Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Die militür-poliiische Lage in Polen Zustimmung zu geben. Er bedeutet Vergewaltigung und nationale Unterdrückung, Das Verhältnis Polens zu seinen übrigen Nachbarn, zu den Raubstaaten, Im Baltikum steht die noch ungelöste Wilna-Frage einer Konvention zwischen In dem Verhältnis Polens zur Tschecho-Slowakei ist seit Abschluß der Die militür-poliiische Lage in Polen Zustimmung zu geben. Er bedeutet Vergewaltigung und nationale Unterdrückung, Das Verhältnis Polens zu seinen übrigen Nachbarn, zu den Raubstaaten, Im Baltikum steht die noch ungelöste Wilna-Frage einer Konvention zwischen In dem Verhältnis Polens zur Tschecho-Slowakei ist seit Abschluß der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339117"/> <fw type="header" place="top"> Die militür-poliiische Lage in Polen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1077" prev="#ID_1076"> Zustimmung zu geben. Er bedeutet Vergewaltigung und nationale Unterdrückung,<lb/> er kann nie als Grundlage guter Beziehungen zwischen Polen und Rußland<lb/> dienen, bedeutet vielmehr eine ernste Bedrohung des Friedens von ganz Europa."</p><lb/> <p xml:id="ID_1078"> Das Verhältnis Polens zu seinen übrigen Nachbarn, zu den Raubstaaten,<lb/> zur Tschecho-Slowakei und zu Rumänien ergibt sich am klarsten aus dem fran¬<lb/> zösischen Bestreben, durch den Zusammenschluß der kleineren Mittel- und ost¬<lb/> europäischen Länder, einhebt. der Ballen- und Balkanstaaten unter Führung Polens<lb/> zu einem antideutschen und antibolschewistischen Block, zur gänzlichen Macht¬<lb/> losigkeit Deutschlands und damit zur Festlegung der französischen Hegemonie über<lb/> Europa zu kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1079"> Im Baltikum steht die noch ungelöste Wilna-Frage einer Konvention zwischen<lb/> Polen und dem baltischen Staatenbund entgegen. Auf der Ende Februar in<lb/> Neval veranstalteten Randstaatenkonferenz, an der Vertreter Polens, Finnlands,<lb/> Estlands, Lettlands und Litauens teilgenommen haben, wurde zwar die Schaffung<lb/> eines Randstaatenbundes mit Einschluß von Polen einstimmig gutgeheißen, als<lb/> seine erste Voraussetzung jedoch eine Einigung zwischen Polen und Litauen be¬<lb/> zeichnet. Sie in polnischem Sinne zustandezubringen und gleichzeitig damit den<lb/> Polen im Fall eines Zusammenstoßes mit Deutschland gegen Litauen die Flanke<lb/> freizumachen, war das Bestreben Frankreichs. Mit einer auffallenden Geschäftig¬<lb/> keit drang Frankreich plötzlich in der Wilna-Frage auf die Durchführung der<lb/> Volksabstimmung in dem strittigen Gebiet und dessen Besetzung durch Völkerbunds¬<lb/> truppen. Als die Russen dies als Grund zur Verschleppung der Friedensver¬<lb/> handlungen in Riga auszunutzen versuchten, regte Frankreich nochmalige unmittel¬<lb/> bare polnisch-litauische Verhandlungen unter dem Vorsitz von Huymanns in<lb/> Brüssel an — ein Vorschlag, der von beiden beieiligien Regierungen angenommen<lb/> worden ist. Damit ist zunächst Litauen als Gegner Polens in einem polnisch,<lb/> deutschen Konflikt ausgeschaltet, dann aber auch eine Lösung der Wilna-Frage im<lb/> polnischen Sinne für die Zukunft insofern vorbereitet, als Litauens Stärke Polen<lb/> gegenüber bisher ja gerade in der geschickten Ausnutzung der deutsch-polnischen<lb/> und der russisch-polnischen Spannung lag. Sind diese erst beseitigt, dann wird<lb/> sich auch in der litauisch-polnischen Frage eine Lösung finden, die Litauen um den<lb/> Preis Wilnas und vielleicht auch Memels, das, dieser Idee zu opfern, Frankreich<lb/> seit langer Zeit bereit ist, in ein enges Föderativverhältnis, ^so wie es Polen<lb/> wünscht, zu diesem bringt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1080" next="#ID_1081"> In dem Verhältnis Polens zur Tschecho-Slowakei ist seit Abschluß der<lb/> französisch-polnischen Entente das Bestreben bemerkbar, in den zwischen ihnen<lb/> liegenden tiefen Gegensätzen zu einem Ausgleich zu kommen, zu einem Ausgleich,<lb/> wie das nicht anders sein kann, auf Kosten Deutschlands. Frankreich, das von<lb/> jeher ein möglichst starkes Polen und eine enge Verbindung Polens mit der<lb/> Tschecho-Slowakei als den beiden Hauptstützpunktm seiner Ostpolitik erstrebt, will<lb/> die französisch-polnische Entente durch den Beitritt der Tschecho-Slowakei ergänzt<lb/> sehen, da nur so der Ring um Deutschland tatsächlich geschlossen, die Sperre<lb/> zwischen Deutschland und Nußland wirksam ist. Der Umschwung in dem Ver¬<lb/> hältnis Polens zur Tschecho-Slowakei offenbarte sich besonders deutlich in der<lb/> Haltung der tschechischen Regierung zur oberschlesischen Abstimmungsfrage, in den<lb/> verschiedenen Äußerungen des tschechischen Außenministers und im Zusammenhang</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
Die militür-poliiische Lage in Polen
Zustimmung zu geben. Er bedeutet Vergewaltigung und nationale Unterdrückung,
er kann nie als Grundlage guter Beziehungen zwischen Polen und Rußland
dienen, bedeutet vielmehr eine ernste Bedrohung des Friedens von ganz Europa."
