Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Altes und neues Heer unterwegs, um rechtzeitig von beabsichtigten Spartakistenputschen Nachricht zu Ich bin Frau M., einem buckligen, scharfäugigen, alten Frauchen, die als Der Soldat tut seine Pflicht auf jedem Posten. Doch lieber stehe ich vor Die verhältnismäßig unblutig verlaufene Novemberrevolution spornte die Die neue Regierung war kein Hindernis, wohl aber die Macht, welche die Dem ersten im Januar erfolgten Ansturm der Linksradikalen folgten nun, Altes und neues Heer unterwegs, um rechtzeitig von beabsichtigten Spartakistenputschen Nachricht zu Ich bin Frau M., einem buckligen, scharfäugigen, alten Frauchen, die als Der Soldat tut seine Pflicht auf jedem Posten. Doch lieber stehe ich vor Die verhältnismäßig unblutig verlaufene Novemberrevolution spornte die Die neue Regierung war kein Hindernis, wohl aber die Macht, welche die Dem ersten im Januar erfolgten Ansturm der Linksradikalen folgten nun, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339377"/> <fw type="header" place="top"> Altes und neues Heer</fw><lb/> <p xml:id="ID_875" prev="#ID_874"> unterwegs, um rechtzeitig von beabsichtigten Spartakistenputschen Nachricht zu<lb/> geben. Wir brauchen das angesichts unserer geringen Stärke notwendig. Die<lb/> üblen — besonders für den Offizier, der mit offenem Visier zu kämpfen gewohnt<lb/> ist — verabscheuungswürdigen Nebenerscheinungen und nicht zu vermeidenden<lb/> Übertreibungen des Spitzeltums, müssen in Kauf genommen werden. Wir können<lb/> das um so eher, als der Nachrichtendienst durch rechtzeitiges Aufdecken der Pläne<lb/> und Festsetzen der Spartakistenführer Putsche und Blutvergießen verhindert.</p><lb/> <p xml:id="ID_876"> Ich bin Frau M., einem buckligen, scharfäugigen, alten Frauchen, die als<lb/> Agentin wirkt, zugeteilt. Da sie angibt, Rosa Luxemburg sei nicht tot, führt sie<lb/> uns im Auto Tag und Nacht in andere Stadtteile Berlins. Ich glaube, daß sie<lb/> — von Spartakus bezahlt — uns systematisch in die Irre führt. Seit zehn<lb/> Tagen bin ich nicht aus den Kleidern gekommen und habe jede Nacht höchstens<lb/> drei Stunden geschlafen. Einmal auf der Suche nach „unabhängigen" Führern<lb/> im Hotel Adlon, das andere Mal auf der „Eichhorn"fährte als Matrose in einer<lb/> Kaschemme. Oder ich blieb, auf der „Radeck"suche — der übrigens täglich<lb/> Kleidung, Maske und Perücke wechselt — des nachts frierend im Auto als<lb/> Schofför. Und eines nachts lief ich gar bis zum Morgen die Friedrichstraße auf<lb/> und ab. Auch Zeitungsverkäufer war ich, und kleine Hunde und Zigaretten hielt<lb/> ich am Potsdamer Bahnhof feil.</p><lb/> <p xml:id="ID_877"> Der Soldat tut seine Pflicht auf jedem Posten. Doch lieber stehe ich vor<lb/> der Front und freue mich über die frischen Leute, die treu an ihren Führern<lb/> hängen. Wir sind eben Feldoffiziere und Feldsoldaten. Daß wir unsere ver¬<lb/> dammte Pflicht und Schuldigkeit in der Sorge um unsere Leute taten, das hat<lb/> zum Erfolg: Wir gelten als die beste, als die disziplinierteste Truppe in Berlin ...</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_878"> Die verhältnismäßig unblutig verlaufene Novemberrevolution spornte die<lb/> radikalen Sozialisten an, den angesammelten Haß gegen die Träger der alten<lb/> Ordnung sich in Taten austoben zu lassen, und zum andern — nachdem sie am<lb/> 9. November die Widerstandslosigkeit des Bürgertums geselzen hatten — die<lb/> DMtur des Proletariats zu errichten.