Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.Sukmiftsstacit und Znkunfismcnsch Seit den Bauernkriegen/seit Cromwell, seit der französischen Revolution Es gilt ferner -- und das scheint bei allen soziologischen und psychologischen Es gilt deshalb schließlich zu ermitteln, wie beide einander entgegensiehenden Die althergebrachte, aus dem Schutzverhältnis erwachsene Form, oben der Sukmiftsstacit und Znkunfismcnsch Seit den Bauernkriegen/seit Cromwell, seit der französischen Revolution Es gilt ferner — und das scheint bei allen soziologischen und psychologischen Es gilt deshalb schließlich zu ermitteln, wie beide einander entgegensiehenden Die althergebrachte, aus dem Schutzverhältnis erwachsene Form, oben der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339272"/> <fw type="header" place="top"> Sukmiftsstacit und Znkunfismcnsch</fw><lb/> <p xml:id="ID_413"> Seit den Bauernkriegen/seit Cromwell, seit der französischen Revolution<lb/> gehen in immer kürzeren Zwischenräumen Spähnen, Zuckungen durch die soziale<lb/> Weliordmmg — Weltordnung, welch anmaßendes Wort für unsere irdischen<lb/> Winzigkeiten, deren Jahrhunderte und Menschenhekatomben im Verhältnis zur<lb/> „Welt" Sekunden und Mikroben bedeutenI — und der „Weltkrieg" ist die jüngste<lb/> und schwerste dieser Zuckungen gewesen. Auch er, und in ihm die russische, nach<lb/> ihm die deutsche Revolution sind nur Geburtswehen dieses neuen Werdens. Es<lb/> richtet sich gegen eine im grauen Altertum begründete Gesellschaftsordnung: im<lb/> weiteren Sinne hergebrachte Autoritätsgrundsätze, im engeren soziale und<lb/> nationale Abstufungsnormen. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen den<lb/> (formulierten oder noch unklaren) Ansprüchen des Einzelwesens und denen einer<lb/> Gemeinschaft, wie Nation, .Masse, Geschlecht, Rasse usw. Der Unterschied ist<lb/> schwierig, weil auch Forderungen des Einzelwesens (wie Bildungsmöglichkeiten,<lb/> freier Arbeitsvertrag, Koalitionsrecht, Aufstiegsmöglichkeit usw.) gewöhnlich klassen-<lb/> oder geschlechtsmäßig vertreten werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_414"> Es gilt ferner — und das scheint bei allen soziologischen und psychologischen<lb/> Studien der jüngsten Zeit übersehen! — zu unterscheiden zwischen den Forde¬<lb/> rungen der Menschennatur, die wir mit der Bezeichnung „animalische" kenn¬<lb/> zeichnen wollen, und zwischen solchen, die ans bestimmten, von Menschen ge-<lb/> schaffenen Zuständen und Regelmäßigkeiten hervorgehen und die wir deshalb<lb/> „soziale" nennen. Beide standen, stehen und werden immerdar stehen in einem<lb/> Widerspruch, weil der Naturtrieb egoistisch ist und die Selbstsrhaltung als höchstes<lb/> Prinzip gesetzt bekommen hat, und weil jede soziale Form, vergangene, bestehende<lb/> und künftige, Aufgabe eines Teiles der egoistischen Naturforderungen bean¬<lb/> spruchen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_415"> Es gilt deshalb schließlich zu ermitteln, wie beide einander entgegensiehenden<lb/> Triebkräfte mit einem Minimum von Reibung und zeitweiligen oder ununter¬<lb/> brochenen Explosionen („Katastrophen") zu einer Emulsion — innigen Ver¬<lb/> mischung — gebracht werden können, da ihre Verbindung unmöglich ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_416" next="#ID_417"> Die althergebrachte, aus dem Schutzverhältnis erwachsene Form, oben der<lb/> Einfachheit halber Autoritätsprinzip genannt, scheint sich dafür in steigendem<lb/> Maße, und zwar wohl weniger wegen des Zunehmens der Kultur, der<lb/> Lebensbedürfnisse des einzelnen, als wegen der zunehmenden Bevölkerungs--<lb/> dichte und des dadurch verstärkten und vor allein in engem Nachbarschaftsver¬<lb/> hältnis verstärkt sichtbaren und fühlbaren Gegensätze als untauglich zu erweisen.<lb/> Um diese Gegensätze zu beseitigen, haben Theoretiker der Ursachen — nicht des<lb/> Ziels! — den Socialismus und, weitergehend, den Kommunisums ersonnen.