Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.Parteipolitik in den Gemeinde" der Schwerpunkt der Verwaltung liegt doch in der täglichen Kleinarbeit, die, Parteipolitik in den Gemeinde» der Schwerpunkt der Verwaltung liegt doch in der täglichen Kleinarbeit, die, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338972"/> <fw type="header" place="top"> Parteipolitik in den Gemeinde»</fw><lb/> <p xml:id="ID_595" prev="#ID_594" next="#ID_596"> der Schwerpunkt der Verwaltung liegt doch in der täglichen Kleinarbeit, die,<lb/> wird sie nur treu und gewissenhaft ausgeübt, nicht weniger ehrenvoll ist. Eine<lb/> ganze Reihe von Vorlagen beschäftigt ständig die Gemeindevertretungen, bei denen<lb/> große politische Gesichtspunkte nicht in Frage kommen. Bei den meisten handelt<lb/> es sich darum, Dinge des täglichen Lebens sachkundig zu beurteilen, und hierzu<lb/> sind diejenigen Männer und Frauen in erster Linie berufen, die auf Grund ihrer<lb/> Erfahrung die Dinge fach- und fachgemäß zu betrachten vermögen. Freilich, es<lb/> muß ein großer Zug durch die Verwaltung gehen, an ihrer Spitze müssen Führer<lb/> stehen) großzügig läßt sich aber auch außerhalb der Parteipolitik arbeite», und<lb/> Persönlichkeiten, die zu führen vermögen, gibt es auch außerhalb der politischen<lb/> Fraktionen. Nun soll zwar nicht behauptet werden, daß unter den von den Poli¬<lb/> tischen Parteien Nominierten sich nicht sachkundige Kräfte befänden! Dies<lb/> zu behaupten wäre unsinnig, aber es liegt doch auf der Hand, daß bei der Auf¬<lb/> stellung der Listen die Politischen Parteien sich nicht allein von Gemeindenotwendig¬<lb/> keiten leiten lassen können, sie haben noch andere, im Interesse der Partei liegende<lb/> Rücksichten zu nehmen) sie haben auch Rücksicht zu nehmen auf solche Partei¬<lb/> mitglieder, die in der Partei bisher hervorragend tätig gewesen und sich um die<lb/> Partei verdient gemacht haben, und es scheiden hierbei vor allem alle diejenigen<lb/> Männer und Frauen für die Auswahl aus, und es sind dies nicht die unfähigsten,<lb/> die einer politischen Partei sich zu verschreiben nicht gesonnen sind. Wie viele<lb/> tüchtige Kräfte liegen dieserhalb brach. So versuchten früher die Stellen, in der<lb/> Hauptsache die Bürgervereine, die die Kandidaten aufstellten, sachverständige<lb/> Männer aus allen Ständen und Berufen zur Wahl zu präsentieren, wobei<lb/> allerdings in schwerer Benennung der tatsächlichen Verhältnisse die Arbeiterschaft<lb/> zu wenig berücksichtigt wurde. Die Aufstellung solcher aus fach- und sachkundigen<lb/> Männern sich zusammensetzender Kandidatenlisten wird nun erheblich erschwert<lb/> dadurch, daß die politischen Parteien je eine eigene Liste bilden, wodurch es aus¬<lb/> geschlossen ist, daß die einzelnen Stände und Berufe für die ganze Stadtverord¬<lb/> netenversammlung zweckentsprechend berücksichtigt werden. Das System der Ver¬<lb/> hältniswahl leistet zudem diesem Mangel überhaupt Vorschub. ES droht jetzt die<lb/> Gefahr, daß die einzelnen Stände und Berufe nicht in der Weise vertreten sind,<lb/> die ihnen nach ihrer Bedeutung für die Gemeinde zukommt, eine Gefahr, die bei<lb/> der Art der gemeindlichen Arbeit nicht zu unterschätzen ist,- es besteht die Möglich¬<lb/> keit, daß ein Teil der Mandatare, eben infolge mangelnder Sachkunde für die<lb/> hier in Betracht kommenden Dinge, den Führern der Parteien mehr oder weniger<lb/> willenlos folgt, wodurch das Gefühl der Verantwortlichkeit des einzelnen geschwächt<lb/> wird, und daß ein Teil für die eigentliche gemeindliche Arbeit ausscheidet. Es besteht<lb/> die weitere Gefahr, daß die parteipolitischer Fraktionen der Gemeindekörperschaften<lb/> bei dem besten Willen zu tüchtiger Arbeit, den niemand ihnen absprechen darf,<lb/> sich bei ihrer gemeindlichen Arbeit nicht in vollem Umfange von ihren Partei¬<lb/> politischen Interessen freimachen können. Das ist menschlich. Wer die Sitzungen<lb/> der Stadtverordnetenversammlungen verfolgt, kennt diese Gefahr und wird sie<lb/> nicht leugnen können. So werden die Stadtverordnetenversammlungen zum<lb/> Tummelplatz politischen Streits in einem Umfange, wie er den Geschäften nicht<lb/> dienlich, so erregen sich hier die politischen Leidenschaften in einem Maße, wie eS<lb/> einem kühlen Abwägen schädlich ist, so wird das Stadtparlament zur Kämpfer-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
