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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Federstriche

es werden könnten, gegenüberstehen. Die Sache ist zwar nicht ganz so gefährlich,
wie sie aussieht, da die Popolari die Regierung in vielen Fällen unterstützen
werden, aber einerseits werden gerade sie, wie bisher schon, nicht selten genötigt
sein, der Regierung um die Wette mit den Sozialisten Opposition zu machen,
andererseits ist gerade auf gewisse Teile des Blockes wenig Verlaß. Die Schuld daran
trägt zum Teil wohl die geräuschvolle, Terror gegen Terror der Kommunisten
Setzende, Propaganda der Fascisten, die der Regierung zwar wertvolle Dienste
leistete, andererseits aber auch gerade die Opposition verschärfte. Nach innen wie
nach außen bliebe somit die Regierung wie bisher auf vorsichtiges Lavieren an-
gewiesen und wird die erfahrene Meisterhand Giolittis auch fürderhin nicht ent¬
b Menenius ehren können.




Federstriche
Siegfried Jacobsohn und "Judas Aufstiegsmöglichkeit"

In Herrn Siegfried Jacobsohns Weltbühne, dem Organ der "Edel°Kommu°
nisten", schreibt ein Herr, der sich Viator nennt (soll wohl "Reisender" heißen?),
über die Broschüre "Antisemitismus" des Herrn Friedrich von Oppeln-Bronikowski.
Er kann nicht umhin, dem Verfasser zunächst mäßiges Lob zu spenden, Weiler,
obwohl Angehöriger der Deutschnationalen Partei, "ausnahmsweise doch einmal"
den Antisemitismus verwirft. Aber dieser wohl temperierten Anerkennung folgt
sogleich herber Tadel, vorgetragen in dem anmutigen Ton, der Herrn Jacobsohn
und seinen Brüdern im Geiste eigen ist. "Selbstverständlich" wird auch von
Oppeln-Bronikowski nur durch höchst verwerfliche Beweggründe geleitet. Er will
die nationalgesinnten "und zugleich meist wohlhabenden" Juden in die deutsch-
nationale Partei hineinlocken, damit sie "den Allerhöchsten und Höchsten Herr¬
schaften, einem erlauchten Adel und wohlaffektionierten (I) arischen Bürgertum
wieder in den Sattel helfen", wobei besagte Partei "selbstverständlich" von vorn¬
herein die Absicht hat, den Juden nach vollzogener Ausnutzung "den erlösenden
Tritt zu versetzen". Also spricht Viator.

Merkwürdige Duplizität der Ereignisse. Vor einigen Monaten hörte man
zum ersten Mal von den Bestrebungen des Herrn Dr. Max Naumann (der
übrigens von Herrn Viator ganz nebenher ebenfalls angerempelt wird) zur
Sammlung der "natioualdeutschen Juden". (Siehe Heft 10.11 dieser Zeitschrift.)
Damals wurde diese jüdische Bewegung von deulschvölkischen Kreisen mit
ganz ähnlichen Argumenten bekämpft, wie jetzt der Nichtjude von Oppeln-
Bronikowski durch Herrn Jacobsohn und seinen jüdischen Anhang. Man sprach
damals von einer "Machination Judas", die nur den harmlosen Arier hinters
Licht führen sollte, von Abteilungen, die seitens der Juden in das nationale Lager
abkommandiert seien.

Auf den Gedanken, daß es ehrliche und bekenntnisfreudige Menschen gibt,
die nicht in das vorgestellte Gesamtbild passen, daß also vielleicht doch das Bild
als solches nicht richtig war, kommen solche Kritiker nicht. Die Wahrheit liegt,
wie meist, in der Mitte. Die nationalgesinnten, aber ruhigdenkenden Deutschen
arischen Stammes tun gut, die wirklich nationalgesinnten Juden, die den ehrlichen
Willen zur Eingliederung in das deutsche Volkstum haben, nicht ohne weiteres zurück¬
zustoßen, sondern die aufbauenden Kräfte, die in dieser Gruppe stecken, dem deutschen
Vaterland nutzbar zu machen. Und den nationaldeutschen Juden selbst, deren
Sammlungsaktion wir mit Interesse verfolgen, kann nur geraten werden, von
Herrn Jacobsohn und seinen Gesinnungsgenossen möglichst deutlich und nachdrücklich
abzurücken oder ihnen, um im Stil der Weltbühne zu sprechen, "den erlösenden
L, w. Tritt zu versetzen."


