Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Polen rüstet gegen Deutschland Oberschlesier für Polen gewonnen. Damit glauben die Polen zur Zeit das Über¬ Die erste Abstimmung der ortsansässigen Bevölkerung fällt in wichtigen In Oberschlesien ist seit 1919 eine polnische Selbstschutzorganisation ent¬ Rechnet man diese Organisationen zusammen, so ergibt sich, daß rund Polen rüstet gegen Deutschland Oberschlesier für Polen gewonnen. Damit glauben die Polen zur Zeit das Über¬ Die erste Abstimmung der ortsansässigen Bevölkerung fällt in wichtigen In Oberschlesien ist seit 1919 eine polnische Selbstschutzorganisation ent¬ Rechnet man diese Organisationen zusammen, so ergibt sich, daß rund <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338490"/> <fw type="header" place="top"> Polen rüstet gegen Deutschland</fw><lb/> <p xml:id="ID_152" prev="#ID_151"> Oberschlesier für Polen gewonnen. Damit glauben die Polen zur Zeit das Über¬<lb/> gewicht über die deutschen Stimmen zu haben, aber nur dann, wenn die Ab¬<lb/> stimmung auf die in Oberschlesien ansässige Bevölkerung beschränkt bleibt. Nehmen<lb/> dagegen die außerhalb Oberschlesiens wohnenden Oberschlesier an der Abstimmung<lb/> an Ort und Stelle teil, so sind die Aussichten für Polen sehr trübe. Darum<lb/> arbeitet Polen auf eine Beschränkung der Abstimmung auf die in Oberschlesien<lb/> selbst ansässige Bevölkerung und auf eine Zonenabstimmung hin und erklärt sich<lb/> nur notgedrungen mit einer zeitlich getrennten Abstimmung aller Oberschlesier in<lb/> ihrer Heimat einverstanden. Die Entente unter französischem Einfluß begünstigt<lb/> die zeitlich getrennte Abstimmung. Kommt es nun tatsächlich zu einer solchen, so<lb/> wird sich nach Ansicht polnischer Kreise folgendes Bild entwickeln:</p><lb/> <p xml:id="ID_153"> Die erste Abstimmung der ortsansässigen Bevölkerung fällt in wichtigen<lb/> Bezirken des östlichen oberschlesischen Gebiets zugunsten Polens aus. Man<lb/> glaubt in Warschau nicht daran, daß die deutsche Bevölkerung sich allenthalben<lb/> durchsetzen wird. Die Polen hoffen vielmehr, daß der seit dem Augustaufstand<lb/> in Oberschlesien herrschende Terror der polnischen Stoßtrupps, über den man ja<lb/> auch ab und zu in der deutschen Presse liest, die Wahlbeteiligung der orts¬<lb/> ansässigen Deutschen lahmen wird. Weiter glaubt man in Warschau, daß diese<lb/> erste Wahl der Ortsansässigen anders bewertet wird als die später stattfindende<lb/> der nicht in Oberschlesien wohnenden Oberschlesier, bei der die Polen einen über¬<lb/> wältigenden Sieg der Deutschen fürchten. Fällt nun das Ergebnis der Ab¬<lb/> stimmung trotz aller polnischen Machenschaften zuungunsten Polens aus, so wird<lb/> ein neuer Aufstand der oberschlesischen Polen inszeniert. Er wird die Losreißung<lb/> Oberschlesiens von Deutschland bezwecken. Folgende Vorbereitungen sind hierfür<lb/> getroffen worden:</p><lb/> <p xml:id="ID_154"> In Oberschlesien ist seit 1919 eine polnische Selbstschutzorganisation ent¬<lb/> standen, die über Korfanty von Warschau aus geleitet, bewaffnet und finanziert<lb/> wird. Sie gliedert sich in örtlich zusammengefaßte Verbände bis zu Brigadestärke<lb/> und zählt zur Zeit rund 40 000 Mann. In letzrer Zeit wurden zahlreiche<lb/> kongreßpolnische und posener Offiziere als Führer für diese Organisation nach<lb/> Oberschlesien entsandt. Als Verstärkung des Selbstschutzes ist der Verband ehe¬<lb/> maliger polnischer Soldaten in Oberschlesien, besonders von der Hallerarmee,<lb/> bestimmt, der eine Gruppe der über ganz Polen verbreiteten polnischen Kriegs¬<lb/> organisation (P. O- W.) bildet und zur Zeit in Oberschlesien mehrere tausend<lb/> Mitglieder zählt. Die oberschlesische P. O. W. wird jetzt dauernd durch Sto߬<lb/> trupps aus der regulären Armee und durch die zur Abstimmung aus der Armee<lb/> beurlaubten Oberschlesier verstärkt, die vor ihrer Einreise in Oberschlesien im<lb/> Lager Sosnowice eine Sonderausbildung im Nahkampf, Bahnsprengungen usw.<lb/> erfahren. In Sosnowice liegt ferner ein Bataillon Bojowkas, die besondere<lb/> Terrorgruppen bilden und denen die letzten politischen Morde in Oberschlesien<lb/> zuzuschreiben sind. Längs der Grenze sind außerdem P. O. W.-Organisationen<lb/> in drei Brigaden mit insgesamt 12 000 Mann zum Einmarsch in Oberschlesien<lb/> bereitgestellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_155" next="#ID_156"> Rechnet man diese Organisationen zusammen, so ergibt sich, daß rund<lb/> 70 000 Manu zur Verfügung stehen, die den Aufstand nach polnischer Ansicht<lb/> vom Industriegebiet nach Westen vortragen werden. Allgemein wird in Warschau</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