Parteipolitik in den Gemeinde»
der Schwerpunkt der Verwaltung liegt doch in der täglichen Kleinarbeit, die,
wird sie nur treu und gewissenhaft ausgeübt, nicht weniger ehrenvoll ist. Eine
ganze Reihe von Vorlagen beschäftigt ständig die Gemeindevertretungen, bei denen
große politische Gesichtspunkte nicht in Frage kommen. Bei den meisten handelt
es sich darum, Dinge des täglichen Lebens sachkundig zu beurteilen, und hierzu
sind diejenigen Männer und Frauen in erster Linie berufen, die auf Grund ihrer
Erfahrung die Dinge fach- und fachgemäß zu betrachten vermögen. Freilich, es
muß ein großer Zug durch die Verwaltung gehen, an ihrer Spitze müssen Führer
stehen) großzügig läßt sich aber auch außerhalb der Parteipolitik arbeite», und
Persönlichkeiten, die zu führen vermögen, gibt es auch außerhalb der politischen
Fraktionen. Nun soll zwar nicht behauptet werden, daß unter den von den Poli¬
tischen Parteien Nominierten sich nicht sachkundige Kräfte befänden! Dies
zu behaupten wäre unsinnig, aber es liegt doch auf der Hand, daß bei der Auf¬
stellung der Listen die Politischen Parteien sich nicht allein von Gemeindenotwendig¬
keiten leiten lassen können, sie haben noch andere, im Interesse der Partei liegende
Rücksichten zu nehmen) sie haben auch Rücksicht zu nehmen auf solche Partei¬
mitglieder, die in der Partei bisher hervorragend tätig gewesen und sich um die
Partei verdient gemacht haben, und es scheiden hierbei vor allem alle diejenigen
Männer und Frauen für die Auswahl aus, und es sind dies nicht die unfähigsten,
die einer politischen Partei sich zu verschreiben nicht gesonnen sind. Wie viele
tüchtige Kräfte liegen dieserhalb brach. So versuchten früher die Stellen, in der
Hauptsache die Bürgervereine, die die Kandidaten aufstellten, sachverständige
Männer aus allen Ständen und Berufen zur Wahl zu präsentieren, wobei
allerdings in schwerer Benennung der tatsächlichen Verhältnisse die Arbeiterschaft
zu wenig berücksichtigt wurde. Die Aufstellung solcher aus fach- und sachkundigen
Männern sich zusammensetzender Kandidatenlisten wird nun erheblich erschwert
dadurch, daß die politischen Parteien je eine eigene Liste bilden, wodurch es aus¬
geschlossen ist, daß die einzelnen Stände und Berufe für die ganze Stadtverord¬
netenversammlung zweckentsprechend berücksichtigt werden. Das System der Ver¬
hältniswahl leistet zudem diesem Mangel überhaupt Vorschub. ES droht jetzt die
Gefahr, daß die einzelnen Stände und Berufe nicht in der Weise vertreten sind,
die ihnen nach ihrer Bedeutung für die Gemeinde zukommt, eine Gefahr, die bei
der Art der gemeindlichen Arbeit nicht zu unterschätzen ist,- es besteht die Möglich¬
keit, daß ein Teil der Mandatare, eben infolge mangelnder Sachkunde für die
hier in Betracht kommenden Dinge, den Führern der Parteien mehr oder weniger
willenlos folgt, wodurch das Gefühl der Verantwortlichkeit des einzelnen geschwächt
wird, und daß ein Teil für die eigentliche gemeindliche Arbeit ausscheidet. Es besteht
die weitere Gefahr, daß die parteipolitischer Fraktionen der Gemeindekörperschaften
bei dem besten Willen zu tüchtiger Arbeit, den niemand ihnen absprechen darf,
sich bei ihrer gemeindlichen Arbeit nicht in vollem Umfange von ihren Partei¬
politischen Interessen freimachen können. Das ist menschlich. Wer die Sitzungen
der Stadtverordnetenversammlungen verfolgt, kennt diese Gefahr und wird sie
nicht leugnen können. So werden die Stadtverordnetenversammlungen zum
Tummelplatz politischen Streits in einem Umfange, wie er den Geschäften nicht
dienlich, so erregen sich hier die politischen Leidenschaften in einem Maße, wie eS
einem kühlen Abwägen schädlich ist, so wird das Stadtparlament zur Kämpfer-
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