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es werden könnten, gegenüberstehen. Die Sache ist zwar nicht ganz so gefährlich,
wie sie aussieht, da die Popolari die Regierung in vielen Fällen unterstützen
werden, aber einerseits werden gerade sie, wie bisher schon, nicht selten genötigt
sein, der Regierung um die Wette mit den Sozialisten Opposition zu machen,
andererseits ist gerade auf gewisse Teile des Blockes wenig Verlaß. Die Schuld daran
trägt zum Teil wohl die geräuschvolle, Terror gegen Terror der Kommunisten
Setzende, Propaganda der Fascisten, die der Regierung zwar wertvolle Dienste
leistete, andererseits aber auch gerade die Opposition verschärfte. Nach innen wie
nach außen bliebe somit die Regierung wie bisher auf vorsichtiges Lavieren an-
gewiesen und wird die erfahrene Meisterhand Giolittis auch fürderhin nicht ent¬
b Menenius ehren können.




Federstriche
Siegfried Jacobsohn und „Judas Aufstiegsmöglichkeit"

In Herrn Siegfried Jacobsohns Weltbühne, dem Organ der „Edel°Kommu°
nisten", schreibt ein Herr, der sich Viator nennt (soll wohl „Reisender" heißen?),
über die Broschüre „Antisemitismus" des Herrn Friedrich von Oppeln-Bronikowski.
Er kann nicht umhin, dem Verfasser zunächst mäßiges Lob zu spenden, Weiler,
obwohl Angehöriger der Deutschnationalen Partei, „ausnahmsweise doch einmal"
den Antisemitismus verwirft. Aber dieser wohl temperierten Anerkennung folgt
sogleich herber Tadel, vorgetragen in dem anmutigen Ton, der Herrn Jacobsohn
und seinen Brüdern im Geiste eigen ist. „Selbstverständlich" wird auch von
Oppeln-Bronikowski nur durch höchst verwerfliche Beweggründe geleitet. Er will
die nationalgesinnten „und zugleich meist wohlhabenden" Juden in die deutsch-
nationale Partei hineinlocken, damit sie „den Allerhöchsten und Höchsten Herr¬
schaften, einem erlauchten Adel und wohlaffektionierten (I) arischen Bürgertum
wieder in den Sattel helfen", wobei besagte Partei „selbstverständlich" von vorn¬
herein die Absicht hat, den Juden nach vollzogener Ausnutzung „den erlösenden
Tritt zu versetzen". Also spricht Viator.

Merkwürdige Duplizität der Ereignisse. Vor einigen Monaten hörte man
zum ersten Mal von den Bestrebungen des Herrn Dr. Max Naumann (der
übrigens von Herrn Viator ganz nebenher ebenfalls angerempelt wird) zur
Sammlung der „natioualdeutschen Juden". (Siehe Heft 10.11 dieser Zeitschrift.)
Damals wurde diese jüdische Bewegung von deulschvölkischen Kreisen mit
ganz ähnlichen Argumenten bekämpft, wie jetzt der Nichtjude von Oppeln-
Bronikowski durch Herrn Jacobsohn und seinen jüdischen Anhang. Man sprach
damals von einer „Machination Judas", die nur den harmlosen Arier hinters
Licht führen sollte, von Abteilungen, die seitens der Juden in das nationale Lager
abkommandiert seien.

Auf den Gedanken, daß es ehrliche und bekenntnisfreudige Menschen gibt,
die nicht in das vorgestellte Gesamtbild passen, daß also vielleicht doch das Bild
als solches nicht richtig war, kommen solche Kritiker nicht. Die Wahrheit liegt,
wie meist, in der Mitte. Die nationalgesinnten, aber ruhigdenkenden Deutschen
arischen Stammes tun gut, die wirklich nationalgesinnten Juden, die den ehrlichen
Willen zur Eingliederung in das deutsche Volkstum haben, nicht ohne weiteres zurück¬
zustoßen, sondern die aufbauenden Kräfte, die in dieser Gruppe stecken, dem deutschen
Vaterland nutzbar zu machen. Und den nationaldeutschen Juden selbst, deren
Sammlungsaktion wir mit Interesse verfolgen, kann nur geraten werden, von
Herrn Jacobsohn und seinen Gesinnungsgenossen möglichst deutlich und nachdrücklich
abzurücken oder ihnen, um im Stil der Weltbühne zu sprechen, „den erlösenden
L, w. Tritt zu versetzen."


