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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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hat, leisten läßt, das Mittel also dem angeblichen Zweck hinderlich ist.
Aber wie die Dinge augenblicklich liegen, trifft selbst diese Verteidigung Briands
nicht mehr zu. Die Lage hat sich geändert oder vielmehr: sie ist akut geworden.
Es ist an dieser Stelle immer wieder davor gewarnt worden, allzu sehr auf die
Hilfe Englands zu bauen, das letzten Endes noch größere und dringlichere Sorgen
hat als die verminderte deutsche Kaufkraft, und es wurde immer wieder betont,
daß England, um nicht Frankreich Amerika in die Arme zu treiben und aus
gänzlicher Ohnmacht zu Lande gar nicht die Möglichkeit habe, allzu energisch
gegen Frankreich vorzugehen oder etwa Deutschland zu schützen. Der Konferenz¬
vorschlag des Präsidenten Harding hat diese Konstellation wie mit einem Schein¬
werferlicht erhellt.

Der Vorschlag selbst stellt den ersten Versuch der Amerikaner dar, das eng¬
lische Völkerbundprojekt zu diskreditieren, durch ein amerikanisches zu verdrängen,
die englische Welthegemonie durch eine amerikanische zu ersetzen. Nicht mehr
England lädt ein, sondern Amerika, nicht in Genf tagt diese Konferenz, sondern
in Washington. Um der Sache einen Namen zu geben, spricht man von Ab¬
rüstung. Abrüsiungsvorschläge deuten immer darauf hin, daß man sich noch
nicht gerüstet genug fühlt. Natürlich möchte man in Amerika einen neuen Krieg
vermeiden, eistens weil man sich von dem Schrecken über die Folgen des Welt"
krieges auch für Amerika einstweilen noch nicht erholt hat, zweitens weil man
dos Band, das sich zwischen England und Japan so deutlich zu lockern beginnt,
nicht durch kriegerisches oder imperialistisches Austreten weiter verstärken möchte.
Aber das wußte man auch in Amerika, daß eine derartige Konferenz die Probleme
des Stillen Ozeans unmöglich unberührt lassen könnte. Aber lud man zu der
Abrüfimivskvnfennz zur classe die "hauptsächlichen alliierten und assoziierten Mächte
ein, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan (Deutschland, obgleich in
praktischen Abrüstungsfragen die einzig sachverständige Macht, wurde leider nicht
geladen!) und stellte gleichzeitig anheim, daß die am Pazifik besonders inter¬
essierten Mächte, die man vorerst nicht nannte, sich einschließlich Chinas in Ver¬
bindung mit dieser Konferenz über die Probleme des Fernen Ostens verständigten.
Sofort ließ Lloyd George die Angelegenheit des englisch-japanischen Bündnisses
in der Schwebe und schlug vor, zunächst zwischen England, Japan und den
Vereinigten Staaten eine Vorkonferenz abzuhalten. Die Absicht dabei konnte
keine andere sein, als die, aus dieser Vorkonferenz durch Vermittlung zwischen den
beiden Gegnern, Amerika und Japan, möglichst große Vorteile zu ziehen, sich
Japan unentbehrlich zu machen, China zu Sortieren, Amerika zu helfen, Groß-
britcmicns Bedeutung in das hellste Licht zu rücken. Wie ernst den Engländern
dieser Versuch war, geht unter anderem ans der ungewöhnlich heftigen Repressalie
der Regierung gegen einen tapsigen und in diesem Falle wirklich unpolitischen Angriff
der "Times", der von der gesamten englischen Öffentlichkeit mißbilligt wird, hervor.
Aber sogleich erhob Frankreich seine Stimme und behauptete, am Pazifik ebenfalls
maßgebend interessiert zu sein und seine Ausschaltung nicht dulden zu können, ja
es brachte seinen kleinen Bruder, Belgien, gleichfalls als angeblichen Interessierten
mit und sah es, um die Sache recht babylonisch zu gestalten, nicht ungern, daß
auch Holland sich zum Wort meldete. Weniger gern hörte man von den Ab-
rüstnngsvorschlägen. Mit Posaunen und Trompeten wies man auf die deutschen
Revanchegelüste, machte zwischendurch den Versuch, den amerikanisch-englisch¬
französischen Garantievertrag wieder aufs Tapet zu bringen -- man konnte ja
nicht wissen, vielleicht gelang es diesmal, die Sache durchzudrücken, -- betonte
aber dennoch, daß bei den deutschen Nevanchegelüsten (siehe oben), wo doch
Hindenburg dies und der Admiral von Trotha erst kürzlich jenes, wo doch das
Kabinett Wirth ... und der Minister Schiffer.....an eine Abrüstung von
Seiten Frankreichs auch bei Zustandekommen des Garantievertrages nicht gedacht
werden könnte. Und daß überhaupt diese natürlich sehr edel gedachte Konferenz,
die man selbstverständlich mit Vergnügen beschicken werde, wenig Zweck hatte, daß aber
in Pazifikfragen Frankreich sich nicht, wie die eigennützigen Engländer wünschten


