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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Das angebliche Bnndniscmgebot Englands von ^SY5

Mitteln können. Bethmanns Innenleben kann in seiner ungreifbaren, lauen
Unentschiedenheit den Historiker zur Verzweiflung bringen, wie es Mitarbeiter
vom Schlage Bülows oder Tirpitz' zur Verzweiflung gebracht hat.

Bei jedem deutschen Sieg wurde Wien wieder störrisch, bei jeder österreichi¬
schen Niederlage wurde es zur Abwechslung ein wenig weicher. Dastempu5 utile
zum Abschluß mit Italien ging dabei verloren,, obwohl sich Bülow die Finger
wuudschrieb. Die Consulta hatte selbstverständlich den Österreichern niemals zu¬
getraut, daß sie sich gern und aufrichtig zu Kompensationen verstünden.- Aus¬
schlaggebend war aber einzig und allein, daß Sonnino in dem lahmen Hin- und
Her von Dezember 1914 bis März 1915 auch das Vertrauen zu Deutschlands
Kraft und gutem Willen aufgab. Bülow, der Botschafter, verlor den Feldzug,
den Bülow der Kanzler vielleicht glatter als manchen anderen gewonnen
haben würde.

Die von Spickernagel veröffentlichten Schwcinitzschen Papiere halten man¬
ches Wort fest, das damals die Lage erleuchtete. Am 1. März verzeichnet Schwci-
uitz das römische Urteil: "ü Vienne mi est bete et a Lsrlin on est luible." Ich
erinnere mich Wohl, mit welchem Mitleid deutschfreundliche Italiener die Nutz¬
losigkeit aller unserer Siege infolge unserer erbärmlichen Reichsleitung schon da¬
mals feststellten. Ein einziger großer diplomatischer Erfolg Bethmanns (und
er hätte ihn sich ja von Bülow arrangieren lassen können), und das Vertrauen
Italiens auf unsern Sieg, damit auch Italiens wohlwollende Neutralität war
uns sicher. Aber schon am 25. Januar meldet Schweinitz, nachdem er, wie so
häufig, das Hin- und Herschwanken Bethmanns zwischen Bülow einerseits, den
Herren Jagow und Flotow anderseits beklagt hat: "Dringen wir in Wien
nicht bis zur hiesigen Kammereröffnung durch, ist das italienische Kabinett der
Kriegspartei ausgeliefert. Die hierfür Verantwortlicher Hütten den Verlust des
Krieges auf dem Gewissen."




Das angebliche Vündnisangebot Englands von ^8Y5
Richard Fester ( von

u den Überraschungen, die Hermann von Eckardstein in seinen "Lebens-
erinnerungen" gebracht hat, gehört nicht an letzter Stelle die Mit¬
teilung, daß Lord Salisbury Kaiser Wilhelm II. anläßlich seiner
Teilnahme an der Regatta in Cowes um eine Audienz gebeten
und am 8. August 1895 an Bord der Hohenzollern dem Kaiser
eine Teilung der Türkei zwischen England, Deutschland und Osterreich vor¬
geschlagen habe.") Eckardstein erzählt, der Kaiser habe dem englischen Premier¬
minister seine Verstimmung über Salisbmys unverschuldete Verspätung in ver¬
letzender Form zu erkennen gegeben, was nicht ohne Folgen für die allgemeinen
deutsch-englischen Beziehungen geblieben sei.

Im Oktoberheft (1920) der "Deutschen Rundschau" und in einem Aufsatze
über englische Vündnispolitik im Februarheft (1921) der "Westmark" hatte ich



*) H. Oncken (Das alte und das neue Mitteleuropa Seite 66 fg.) hatte schon 10!,?
darüber eine kurze Mitteilung gebracht, die aber weniger beachtet wurde, weil er das Aus¬
wärtige Amt als seine Quelle nicht nennen durfte.
Das angebliche Bnndniscmgebot Englands von ^SY5

Mitteln können. Bethmanns Innenleben kann in seiner ungreifbaren, lauen
Unentschiedenheit den Historiker zur Verzweiflung bringen, wie es Mitarbeiter
vom Schlage Bülows oder Tirpitz' zur Verzweiflung gebracht hat.

Bei jedem deutschen Sieg wurde Wien wieder störrisch, bei jeder österreichi¬
schen Niederlage wurde es zur Abwechslung ein wenig weicher. Dastempu5 utile
zum Abschluß mit Italien ging dabei verloren,, obwohl sich Bülow die Finger
wuudschrieb. Die Consulta hatte selbstverständlich den Österreichern niemals zu¬
getraut, daß sie sich gern und aufrichtig zu Kompensationen verstünden.- Aus¬
schlaggebend war aber einzig und allein, daß Sonnino in dem lahmen Hin- und
Her von Dezember 1914 bis März 1915 auch das Vertrauen zu Deutschlands
Kraft und gutem Willen aufgab. Bülow, der Botschafter, verlor den Feldzug,
den Bülow der Kanzler vielleicht glatter als manchen anderen gewonnen
haben würde.

Die von Spickernagel veröffentlichten Schwcinitzschen Papiere halten man¬
ches Wort fest, das damals die Lage erleuchtete. Am 1. März verzeichnet Schwci-
uitz das römische Urteil: „ü Vienne mi est bete et a Lsrlin on est luible." Ich
erinnere mich Wohl, mit welchem Mitleid deutschfreundliche Italiener die Nutz¬
losigkeit aller unserer Siege infolge unserer erbärmlichen Reichsleitung schon da¬
mals feststellten. Ein einziger großer diplomatischer Erfolg Bethmanns (und
er hätte ihn sich ja von Bülow arrangieren lassen können), und das Vertrauen
Italiens auf unsern Sieg, damit auch Italiens wohlwollende Neutralität war
uns sicher. Aber schon am 25. Januar meldet Schweinitz, nachdem er, wie so
häufig, das Hin- und Herschwanken Bethmanns zwischen Bülow einerseits, den
Herren Jagow und Flotow anderseits beklagt hat: „Dringen wir in Wien
nicht bis zur hiesigen Kammereröffnung durch, ist das italienische Kabinett der
Kriegspartei ausgeliefert. Die hierfür Verantwortlicher Hütten den Verlust des
Krieges auf dem Gewissen."




Das angebliche Vündnisangebot Englands von ^8Y5
Richard Fester ( von

u den Überraschungen, die Hermann von Eckardstein in seinen „Lebens-
erinnerungen" gebracht hat, gehört nicht an letzter Stelle die Mit¬
teilung, daß Lord Salisbury Kaiser Wilhelm II. anläßlich seiner
Teilnahme an der Regatta in Cowes um eine Audienz gebeten
und am 8. August 1895 an Bord der Hohenzollern dem Kaiser
eine Teilung der Türkei zwischen England, Deutschland und Osterreich vor¬
geschlagen habe.") Eckardstein erzählt, der Kaiser habe dem englischen Premier¬
minister seine Verstimmung über Salisbmys unverschuldete Verspätung in ver¬
letzender Form zu erkennen gegeben, was nicht ohne Folgen für die allgemeinen
deutsch-englischen Beziehungen geblieben sei.

Im Oktoberheft (1920) der „Deutschen Rundschau" und in einem Aufsatze
über englische Vündnispolitik im Februarheft (1921) der „Westmark" hatte ich



*) H. Oncken (Das alte und das neue Mitteleuropa Seite 66 fg.) hatte schon 10!,?
darüber eine kurze Mitteilung gebracht, die aber weniger beachtet wurde, weil er das Aus¬
wärtige Amt als seine Quelle nicht nennen durfte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/185>, abgerufen am 22.12.2024.