Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Hans Delbrück über den deutschen Aufmarsch von der bessere gewesen und schloß größere Erfolgsmöglichkeiten in sich als seine Der Moltkesche Plan ist gescheitert. Zweifellos, sagt Delbrück, sind bei Da also, so meint Delbrück, unsere Gesamtkräfte zu schwach waren, um 1. Defensive gegen Frankreich. Dadurch wurde der Durchmarsch durch Hans Delbrück über den deutschen Aufmarsch von der bessere gewesen und schloß größere Erfolgsmöglichkeiten in sich als seine Der Moltkesche Plan ist gescheitert. Zweifellos, sagt Delbrück, sind bei Da also, so meint Delbrück, unsere Gesamtkräfte zu schwach waren, um 1. Defensive gegen Frankreich. Dadurch wurde der Durchmarsch durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0182" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338983"/> <fw type="header" place="top"> Hans Delbrück über den deutschen Aufmarsch von</fw><lb/> <p xml:id="ID_620" prev="#ID_619"> der bessere gewesen und schloß größere Erfolgsmöglichkeiten in sich als seine<lb/> Umformung.</p><lb/> <p xml:id="ID_621"> Der Moltkesche Plan ist gescheitert. Zweifellos, sagt Delbrück, sind bei<lb/> seiner Ausführung Fehler gemacht worden. Die Führung durch die Oberste<lb/> Heeresleitung war mangelhaft, Vülows Lage am 9. 9. machte einen Rückzug der<lb/> 2. Armee vielleicht nicht erforderlich. Infolge der Wegnahme zweier Korps vom<lb/> rechten Flügel scheiterte die geplante Umfassung des feindlichen Gesamtheeres, die<lb/> beabsichtigte Verstärkung des rechten deutschen Flügels durch Teile des linken<lb/> während der Marneschlacht kam zu spät. Aber Fehler sind in allen Kriegen<lb/> gemacht worden, auch erhebliche blieben ohne Wirkung auf einen günstigen End¬<lb/> erfolg, wenn nur die Anlage des Feldzuges richtig war. Sogar schwerere Fehler<lb/> preußischerseitö als sie 1914 vorkamen, haben z."B. 1866 die Niederlage der<lb/> Österreicher nicht abwenden können. Zu erheblich dürfen die Fehler freilich nicht<lb/> sein. 1914 aber fehlte es an der richtigen Anlage. Der Plan war falsch, deswegen<lb/> mußte er scheitern. Wir waren zu schwach, um die Niederwerfung der feindlichen<lb/> Westheerc anstreben zu können. Schon aus diesem Grunde hatten wir nach Delbrück<lb/> von vorderem keine Aussicht, den Westfeind „abzutun", während wir die Russen<lb/> inzwischen abwehrten. Hatten doch im Osten nur 1 740 000 Deutsche und Öster¬<lb/> reicher gegen 3 800 000 Russen und Serben zu kämpfen. Sie konnten unmöglich<lb/> so lange standstalten, bis der Gegner im Westen niedergeworfen war. Denn auch<lb/> wenn die Marneschlacht siegreich für uns ausgelaufen wäre, Hütten wir, wie auch<lb/> der General v. Kühl zugebe, eine Niederwerfung der Westgegner damit noch nicht<lb/> erreicht, sondern dazu die Operationen in Frankreich fortsetzen müssen. Die dafür<lb/> nötigen Kräfte würden die Russen uns nicht »gelassen haben. Schon nach dem<lb/> Verlust von Lemberg und Galizien wurde das deutsche Westheer für seine Aufgabe<lb/> zu schwach, da es „Divisionen über Divisionen" nach dem Osten abgeben mußte.<lb/> Außerdem aber hätten im Fall eines deutschen Marnesieges die Engländer sofort<lb/> die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Amerikaner wären sofort in den Krieg<lb/> eingetreten. Bis zum Eintreffen der Helfer hätten die Franzosen sich hinter die<lb/> Loire oder gar die Garonne zurückgezogen, vielleicht sogar vorübergehend einen<lb/> Tilsiter Frieden geschlossen. Das Ergebnis wäre immer ein Stellungskrieg in<lb/> Frankreich gewesen.</p><lb/> <p xml:id="ID_622"> Da also, so meint Delbrück, unsere Gesamtkräfte zu schwach waren, um<lb/> Bernichtungsstrategie zu treiben, hätten wir unseren Operationsplan unter Verzicht<lb/> auf das Aufdrehen einer schnellen Entscheidung auf der Zermürbungsstrategic auf¬<lb/> bauen müssen. Die erste Folge dieses Entschlusses wäre die Einstellung auf einen<lb/> langen Krieg und dementsprechend eine weitgehende wirtschaftliche Vorbereitung<lb/> gewesen. Da aber Graf Schliessen im Gegensatz zum Feldmarschall Moltke eine<lb/> lange Dauer moderner Kriege verneinte, wurden wirtschaftliche Vorbereitungen<lb/> nicht getroffen. Die zweite Folge wäre dann ein Operationsplan gewesen, der sich<lb/> das Verfahren Friedrichs des Großen zum Vorbild nahm. Er konnte nach Delbrück<lb/> etwa folgende Gestalt haben:</p><lb/> <p xml:id="ID_623" next="#ID_624"> 1. Defensive gegen Frankreich. Dadurch wurde der Durchmarsch durch<lb/> Belgien unnötig, und es ist sehr fraglich, ob England dann nicht überhaupt oder<lb/> wenigstens noch längere Zeit neutral geblieben wäre. Hielt man aber einen Durch¬<lb/> marsch durch Belgien für eine unvermeidliche Notwendigkeit, so durfte dieser nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0182]
Hans Delbrück über den deutschen Aufmarsch von
der bessere gewesen und schloß größere Erfolgsmöglichkeiten in sich als seine
Umformung.