</p><lb/> <p xml:id="ID_879"> Die neue Regierung war kein Hindernis, wohl aber die Macht, welche die<lb/> Revolutionsregierung zu ihrem Schutz gerufen hatte: heimgekehrte Fronttruppen»<lb/> teile. Deren Bekämpfung mußte schnell geschehen, ehe sich in ihnen das Bürgertum<lb/> organisiert hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt, das heißt bis zur Organisierung der<lb/> Freikorps und Einwohnerwehren, wäre es dem vereinten Proletariat zweifellos<lb/> gelungen, die Diktatur zu errichten. Da aber nur Spartakisten und Unabhängige<lb/> Sturm liefen, mißlang der Versuch. In diesem Augenblick war eine Militär¬<lb/> diktatur möglich, aber es fand sich kein General, der den Mut dazu hatte. Eine<lb/> Militärdiktatur wäre voraussichtlich gescheitert, wenn sie nicht imstande gewesen<lb/> wäre, positive Außenpolitik zu treiben. Hingegen wäre die Diktatur des Prole¬<lb/> tariats innerlich zugrunde gegangen, weil der radikale Sozialismus nicht genügend<lb/> „aufbauende" Führer hatte und die Gegenrevolution — vom Lande — siegreich<lb/> bleiben mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_880" next="#ID_881"> Dem ersten im Januar erfolgten Ansturm der Linksradikalen folgten nun,<lb/> die Bildung der Freikorps und der Einwohnerwehren störend und fördernd.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
Altes und neues Heer
unterwegs, um rechtzeitig von beabsichtigten Spartakistenputschen Nachricht zu
geben. Wir brauchen das angesichts unserer geringen Stärke notwendig. Die
üblen — besonders für den Offizier, der mit offenem Visier zu kämpfen gewohnt
ist — verabscheuungswürdigen Nebenerscheinungen und nicht zu vermeidenden
Übertreibungen des Spitzeltums, müssen in Kauf genommen werden. Wir können
das um so eher, als der Nachrichtendienst durch rechtzeitiges Aufdecken der Pläne
und Festsetzen der Spartakistenführer Putsche und Blutvergießen verhindert.
Ich bin Frau M., einem buckligen, scharfäugigen, alten Frauchen, die als
Agentin wirkt, zugeteilt. Da sie angibt, Rosa Luxemburg sei nicht tot, führt sie
uns im Auto Tag und Nacht in andere Stadtteile Berlins. Ich glaube, daß sie
— von Spartakus bezahlt — uns systematisch in die Irre führt. Seit zehn
Tagen bin ich nicht aus den Kleidern gekommen und habe jede Nacht höchstens
drei Stunden geschlafen. Einmal auf der Suche nach „unabhängigen" Führern
im Hotel Adlon, das andere Mal auf der „Eichhorn"fährte als Matrose in einer
Kaschemme. Oder ich blieb, auf der „Radeck"suche — der übrigens täglich
Kleidung, Maske und Perücke wechselt — des nachts frierend im Auto als
Schofför. Und eines nachts lief ich gar bis zum Morgen die Friedrichstraße auf
und ab. Auch Zeitungsverkäufer war ich, und kleine Hunde und Zigaretten hielt
ich am Potsdamer Bahnhof feil.
Der Soldat tut seine Pflicht auf jedem Posten. Doch lieber stehe ich vor
der Front und freue mich über die frischen Leute, die treu an ihren Führern
hängen. Wir sind eben Feldoffiziere und Feldsoldaten. Daß wir unsere ver¬
dammte Pflicht und Schuldigkeit in der Sorge um unsere Leute taten, das hat
zum Erfolg: Wir gelten als die beste, als die disziplinierteste Truppe in Berlin ...
Die verhältnismäßig unblutig verlaufene Novemberrevolution spornte die
radikalen Sozialisten an, den angesammelten Haß gegen die Träger der alten
Ordnung sich in Taten austoben zu lassen, und zum andern — nachdem sie am
9. November die Widerstandslosigkeit des Bürgertums geselzen hatten — die
DMtur des Proletariats zu errichten.
Die neue Regierung war kein Hindernis, wohl aber die Macht, welche die
Revolutionsregierung zu ihrem Schutz gerufen hatte: heimgekehrte Fronttruppen»
teile. Deren Bekämpfung mußte schnell geschehen, ehe sich in ihnen das Bürgertum
organisiert hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt, das heißt bis zur Organisierung der
Freikorps und Einwohnerwehren, wäre es dem vereinten Proletariat zweifellos
gelungen, die Diktatur zu errichten. Da aber nur Spartakisten und Unabhängige
Sturm liefen, mißlang der Versuch. In diesem Augenblick war eine Militär¬
diktatur möglich, aber es fand sich kein General, der den Mut dazu hatte. Eine
Militärdiktatur wäre voraussichtlich gescheitert, wenn sie nicht imstande gewesen
wäre, positive Außenpolitik zu treiben. Hingegen wäre die Diktatur des Prole¬
tariats innerlich zugrunde gegangen, weil der radikale Sozialismus nicht genügend
„aufbauende" Führer hatte und die Gegenrevolution — vom Lande — siegreich
bleiben mußte.
Dem ersten im Januar erfolgten Ansturm der Linksradikalen folgten nun,
die Bildung der Freikorps und der Einwohnerwehren störend und fördernd.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |