Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Bülow in Rom britischen Macht, für die peinliche Empfindlichkeit jeder österreichischen Balkan¬ Italien hat, das ist heute allgemein zugegeben, den Drcibundvcrtrag dem Dies war das eine diplomatische Faktum, das jede deutsche Politik be-, Da wir im Juli Österreich zu einer Machtverschiebung auf dem Balkan be¬ Nach dein Versagen der Wilhelmstraße und Flotows im Juli und August v. Tirpitz, Erinnerungen Kap. 16.
Bülow in Rom britischen Macht, für die peinliche Empfindlichkeit jeder österreichischen Balkan¬ Italien hat, das ist heute allgemein zugegeben, den Drcibundvcrtrag dem Dies war das eine diplomatische Faktum, das jede deutsche Politik be-, Da wir im Juli Österreich zu einer Machtverschiebung auf dem Balkan be¬ Nach dein Versagen der Wilhelmstraße und Flotows im Juli und August v. Tirpitz, Erinnerungen Kap. 16.
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Bülow in Rom
britischen Macht, für die peinliche Empfindlichkeit jeder österreichischen Balkan¬
politik usw. besaß Bethmann nicht. Dafür verließ er sich auf die Fingerspitzen
des Staatssekretärs v. Jagow, früheren Botschafters in Rom, der als Specialist
ans der Bülowschule galt. Die in den Jahren 1912 bis 1914 verbesserten Be¬
ziehungen zu England und Italien machten Jagow und Bethmann sicher bis
zur Fahrlässigkeit und unbewußten Tollkühnheit. Wie sie ihre englische Politik
von 1912 bis in den August 1914 auf vage Sentimentalitäten ohne Gefühl für
Interessen und Machtverhältnisse gründeten, hat Tirpitz in seinen „Erinnerun¬
gen" geschildert, die hente noch immer^ die einzige geschichtlich brauchbare Dar¬
stellung der deutsch-englischen Beziehungen vor dem Kriege sind. Das genaue
Gegenstück dazu ist die Jtalienpolitik Bethmanns und Jagows, deren Schwäche
an dem römischen Botschafter Flotow so wenig ein Korrektiv finden konnte,
wie an dem Londoner Lichnowsky. ,
Italien hat, das ist heute allgemein zugegeben, den Drcibundvcrtrag dem
Buchstaben nach nicht gebrochen, sondern Bethmann ihn, ohne es unbegreiflicher-
weise zu bemerken, entwertet. Nach K 7 des Dreibundvertragcs garantierten
sich die Verbündeten den solus c>ne> auf dem Balkan und verpflichteten sich,
den Verbündeten vor jeder Aktion in Kenntnis zu setzen, ferner bei etwa ein¬
tretenden Machtvcrschiebungen dem anderen Teil eine entsprechende Kompensation
zu gewähren.
Dies war das eine diplomatische Faktum, das jede deutsche Politik be-,
achten mußte. Der zweite Angelpunkt war die rein defensive Natur des Dreibuird-
vertrages. Nur zur Hilfe in Verteidigungskriegen, nicht in Angriffskriegen
waren die Bundesgenossen verpflichtet. Es widersprach deshalb dem Dreibuud
nicht, daß Italien durch Prinetti nach der Art des Bismarckschen Rückvcrsichc-
rungsvertrages ein Geheimabkommen mit Frankreich geschlossen hatte, wonach
es sich verpflichtete, an keinem Angriffskrieg gegen Frankreich teilzunehmen.
Da wir im Juli Österreich zu einer Machtverschiebung auf dem Balkan be¬
hilflich waren, ohne Italien zu benachrichtigen und ihm Kompensationen anzu¬
bieten, da Bethmann ferner unbegreiflicherweise trotz Tirpitz' Warnung") Frank¬
reich formell den Krieg erklärte und unsern Verteidigungskrieg damit der Form
nach zum Angriffskrieg stempelte, so war Italien den Verträgen nach berechtigt,
neutral zu bleiben. Den: deutschen Volk die angebliche Treulosigkeit Italiens
mit sittlicher Entrüstung vorznmaleu, gab den Dilettanten der Wilhelmstraße zwar
die Möglichkeit, ihre eigenen Fehler zu verschleiern, war aber nicht nur ungerecht,
sondern Log auch die Aufmerksamkeit von der Hauptfrage ab. Denn es blieben
Vom August 1914 bis.zum März 1915 noch sieben Monath während deren der
schwere Fehler, welcher bei der Eröffnung der serbischen Aktion begangen worden
war, noch einmal ausgeglichen und das vom Wiener Hochmut freilich unter¬
schätzte, damals aber tatsächlich für Deutschlands Schicksal ausschlaggebende Ge¬
wicht Italiens von der Berührung mit der feindlichen Wagschale zurückgehalten
werden konnte.
Nach dein Versagen der Wilhelmstraße und Flotows im Juli und August
rief jeder Einsichtige nach Bülow, von dein bekannt war, daß er sich niemals
den, Vaterland entzöge, wenn er gerufen würde. Aber dieser Ruf drang nur
v. Tirpitz, Erinnerungen Kap. 16.
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