Polen rüstet gegen Deutschland
Oberschlesier für Polen gewonnen. Damit glauben die Polen zur Zeit das Über¬
gewicht über die deutschen Stimmen zu haben, aber nur dann, wenn die Ab¬
stimmung auf die in Oberschlesien ansässige Bevölkerung beschränkt bleibt. Nehmen
dagegen die außerhalb Oberschlesiens wohnenden Oberschlesier an der Abstimmung
an Ort und Stelle teil, so sind die Aussichten für Polen sehr trübe. Darum
arbeitet Polen auf eine Beschränkung der Abstimmung auf die in Oberschlesien
selbst ansässige Bevölkerung und auf eine Zonenabstimmung hin und erklärt sich
nur notgedrungen mit einer zeitlich getrennten Abstimmung aller Oberschlesier in
ihrer Heimat einverstanden. Die Entente unter französischem Einfluß begünstigt
die zeitlich getrennte Abstimmung. Kommt es nun tatsächlich zu einer solchen, so
wird sich nach Ansicht polnischer Kreise folgendes Bild entwickeln:
Die erste Abstimmung der ortsansässigen Bevölkerung fällt in wichtigen
Bezirken des östlichen oberschlesischen Gebiets zugunsten Polens aus. Man
glaubt in Warschau nicht daran, daß die deutsche Bevölkerung sich allenthalben
durchsetzen wird. Die Polen hoffen vielmehr, daß der seit dem Augustaufstand
in Oberschlesien herrschende Terror der polnischen Stoßtrupps, über den man ja
auch ab und zu in der deutschen Presse liest, die Wahlbeteiligung der orts¬
ansässigen Deutschen lahmen wird. Weiter glaubt man in Warschau, daß diese
erste Wahl der Ortsansässigen anders bewertet wird als die später stattfindende
der nicht in Oberschlesien wohnenden Oberschlesier, bei der die Polen einen über¬
wältigenden Sieg der Deutschen fürchten. Fällt nun das Ergebnis der Ab¬
stimmung trotz aller polnischen Machenschaften zuungunsten Polens aus, so wird
ein neuer Aufstand der oberschlesischen Polen inszeniert. Er wird die Losreißung
Oberschlesiens von Deutschland bezwecken. Folgende Vorbereitungen sind hierfür
getroffen worden:
In Oberschlesien ist seit 1919 eine polnische Selbstschutzorganisation ent¬
standen, die über Korfanty von Warschau aus geleitet, bewaffnet und finanziert
wird. Sie gliedert sich in örtlich zusammengefaßte Verbände bis zu Brigadestärke
und zählt zur Zeit rund 40 000 Mann. In letzrer Zeit wurden zahlreiche
kongreßpolnische und posener Offiziere als Führer für diese Organisation nach
Oberschlesien entsandt. Als Verstärkung des Selbstschutzes ist der Verband ehe¬
maliger polnischer Soldaten in Oberschlesien, besonders von der Hallerarmee,
bestimmt, der eine Gruppe der über ganz Polen verbreiteten polnischen Kriegs¬
organisation (P. O- W.) bildet und zur Zeit in Oberschlesien mehrere tausend
Mitglieder zählt. Die oberschlesische P. O. W. wird jetzt dauernd durch Sto߬
trupps aus der regulären Armee und durch die zur Abstimmung aus der Armee
beurlaubten Oberschlesier verstärkt, die vor ihrer Einreise in Oberschlesien im
Lager Sosnowice eine Sonderausbildung im Nahkampf, Bahnsprengungen usw.
erfahren. In Sosnowice liegt ferner ein Bataillon Bojowkas, die besondere
Terrorgruppen bilden und denen die letzten politischen Morde in Oberschlesien
zuzuschreiben sind. Längs der Grenze sind außerdem P. O. W.-Organisationen
in drei Brigaden mit insgesamt 12 000 Mann zum Einmarsch in Oberschlesien
bereitgestellt.
Rechnet man diese Organisationen zusammen, so ergibt sich, daß rund
70 000 Manu zur Verfügung stehen, die den Aufstand nach polnischer Ansicht
vom Industriegebiet nach Westen vortragen werden. Allgemein wird in Warschau
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