Der Moltkesche Plan ist gescheitert. Zweifellos, sagt Delbrück, sind bei
seiner Ausführung Fehler gemacht worden. Die Führung durch die Oberste
Heeresleitung war mangelhaft, Vülows Lage am 9. 9. machte einen Rückzug der
2. Armee vielleicht nicht erforderlich. Infolge der Wegnahme zweier Korps vom
rechten Flügel scheiterte die geplante Umfassung des feindlichen Gesamtheeres, die
beabsichtigte Verstärkung des rechten deutschen Flügels durch Teile des linken
während der Marneschlacht kam zu spät. Aber Fehler sind in allen Kriegen
gemacht worden, auch erhebliche blieben ohne Wirkung auf einen günstigen End¬
erfolg, wenn nur die Anlage des Feldzuges richtig war. Sogar schwerere Fehler
preußischerseitö als sie 1914 vorkamen, haben z."B. 1866 die Niederlage der
Österreicher nicht abwenden können. Zu erheblich dürfen die Fehler freilich nicht
sein. 1914 aber fehlte es an der richtigen Anlage. Der Plan war falsch, deswegen
mußte er scheitern. Wir waren zu schwach, um die Niederwerfung der feindlichen
Westheerc anstreben zu können. Schon aus diesem Grunde hatten wir nach Delbrück
von vorderem keine Aussicht, den Westfeind „abzutun", während wir die Russen
inzwischen abwehrten. Hatten doch im Osten nur 1 740 000 Deutsche und Öster¬
reicher gegen 3 800 000 Russen und Serben zu kämpfen. Sie konnten unmöglich
so lange standstalten, bis der Gegner im Westen niedergeworfen war. Denn auch
wenn die Marneschlacht siegreich für uns ausgelaufen wäre, Hütten wir, wie auch
der General v. Kühl zugebe, eine Niederwerfung der Westgegner damit noch nicht
erreicht, sondern dazu die Operationen in Frankreich fortsetzen müssen. Die dafür
nötigen Kräfte würden die Russen uns nicht »gelassen haben. Schon nach dem
Verlust von Lemberg und Galizien wurde das deutsche Westheer für seine Aufgabe
zu schwach, da es „Divisionen über Divisionen" nach dem Osten abgeben mußte.
Außerdem aber hätten im Fall eines deutschen Marnesieges die Engländer sofort
die allgemeine Wehrpflicht eingeführt und die Amerikaner wären sofort in den Krieg
eingetreten. Bis zum Eintreffen der Helfer hätten die Franzosen sich hinter die
Loire oder gar die Garonne zurückgezogen, vielleicht sogar vorübergehend einen
Tilsiter Frieden geschlossen. Das Ergebnis wäre immer ein Stellungskrieg in
Frankreich gewesen.
Da also, so meint Delbrück, unsere Gesamtkräfte zu schwach waren, um
Bernichtungsstrategie zu treiben, hätten wir unseren Operationsplan unter Verzicht
auf das Aufdrehen einer schnellen Entscheidung auf der Zermürbungsstrategic auf¬
bauen müssen. Die erste Folge dieses Entschlusses wäre die Einstellung auf einen
langen Krieg und dementsprechend eine weitgehende wirtschaftliche Vorbereitung
gewesen. Da aber Graf Schliessen im Gegensatz zum Feldmarschall Moltke eine
lange Dauer moderner Kriege verneinte, wurden wirtschaftliche Vorbereitungen
nicht getroffen. Die zweite Folge wäre dann ein Operationsplan gewesen, der sich
das Verfahren Friedrichs des Großen zum Vorbild nahm. Er konnte nach Delbrück
etwa folgende Gestalt haben:
1. Defensive gegen Frankreich. Dadurch wurde der Durchmarsch durch
Belgien unnötig, und es ist sehr fraglich, ob England dann nicht überhaupt oder
wenigstens noch längere Zeit neutral geblieben wäre. Hielt man aber einen Durch¬
marsch durch Belgien für eine unvermeidliche Notwendigkeit, so durfte dieser nicht
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