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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Polen rüstet gegen Deutschland

davon gesprochen, daß General Haller (Joseph), die Führung der Aufständischen
übernehmen wird.

Stößt die Ausbreitung des Aufstandes auf Schwierigkeiten oder trifft
Deutschland Gegenmaßnahmen, so wird die polnische Armee mit starken Teilen
von Osten und Norden her gegen Oberschlesien eingesetzt werden. Hierzu sind
bereits 4 Divisionen an der oberschlesischen Grenze und 4 Divisionen in Posen
und Westpreußen versammelt. Außerdem stehen bei und westlich Warschau
3 Divisionen zum sofortigen Einsatz gegen Deutschland bereit. Ihre Zahl wird
noch vermehrt werden.

Die Divisionen sind sämtlich marschbereit und schlagfertig. Die Erklärung
der polnischen Regierung, baß die Truppen nur zur Demobilisation in ihre
Heimatsbezirke an der deutschen Grenze verlegt worden seien, ist eine Irreführung.
Es ist zwar die 16. Division in Westpreußen, die 14., 15. und 17. Division in
Posen, die 6. und die Gebirgs-Division in Westgalizien beheimatet. Von ihrer
Demobilisation kann aber keine Rede sein. Wäre sonst etwa das Ulanen-
Regiment 17 der 17. Division, das Mitte November in Gnesen in einer Stärke
von nur 400 Mann und 200 Pferden eintraf, sofort wieder auf volle Kriegsstärke
gebracht worden? Hätte man sonst auch in den übrigen Truppen der genannten
Division die Entlassung einiger älterer Jahrgänge sofort durch Einstellung von
Rekruten ausgeglichen und wären sonst seit Anfang Dezember an der posener
und westpreußischen Grenze Etappenbataillonc eingesetzt worden, deren nur garnison¬
dienstfähige Mannschaften doch das erste Anrecht auf Entlassung hätten? Warum
werden die Ersatzbataillone der 14., 15. und 16. Division auf voller Stärke be¬
lassen? Doch nur, um diesen Divisionen wie den übrigen in ihren Heimats¬
bezirken gegen Deutschland bereitgestellten Divistonen bei einem Einsatz gegen
Deutschland sofort Ersatz zuführen zu können. Auch für den Munitionsnachschub
ist bereits alles vorbereitet worden. Große Munitionsdepots wurden in Posen
und Krakau angelegt. Jedermann in Warschau weiß, daß in der Truppe offen
gegen Deutschland gehetzt wird, und daß die Kommandeure selbst ihren Leuten die
Notwendigkeit einer Wegnahme Oberschlesiens einhämmern. Und die Entente?
Sie sieht dem Treiben der Polen zu, ohne einzuschreiten. Frankreich ist sogar
eifrig bemüht, Polen in seinen Absichten Deutschland gegenüber zu unterstützen.
Eine Rede des Generals Niessel, des Chefs der französischen Militärmission in
Polen, über die Notwendigkeit, die polnische Armee nach Osten und Westen schlag¬
fertig zu erhalten, beweist dies am besten. Man erwartet in Warschau von dem
Besuch Pilsudskis in Paris im Januar den festen Anschluß Polens an Frankreich
und damit die offizielle Unterstützung der polnischen Pläne gegen Deutschland durch
Frankreich, denn auch in Frankreich will man Oberschlesien den Polen in die
Hände spielen, um Deutschland noch mehr zu entkräften, Polen aber durch den
Besitz Oberschlesiens neue Lebenskraft zu geben.

Hierin dürften sich jedoch Frankreich und Polen täuschen.




Polen rüstet gegen Deutschland

davon gesprochen, daß General Haller (Joseph), die Führung der Aufständischen
übernehmen wird.

Stößt die Ausbreitung des Aufstandes auf Schwierigkeiten oder trifft
Deutschland Gegenmaßnahmen, so wird die polnische Armee mit starken Teilen
von Osten und Norden her gegen Oberschlesien eingesetzt werden. Hierzu sind
bereits 4 Divisionen an der oberschlesischen Grenze und 4 Divisionen in Posen
und Westpreußen versammelt. Außerdem stehen bei und westlich Warschau
3 Divisionen zum sofortigen Einsatz gegen Deutschland bereit. Ihre Zahl wird
noch vermehrt werden.

Die Divisionen sind sämtlich marschbereit und schlagfertig. Die Erklärung
der polnischen Regierung, baß die Truppen nur zur Demobilisation in ihre
Heimatsbezirke an der deutschen Grenze verlegt worden seien, ist eine Irreführung.
Es ist zwar die 16. Division in Westpreußen, die 14., 15. und 17. Division in
Posen, die 6. und die Gebirgs-Division in Westgalizien beheimatet. Von ihrer
Demobilisation kann aber keine Rede sein. Wäre sonst etwa das Ulanen-
Regiment 17 der 17. Division, das Mitte November in Gnesen in einer Stärke
von nur 400 Mann und 200 Pferden eintraf, sofort wieder auf volle Kriegsstärke
gebracht worden? Hätte man sonst auch in den übrigen Truppen der genannten
Division die Entlassung einiger älterer Jahrgänge sofort durch Einstellung von
Rekruten ausgeglichen und wären sonst seit Anfang Dezember an der posener
und westpreußischen Grenze Etappenbataillonc eingesetzt worden, deren nur garnison¬
dienstfähige Mannschaften doch das erste Anrecht auf Entlassung hätten? Warum
werden die Ersatzbataillone der 14., 15. und 16. Division auf voller Stärke be¬
lassen? Doch nur, um diesen Divisionen wie den übrigen in ihren Heimats¬
bezirken gegen Deutschland bereitgestellten Divistonen bei einem Einsatz gegen
Deutschland sofort Ersatz zuführen zu können. Auch für den Munitionsnachschub
ist bereits alles vorbereitet worden. Große Munitionsdepots wurden in Posen
und Krakau angelegt. Jedermann in Warschau weiß, daß in der Truppe offen
gegen Deutschland gehetzt wird, und daß die Kommandeure selbst ihren Leuten die
Notwendigkeit einer Wegnahme Oberschlesiens einhämmern. Und die Entente?
Sie sieht dem Treiben der Polen zu, ohne einzuschreiten. Frankreich ist sogar
eifrig bemüht, Polen in seinen Absichten Deutschland gegenüber zu unterstützen.
Eine Rede des Generals Niessel, des Chefs der französischen Militärmission in
Polen, über die Notwendigkeit, die polnische Armee nach Osten und Westen schlag¬
fertig zu erhalten, beweist dies am besten. Man erwartet in Warschau von dem
Besuch Pilsudskis in Paris im Januar den festen Anschluß Polens an Frankreich
und damit die offizielle Unterstützung der polnischen Pläne gegen Deutschland durch
Frankreich, denn auch in Frankreich will man Oberschlesien den Polen in die
Hände spielen, um Deutschland noch mehr zu entkräften, Polen aber durch den
Besitz Oberschlesiens neue Lebenskraft zu geben.

Hierin dürften sich jedoch Frankreich und Polen täuschen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/58>, abgerufen am 29.12.2024.