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[0254] Federstriche es werden könnten, gegenüberstehen. Die Sache ist zwar nicht ganz so gefährlich, wie sie aussieht, da die Popolari die Regierung in vielen Fällen unterstützen werden, aber einerseits werden gerade sie, wie bisher schon, nicht selten genötigt sein, der Regierung um die Wette mit den Sozialisten Opposition zu machen, andererseits ist gerade auf gewisse Teile des Blockes wenig Verlaß. Die Schuld daran trägt zum Teil wohl die geräuschvolle, Terror gegen Terror der Kommunisten Setzende, Propaganda der Fascisten, die der Regierung zwar wertvolle Dienste leistete, andererseits aber auch gerade die Opposition verschärfte. Nach innen wie nach außen bliebe somit die Regierung wie bisher auf vorsichtiges Lavieren an- gewiesen und wird die erfahrene Meisterhand Giolittis auch fürderhin nicht ent¬ b Menenius ehren können. Federstriche Siegfried Jacobsohn und „Judas Aufstiegsmöglichkeit" In Herrn Siegfried Jacobsohns Weltbühne, dem Organ der „Edel°Kommu° nisten", schreibt ein Herr, der sich Viator nennt (soll wohl „Reisender" heißen?), über die Broschüre „Antisemitismus" des Herrn Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Er kann nicht umhin, dem Verfasser zunächst mäßiges Lob zu spenden, Weiler, obwohl Angehöriger der Deutschnationalen Partei, „ausnahmsweise doch einmal" den Antisemitismus verwirft. Aber dieser wohl temperierten Anerkennung folgt sogleich herber Tadel, vorgetragen in dem anmutigen Ton, der Herrn Jacobsohn und seinen Brüdern im Geiste eigen ist. „Selbstverständlich" wird auch von Oppeln-Bronikowski nur durch höchst verwerfliche Beweggründe geleitet. Er will die nationalgesinnten „und zugleich meist wohlhabenden" Juden in die deutsch- nationale Partei hineinlocken, damit sie „den Allerhöchsten und Höchsten Herr¬ schaften, einem erlauchten Adel und wohlaffektionierten (I) arischen Bürgertum wieder in den Sattel helfen", wobei besagte Partei „selbstverständlich" von vorn¬ herein die Absicht hat, den Juden nach vollzogener Ausnutzung „den erlösenden Tritt zu versetzen". Also spricht Viator. Merkwürdige Duplizität der Ereignisse. Vor einigen Monaten hörte man zum ersten Mal von den Bestrebungen des Herrn Dr. Max Naumann (der übrigens von Herrn Viator ganz nebenher ebenfalls angerempelt wird) zur Sammlung der „natioualdeutschen Juden". (Siehe Heft 10.11 dieser Zeitschrift.) Damals wurde diese jüdische Bewegung von deulschvölkischen Kreisen mit ganz ähnlichen Argumenten bekämpft, wie jetzt der Nichtjude von Oppeln- Bronikowski durch Herrn Jacobsohn und seinen jüdischen Anhang. Man sprach damals von einer „Machination Judas", die nur den harmlosen Arier hinters Licht führen sollte, von Abteilungen, die seitens der Juden in das nationale Lager abkommandiert seien. Auf den Gedanken, daß es ehrliche und bekenntnisfreudige Menschen gibt, die nicht in das vorgestellte Gesamtbild passen, daß also vielleicht doch das Bild als solches nicht richtig war, kommen solche Kritiker nicht. Die Wahrheit liegt, wie meist, in der Mitte. Die nationalgesinnten, aber ruhigdenkenden Deutschen arischen Stammes tun gut, die wirklich nationalgesinnten Juden, die den ehrlichen Willen zur Eingliederung in das deutsche Volkstum haben, nicht ohne weiteres zurück¬ zustoßen, sondern die aufbauenden Kräfte, die in dieser Gruppe stecken, dem deutschen Vaterland nutzbar zu machen. Und den nationaldeutschen Juden selbst, deren Sammlungsaktion wir mit Interesse verfolgen, kann nur geraten werden, von Herrn Jacobsohn und seinen Gesinnungsgenossen möglichst deutlich und nachdrücklich abzurücken oder ihnen, um im Stil der Weltbühne zu sprechen, „den erlösenden L, w. Tritt zu versetzen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/254>, abgerufen am 27.11.2024.