Das Verhältnis Polens zu seinen übrigen Nachbarn, zu den Raubstaaten,
zur Tschecho-Slowakei und zu Rumänien ergibt sich am klarsten aus dem fran¬
zösischen Bestreben, durch den Zusammenschluß der kleineren Mittel- und ost¬
europäischen Länder, einhebt. der Ballen- und Balkanstaaten unter Führung Polens
zu einem antideutschen und antibolschewistischen Block, zur gänzlichen Macht¬
losigkeit Deutschlands und damit zur Festlegung der französischen Hegemonie über
Europa zu kommen.
Im Baltikum steht die noch ungelöste Wilna-Frage einer Konvention zwischen
Polen und dem baltischen Staatenbund entgegen. Auf der Ende Februar in
Neval veranstalteten Randstaatenkonferenz, an der Vertreter Polens, Finnlands,
Estlands, Lettlands und Litauens teilgenommen haben, wurde zwar die Schaffung
eines Randstaatenbundes mit Einschluß von Polen einstimmig gutgeheißen, als
seine erste Voraussetzung jedoch eine Einigung zwischen Polen und Litauen be¬
zeichnet. Sie in polnischem Sinne zustandezubringen und gleichzeitig damit den
Polen im Fall eines Zusammenstoßes mit Deutschland gegen Litauen die Flanke
freizumachen, war das Bestreben Frankreichs. Mit einer auffallenden Geschäftig¬
keit drang Frankreich plötzlich in der Wilna-Frage auf die Durchführung der
Volksabstimmung in dem strittigen Gebiet und dessen Besetzung durch Völkerbunds¬
truppen. Als die Russen dies als Grund zur Verschleppung der Friedensver¬
handlungen in Riga auszunutzen versuchten, regte Frankreich nochmalige unmittel¬
bare polnisch-litauische Verhandlungen unter dem Vorsitz von Huymanns in
Brüssel an — ein Vorschlag, der von beiden beieiligien Regierungen angenommen
worden ist. Damit ist zunächst Litauen als Gegner Polens in einem polnisch,
deutschen Konflikt ausgeschaltet, dann aber auch eine Lösung der Wilna-Frage im
polnischen Sinne für die Zukunft insofern vorbereitet, als Litauens Stärke Polen
gegenüber bisher ja gerade in der geschickten Ausnutzung der deutsch-polnischen
und der russisch-polnischen Spannung lag. Sind diese erst beseitigt, dann wird
sich auch in der litauisch-polnischen Frage eine Lösung finden, die Litauen um den
Preis Wilnas und vielleicht auch Memels, das, dieser Idee zu opfern, Frankreich
seit langer Zeit bereit ist, in ein enges Föderativverhältnis, ^so wie es Polen
wünscht, zu diesem bringt.
In dem Verhältnis Polens zur Tschecho-Slowakei ist seit Abschluß der
französisch-polnischen Entente das Bestreben bemerkbar, in den zwischen ihnen
liegenden tiefen Gegensätzen zu einem Ausgleich zu kommen, zu einem Ausgleich,
wie das nicht anders sein kann, auf Kosten Deutschlands. Frankreich, das von
jeher ein möglichst starkes Polen und eine enge Verbindung Polens mit der
Tschecho-Slowakei als den beiden Hauptstützpunktm seiner Ostpolitik erstrebt, will
die französisch-polnische Entente durch den Beitritt der Tschecho-Slowakei ergänzt
sehen, da nur so der Ring um Deutschland tatsächlich geschlossen, die Sperre
zwischen Deutschland und Nußland wirksam ist. Der Umschwung in dem Ver¬
hältnis Polens zur Tschecho-Slowakei offenbarte sich besonders deutlich in der
Haltung der tschechischen Regierung zur oberschlesischen Abstimmungsfrage, in den
verschiedenen Äußerungen des tschechischen Außenministers und im Zusammenhang
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