlossenheit &#x2014; also nicht mehr das alte &#x2014; übernimmt,<lb/>
zum größten Teil von selbstloser Vaterlandsliebe und dem Glauben, am Ausdauer<lb/>
helfen zu müssen, getrieben, die undankbare, mühselige, viel innere Konflikte<lb/>
bringende Reichswehrbildung.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0326] Altes und neues Heer notwendige Einfluß des Offizierkorps fordern das, die sittliche Stärke hat, einen festgefügten Bau aufzuführen. Ob das Opfer seiner Eigentümlichkeit mit Nutzen erfolgt ist. Von diesen drei Daten ab gewöhnen sich Offizierkorps und einzelne Offiziere wie im großen nun auch im kleinen daran, Kompromisse einzugehen: in der Haltung zur Republik, politisch, militärisch, moralisch und dienstlich — und Schritt für Schritt nachzugeben, eine Taktik, die anfangs für den alten Offizier etwas Fremdes und Widernatürliches ist. Aber es wird zur Gewohnheit. Der gefährlichste Feind der deutschen Wiedergeburt und der Regeneration des deutschen Offizierkorps im Sinne der Überlieferung ist das Gewöhnen an das Verurteilenswerte am Neuen, das langsame, unbewußte Hinübergleiten und die damit verbundene Charakterlosigkeit, die gerade für einen Führer von Soldaten und den Organisator eines so konservativen Wesens, wie das einer Wehrmacht, ver¬ hängnisvoll ist. Die ernsteste Gefahr des Ofstzierkorps ist nicht die sozialistische und kommunistische Ideologie, sondern die demokratische. Die Demokratie wird das kaiserliche Offizierkorps zugrunde richten, denn auch demokratische Motive waren es, aus denen heraus sich das Ofstzierkorps der Republik zur Ver¬ fügung gestellt hat. Die Tragik liegt darin, daß der Offizier glaubte und glaubt, aus Vater¬ landsliebe so handeln zu müssen, und damit den Untergang seines Standes heraufbeschwört, der mit der Erhaltung seiner Eigenart, im guten und schlechten, steht und fällt. Mit der Revolution, der Mitarbeit in der Unterdrückung der Spartakus¬ unruhen und mit Versailles verliert der Offizier aber auch die Basis und klare Linie für eine eigene Politik, deren subjektive Triebkraft die Liebe zum Vaterland war, dessen Größe mit der des Offizierkorps in engster Wechselbeziehung stand. Mit dem Ende der geistigen Einheitlichkeit des großen deutschen Offizierkorps büßt es jeden politischen Einfluß und die Macht, die es im andern Fall — auch nicht im Militärdienst stehend — in Deutschland gehabt hätte, ein. Die Militärpolitik des Krieges ist an den Motiven gescheitert — die nach der Revolution an der Uneinigkeit ihrer Träger. Die Reichswehr kann daher in ihrer Gesamtheit keine militärpolitische Macht darstellen. Ein Teil des alten Ofstzierkorps, in einem der wichtigsten Punkte — der geistigen Disziplin und Geschlossenheit — also nicht mehr das alte — übernimmt, zum größten Teil von selbstloser Vaterlandsliebe und dem Glauben, am Ausdauer helfen zu müssen, getrieben, die undankbare, mühselige, viel innere Konflikte bringende Reichswehrbildung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/326
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/326>, abgerufen am 22.12.2024.