Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.!pas kann uns helfen? Damals mochte ein Leibniz schwanken, ob er Deutscher bleiben solle, denn Fran¬ 4. Vaterlandsliebe? Hier ist nach so vielen zweifelhaften oder negativen Größen das einzig" Die neue Vaterlandsliebe sucht noch nach Formen. Die Orgesch war mehr Es hat keinen Sinn, auf rasche Wendungen zu hoffen. Aber gerade im !pas kann uns helfen? Damals mochte ein Leibniz schwanken, ob er Deutscher bleiben solle, denn Fran¬ 4. Vaterlandsliebe? Hier ist nach so vielen zweifelhaften oder negativen Größen das einzig« Die neue Vaterlandsliebe sucht noch nach Formen. Die Orgesch war mehr Es hat keinen Sinn, auf rasche Wendungen zu hoffen. Aber gerade im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339295"/> <fw type="header" place="top"> !pas kann uns helfen?</fw><lb/> <p xml:id="ID_501" prev="#ID_500"> Damals mochte ein Leibniz schwanken, ob er Deutscher bleiben solle, denn Fran¬<lb/> zosen und Engländer waren uns w>le an Machit, so auch an Kultur, Wissenschaft,<lb/> Lebensstil weit.überlegen. Politische Verkümmerung, staatliches Elend, wirtschaft¬<lb/> liche Armut ist nun zwar keineswegs, wie manche Geschichtstheoretiker wähnen><lb/> ein besonders günstiger Nährboden für Kultur. Unsere kulturelle Blüte von der<lb/> Mitte des 18. Jahrhunderts ab steht in tiefem Zusammenhang mit unserem da-<lb/> - maligen politischen Aufstieg. Aber unsere spätere kulturelle Entwicklung ist durch<lb/> die vorübergehende Welle des Materialismus so wenig geknickt wie durch unser<lb/> jetziges nationales Unglück. Es bleibt auf diesem Gebiete vieles zu hoffen, nur<lb/> keine unmittelbare und greifbare Bildung von Autorität.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> 4. Vaterlandsliebe?</head><lb/> <p xml:id="ID_502"> Hier ist nach so vielen zweifelhaften oder negativen Größen das einzig«<lb/> Gewisse. Die Franzosen haben den gemeinen Mann im Rheinland schon viel<lb/> besser erzogen, als sie selber ahnen. Ihre Brutalität illud iyire Verführungs¬<lb/> künste wirken in der gleichen Richtung. Aus Osterreich weht ein Frühlingswind<lb/> herüber. Die Bayern haben gezeigt, was ein kerndeutscher Stamm im allgemeinen<lb/> Elend vermag. Der gesunde Teil unserer Jugend (und der erkrankte stirbt an sich<lb/> selbst) wird innerlich immer freier, je en^er äußere Ketten sie umschnüren. Die<lb/> deutsche Frau sieht vielfach das Einfache, Wichtige schärfer, fühlt Ursprüngliches<lb/> stärker, als der parteiversticrte Mann. Herzliche Eintracht ist nicht überall, doch<lb/> häufiger, als noch vor zwei Jahren zu spüren und wird auch die aus der kom¬<lb/> menden großen Not, Preiskämpfer, Aufreizung zu neuem Bürgerkrieg drohen¬<lb/> den Anfechtungen überwinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_503"> Die neue Vaterlandsliebe sucht noch nach Formen. Die Orgesch war mehr<lb/> ein Nachklang der alten, stolzen Zeit; ihre Formen können nicht in das vielleicht,<lb/> lange Dunkel unserer Sklavenexistenz herübergenommen werden. Aber so wie sich<lb/> an die prächtige Gestalt des Forstrath Escherich mit raschem, durchdringenden<lb/> Instinkt alles Zukunftskräftige anzuschließen bereit war, wird auch für andere,<lb/> zeitgemäßere Formen der richtige Führer auch die rechten Gefolgen finden. Denn<lb/> die Herzen.sind bereit, sich anzuzünden. Unsere Lage ist freilich von der der Iren<lb/> und Inder verschieden, unsere Volksart auch. Vor 110 Jahren hat Napoleon wohl¬<lb/> gefällig bemerkt, die Deutschen hätten gar keine Anlagen zu einem.spanischen<lb/> Guerillakrieg; dazu wären sie zu stumpf, zu kalt, zu eisig. Die heutigen Fran¬<lb/> zosen passen mißtrauischer auf; trotzdem werden auch sie keine Anlage zum<lb/> Guerillakrieg bei uus entdecken. Denn die haben wir nicht. Trotzdem werden wir<lb/> bei den unterdrückten Völkern lernen. Opfermut wird sich regen; ohne ihn kommt<lb/> keine Wiedergeburt.</p><lb/> <p xml:id="ID_504" next="#ID_505"> Es hat keinen Sinn, auf rasche Wendungen zu hoffen. Aber gerade im<lb/> chronischen Verlauf unseres Unglücks liegt die Bürgschaft der Genesung. Es<lb/> gibt Krankheiten, gegen die der Körper keine abgestimmten, spezifischen Gegen¬<lb/> kräfte entwickeln kann. So können auch wir den Feind nicht mit denselben Me¬<lb/> thoden bekämpfen, die er gegen uns anwendet, oder mit den Methoden, die uns<lb/> frühere Krankheiten überstehen ließen. Aber wir werden Zeit haben, neue Me¬<lb/> thoden zu finden. Oder besser: sie werden uns finden. Die Hauptsache ist, daß,<lb/> der Körper arbeitet. Wenn er keine direkten Gegengifte erzeugen kann, aber sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0146]
!pas kann uns helfen?