<lb/> Sie haben dabei in erhöhtem Maße auf die eine Komponente des menschlichen<lb/> Zusammenlebens, die soziale, Gewicht gelegt, aber in eben dem gleichen Maße<lb/> den Widerstand der zweiten, der animalischen verstärkt und deshalb das SpammngL-<lb/> verhältnis nicht im mindesten verändert. Deshalb mußte das Experiment des<lb/> Bolschewismus mißlingen, dessen heutiges Gesicht wieder genau die gleichen so¬<lb/> zialen Züge zeigt, wie die gestürzte autokratische Ordnung; kleine Oberschicht —<lb/> die bolschewistischen Kommissare, mit Beamten und Soldaten — Landbesitz: —<lb/> 60 oder 100 Millionen Bauern, statt, früher M0 000 Gutsbesitzern — und ein<lb/> ungeheures, zwangsweise gehorchendes Proletariat, das nun zum großen Teil von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Sukmiftsstacit und Znkunfismcnsch
Seit den Bauernkriegen/seit Cromwell, seit der französischen Revolution
gehen in immer kürzeren Zwischenräumen Spähnen, Zuckungen durch die soziale
Weliordmmg — Weltordnung, welch anmaßendes Wort für unsere irdischen
Winzigkeiten, deren Jahrhunderte und Menschenhekatomben im Verhältnis zur
„Welt" Sekunden und Mikroben bedeutenI — und der „Weltkrieg" ist die jüngste
und schwerste dieser Zuckungen gewesen. Auch er, und in ihm die russische, nach
ihm die deutsche Revolution sind nur Geburtswehen dieses neuen Werdens. Es
richtet sich gegen eine im grauen Altertum begründete Gesellschaftsordnung: im
weiteren Sinne hergebrachte Autoritätsgrundsätze, im engeren soziale und
nationale Abstufungsnormen. Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen den
(formulierten oder noch unklaren) Ansprüchen des Einzelwesens und denen einer
Gemeinschaft, wie Nation, .Masse, Geschlecht, Rasse usw. Der Unterschied ist
schwierig, weil auch Forderungen des Einzelwesens (wie Bildungsmöglichkeiten,
freier Arbeitsvertrag, Koalitionsrecht, Aufstiegsmöglichkeit usw.) gewöhnlich klassen-
oder geschlechtsmäßig vertreten werden.
Es gilt ferner — und das scheint bei allen soziologischen und psychologischen
Studien der jüngsten Zeit übersehen! — zu unterscheiden zwischen den Forde¬
rungen der Menschennatur, die wir mit der Bezeichnung „animalische" kenn¬
zeichnen wollen, und zwischen solchen, die ans bestimmten, von Menschen ge-
schaffenen Zuständen und Regelmäßigkeiten hervorgehen und die wir deshalb
„soziale" nennen. Beide standen, stehen und werden immerdar stehen in einem
Widerspruch, weil der Naturtrieb egoistisch ist und die Selbstsrhaltung als höchstes
Prinzip gesetzt bekommen hat, und weil jede soziale Form, vergangene, bestehende
und künftige, Aufgabe eines Teiles der egoistischen Naturforderungen bean¬
spruchen muß.
Es gilt deshalb schließlich zu ermitteln, wie beide einander entgegensiehenden
Triebkräfte mit einem Minimum von Reibung und zeitweiligen oder ununter¬
brochenen Explosionen („Katastrophen") zu einer Emulsion — innigen Ver¬
mischung — gebracht werden können, da ihre Verbindung unmöglich ist.
Die althergebrachte, aus dem Schutzverhältnis erwachsene Form, oben der
Einfachheit halber Autoritätsprinzip genannt, scheint sich dafür in steigendem
Maße, und zwar wohl weniger wegen des Zunehmens der Kultur, der
Lebensbedürfnisse des einzelnen, als wegen der zunehmenden Bevölkerungs--
dichte und des dadurch verstärkten und vor allein in engem Nachbarschaftsver¬
hältnis verstärkt sichtbaren und fühlbaren Gegensätze als untauglich zu erweisen.
Um diese Gegensätze zu beseitigen, haben Theoretiker der Ursachen — nicht des
Ziels! — den Socialismus und, weitergehend, den Kommunisums ersonnen.
Sie haben dabei in erhöhtem Maße auf die eine Komponente des menschlichen
Zusammenlebens, die soziale, Gewicht gelegt, aber in eben dem gleichen Maße
den Widerstand der zweiten, der animalischen verstärkt und deshalb das SpammngL-
verhältnis nicht im mindesten verändert. Deshalb mußte das Experiment des
Bolschewismus mißlingen, dessen heutiges Gesicht wieder genau die gleichen so¬
zialen Züge zeigt, wie die gestürzte autokratische Ordnung; kleine Oberschicht —
die bolschewistischen Kommissare, mit Beamten und Soldaten — Landbesitz: —
60 oder 100 Millionen Bauern, statt, früher M0 000 Gutsbesitzern — und ein
ungeheures, zwangsweise gehorchendes Proletariat, das nun zum großen Teil von
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