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hat, leisten läßt, das Mittel also dem angeblichen Zweck hinderlich ist.
Aber wie die Dinge augenblicklich liegen, trifft selbst diese Verteidigung Briands
nicht mehr zu. Die Lage hat sich geändert oder vielmehr: sie ist akut geworden.
Es ist an dieser Stelle immer wieder davor gewarnt worden, allzu sehr auf die
Hilfe Englands zu bauen, das letzten Endes noch größere und dringlichere Sorgen
hat als die verminderte deutsche Kaufkraft, und es wurde immer wieder betont,
daß England, um nicht Frankreich Amerika in die Arme zu treiben und aus
gänzlicher Ohnmacht zu Lande gar nicht die Möglichkeit habe, allzu energisch
gegen Frankreich vorzugehen oder etwa Deutschland zu schützen. Der Konferenz¬
vorschlag des Präsidenten Harding hat diese Konstellation wie mit einem Schein¬
werferlicht erhellt.

Der Vorschlag selbst stellt den ersten Versuch der Amerikaner dar, das eng¬
lische Völkerbundprojekt zu diskreditieren, durch ein amerikanisches zu verdrängen,
die englische Welthegemonie durch eine amerikanische zu ersetzen. Nicht mehr
England lädt ein, sondern Amerika, nicht in Genf tagt diese Konferenz, sondern
in Washington. Um der Sache einen Namen zu geben, spricht man von Ab¬
rüstung. Abrüsiungsvorschläge deuten immer darauf hin, daß man sich noch
nicht gerüstet genug fühlt. Natürlich möchte man in Amerika einen neuen Krieg
vermeiden, eistens weil man sich von dem Schrecken über die Folgen des Welt»
krieges auch für Amerika einstweilen noch nicht erholt hat, zweitens weil man
dos Band, das sich zwischen England und Japan so deutlich zu lockern beginnt,
nicht durch kriegerisches oder imperialistisches Austreten weiter verstärken möchte.
Aber das wußte man auch in Amerika, daß eine derartige Konferenz die Probleme
des Stillen Ozeans unmöglich unberührt lassen könnte. Aber lud man zu der
Abrüfimivskvnfennz zur classe die „hauptsächlichen alliierten und assoziierten Mächte
ein, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan (Deutschland, obgleich in
praktischen Abrüstungsfragen die einzig sachverständige Macht, wurde leider nicht
geladen!) und stellte gleichzeitig anheim, daß die am Pazifik besonders inter¬
essierten Mächte, die man vorerst nicht nannte, sich einschließlich Chinas in Ver¬
bindung mit dieser Konferenz über die Probleme des Fernen Ostens verständigten.
Sofort ließ Lloyd George die Angelegenheit des englisch-japanischen Bündnisses
in der Schwebe und schlug vor, zunächst zwischen England, Japan und den
Vereinigten Staaten eine Vorkonferenz abzuhalten. Die Absicht dabei konnte
keine andere sein, als die, aus dieser Vorkonferenz durch Vermittlung zwischen den
beiden Gegnern, Amerika und Japan, möglichst große Vorteile zu ziehen, sich
Japan unentbehrlich zu machen, China zu Sortieren, Amerika zu helfen, Groß-
britcmicns Bedeutung in das hellste Licht zu rücken. Wie ernst den Engländern
dieser Versuch war, geht unter anderem ans der ungewöhnlich heftigen Repressalie
der Regierung gegen einen tapsigen und in diesem Falle wirklich unpolitischen Angriff
der „Times", der von der gesamten englischen Öffentlichkeit mißbilligt wird, hervor.
Aber sogleich erhob Frankreich seine Stimme und behauptete, am Pazifik ebenfalls
maßgebend interessiert zu sein und seine Ausschaltung nicht dulden zu können, ja
es brachte seinen kleinen Bruder, Belgien, gleichfalls als angeblichen Interessierten
mit und sah es, um die Sache recht babylonisch zu gestalten, nicht ungern, daß
auch Holland sich zum Wort meldete. Weniger gern hörte man von den Ab-
rüstnngsvorschlägen. Mit Posaunen und Trompeten wies man auf die deutschen
Revanchegelüste, machte zwischendurch den Versuch, den amerikanisch-englisch¬
französischen Garantievertrag wieder aufs Tapet zu bringen — man konnte ja
nicht wissen, vielleicht gelang es diesmal, die Sache durchzudrücken, — betonte
aber dennoch, daß bei den deutschen Nevanchegelüsten (siehe oben), wo doch
Hindenburg dies und der Admiral von Trotha erst kürzlich jenes, wo doch das
Kabinett Wirth ... und der Minister Schiffer.....an eine Abrüstung von
Seiten Frankreichs auch bei Zustandekommen des Garantievertrages nicht gedacht
werden könnte. Und daß überhaupt diese natürlich sehr edel gedachte Konferenz,
die man selbstverständlich mit Vergnügen beschicken werde, wenig Zweck hatte, daß aber
in Pazifikfragen Frankreich sich nicht, wie die eigennützigen Engländer wünschten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/133>, abgerufen am 22.12.2024.