Damals mochte ein Leibniz schwanken, ob er Deutscher bleiben solle, denn Fran¬
zosen und Engländer waren uns w>le an Machit, so auch an Kultur, Wissenschaft,
Lebensstil weit.überlegen. Politische Verkümmerung, staatliches Elend, wirtschaft¬
liche Armut ist nun zwar keineswegs, wie manche Geschichtstheoretiker wähnen>
ein besonders günstiger Nährboden für Kultur. Unsere kulturelle Blüte von der
Mitte des 18. Jahrhunderts ab steht in tiefem Zusammenhang mit unserem da-
- maligen politischen Aufstieg. Aber unsere spätere kulturelle Entwicklung ist durch
die vorübergehende Welle des Materialismus so wenig geknickt wie durch unser
jetziges nationales Unglück. Es bleibt auf diesem Gebiete vieles zu hoffen, nur
keine unmittelbare und greifbare Bildung von Autorität.
4. Vaterlandsliebe?
Hier ist nach so vielen zweifelhaften oder negativen Größen das einzig«
Gewisse. Die Franzosen haben den gemeinen Mann im Rheinland schon viel
besser erzogen, als sie selber ahnen. Ihre Brutalität illud iyire Verführungs¬
künste wirken in der gleichen Richtung. Aus Osterreich weht ein Frühlingswind
herüber. Die Bayern haben gezeigt, was ein kerndeutscher Stamm im allgemeinen
Elend vermag. Der gesunde Teil unserer Jugend (und der erkrankte stirbt an sich
selbst) wird innerlich immer freier, je en^er äußere Ketten sie umschnüren. Die
deutsche Frau sieht vielfach das Einfache, Wichtige schärfer, fühlt Ursprüngliches
stärker, als der parteiversticrte Mann. Herzliche Eintracht ist nicht überall, doch
häufiger, als noch vor zwei Jahren zu spüren und wird auch die aus der kom¬
menden großen Not, Preiskämpfer, Aufreizung zu neuem Bürgerkrieg drohen¬
den Anfechtungen überwinden.
Die neue Vaterlandsliebe sucht noch nach Formen. Die Orgesch war mehr
ein Nachklang der alten, stolzen Zeit; ihre Formen können nicht in das vielleicht,
lange Dunkel unserer Sklavenexistenz herübergenommen werden. Aber so wie sich
an die prächtige Gestalt des Forstrath Escherich mit raschem, durchdringenden
Instinkt alles Zukunftskräftige anzuschließen bereit war, wird auch für andere,
zeitgemäßere Formen der richtige Führer auch die rechten Gefolgen finden. Denn
die Herzen.sind bereit, sich anzuzünden. Unsere Lage ist freilich von der der Iren
und Inder verschieden, unsere Volksart auch. Vor 110 Jahren hat Napoleon wohl¬
gefällig bemerkt, die Deutschen hätten gar keine Anlagen zu einem.spanischen
Guerillakrieg; dazu wären sie zu stumpf, zu kalt, zu eisig. Die heutigen Fran¬
zosen passen mißtrauischer auf; trotzdem werden auch sie keine Anlage zum
Guerillakrieg bei uus entdecken. Denn die haben wir nicht. Trotzdem werden wir
bei den unterdrückten Völkern lernen. Opfermut wird sich regen; ohne ihn kommt
keine Wiedergeburt.
Es hat keinen Sinn, auf rasche Wendungen zu hoffen. Aber gerade im
chronischen Verlauf unseres Unglücks liegt die Bürgschaft der Genesung. Es
gibt Krankheiten, gegen die der Körper keine abgestimmten, spezifischen Gegen¬
kräfte entwickeln kann. So können auch wir den Feind nicht mit denselben Me¬
thoden bekämpfen, die er gegen uns anwendet, oder mit den Methoden, die uns
frühere Krankheiten überstehen ließen. Aber wir werden Zeit haben, neue Me¬
thoden zu finden. Oder besser: sie werden uns finden. Die Hauptsache ist, daß,
der Körper arbeitet. Wenn er keine direkten Gegengifte erzeugen kann, aber sich
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |