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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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lebenskräftig zu sein. Schon daß man ihn mit dem Versailler Vertrag, jenem
Schanddenkmal grade jener Politischen Ideologie, die er überwinden sollte, unauf¬
löslich (wie jedenfalls die Franzosen versichern) zusammengekoppelt hat, war ein
schwerer Fehler. Ein acht minder schwerer sind Unklarheiten in der Gesamt¬
konzeption, dle auch in Genf nicht haben beseitigt werden können. Es ist ohne
weiteres selbstverständlich, daß sich der Völkerbund von einem beliebigen Staaten¬
kongreß in wesentlicher Weise nur unterscheiden können wird, wenn sich die einzelnen
Staaten entschließen können, einen Teil ihrer Souveränität zugunsten des Ganzen
aufzugeben, so wie auch im Einzelstaate das Einzelindividuum einen Teil seiner
Selbstherrlichkeit an die Gesamtheit abtreten muß. Die Beschlüsse des Völker¬
bundes, mindestens der Vollversammlung, müßten also bindend sein. Aber wie
die Dinge liegen, besteht von selten der Einzelstaaten gerade gegen diele llber-
souveränitat Mißtrauen und die Zurückhaltung und Widerstände, die sich nicht
nur von heuer der Vereinigten Staaten, sondern auch z. B. Kanadas geltend
gemacht haben, beweisen deutlich, daß das Bedürfnis nach Solidarität aller Völker
noch keineswegs überall so heftig empfanden wird, wie hier und da in Europa.
Und so sind denn auch in Genf die Delegierten der einzelnen Staaten nicht als
unbeschränkt Bevollmächtigte, sondern nur zur mehr oder weniger verbindlichen
Beschlußfassung entsandt worden, und gerade in den wichtigsten Punkten: Rüstungs¬
beschränkung, Nobstoffveiteilung, Schiedsgericht, Verfassung des Bundes, Ab¬
änderungen des Paktes, Einschreiten in konkreten Fällen (Wilna, Oberschlesien,
Armenien, Aalandsinseln) sind bestimmte Entschlüsse überhaupt nicht zustande
gekommen oder einstweilen in den Ausschüssen begraben worden. Anlässe genug
für die Idealisten aller Länder, ihre Kräfte anzustrengen.

Was aber ist nun tatsächlich geschehen? Wenn der Völkerbund noch die
ideale Organisation nicht ist, die man bestrebte, was ist er in Wirklichkeit? Ist
er eine Formalität, eine Spiegelfechterei, eine politische Gruppierung, ein Bund
von Demschlcinds Feinden, oder was?

Keines von all diesen ausschließlich und von jedem etwas. Es wäre ein
bedauerlicher Irrtum, wollte man im Völkerbunde' nur eine der vielen, im
wesentlichen zur Versorgung von durch Abschluß des Krieges beschäftigungslos
gewordenen Politischen Beamten gedachten bureaukratischen Einrichtungen ohne jede
reale Bedeutung sehen. Für Deutschland mindestens hat er zunächst die Bedeutung
einer in wichtigen Angelegenheiten (Dmzig, Saarbecken, Kolonien usw.) zuständigen
Behörde, deren Existenz unter allen Umständen Rechnung zu tragen ist. Die
Entscheidungen, die diese Behörde bisher getroffen hat, geben Deutschen allerdings
durchaus Anlaß zu der Vermutung, daß der Völkerbund im wesentlichen ein Bund
der früheren Feinde Deutschlands ist. Aber grade in Genf hat sich doch klar
gezeigt, daß in dieser Form jedenfalls der Bund der Feinde Deutschlands nicht
weiter bestehen kann. Die Widerstände, Vorbehalte und Vorschläge, die von
Skandinaviern, Schweizern, Nord und Südamerikanern ausgingen, beweisen
deutlich, daß ein Bund der Völker, soll er überha >pe weiter bestehen, sich nicht
mehr oder doch nicht ausschließlich mhr gegen Deutschland verwenden läßt, und
zwar ganz abgesehen davon, ob Deutschland Mitglied des Bundes ist oder nicht.
Es darf nicht übersehen werden, daß in dieser Tatsache ein ungeheurer Prestige¬
verlust für die Eniente liegt. Die Ergebnislosigkeit der Genfer Verhandlungen, die
mit Recht auf das Verhaltn der Großmächte zurückgeführt wird, hat bei oller
Neutralen nach den durch die Ententepropaganda während des Weltkrieges über¬
aus hochgespannter Erwartungen eine Enttäuschung ausgelöst, die zu einer
Rehabilitierung des verleumdeten und geschabten Deutschland sicherer fuhren mun,
als das die stärkste deutsche Eigenpropaganda iun könnte. Ein Völkerbund mit
Sy'ezc gegen Deutschland, einerlei ob Amerika Mitglied wird oder nicht, ist acht
mehr denkbar. . ^, ^ >. ^

Weiterhin aber bedeutet der Verlauf der Genfer Verhandlungen unbedingt
eine Niederlage Englands. Die Ansicht, daß England den Völkerbund zur
Befestigung der im Weltkrieg errungenen Ergebnisse benutzen will und nutz, !,l


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lebenskräftig zu sein. Schon daß man ihn mit dem Versailler Vertrag, jenem
Schanddenkmal grade jener Politischen Ideologie, die er überwinden sollte, unauf¬
löslich (wie jedenfalls die Franzosen versichern) zusammengekoppelt hat, war ein
schwerer Fehler. Ein acht minder schwerer sind Unklarheiten in der Gesamt¬
konzeption, dle auch in Genf nicht haben beseitigt werden können. Es ist ohne
weiteres selbstverständlich, daß sich der Völkerbund von einem beliebigen Staaten¬
kongreß in wesentlicher Weise nur unterscheiden können wird, wenn sich die einzelnen
Staaten entschließen können, einen Teil ihrer Souveränität zugunsten des Ganzen
aufzugeben, so wie auch im Einzelstaate das Einzelindividuum einen Teil seiner
Selbstherrlichkeit an die Gesamtheit abtreten muß. Die Beschlüsse des Völker¬
bundes, mindestens der Vollversammlung, müßten also bindend sein. Aber wie
die Dinge liegen, besteht von selten der Einzelstaaten gerade gegen diele llber-
souveränitat Mißtrauen und die Zurückhaltung und Widerstände, die sich nicht
nur von heuer der Vereinigten Staaten, sondern auch z. B. Kanadas geltend
gemacht haben, beweisen deutlich, daß das Bedürfnis nach Solidarität aller Völker
noch keineswegs überall so heftig empfanden wird, wie hier und da in Europa.
Und so sind denn auch in Genf die Delegierten der einzelnen Staaten nicht als
unbeschränkt Bevollmächtigte, sondern nur zur mehr oder weniger verbindlichen
Beschlußfassung entsandt worden, und gerade in den wichtigsten Punkten: Rüstungs¬
beschränkung, Nobstoffveiteilung, Schiedsgericht, Verfassung des Bundes, Ab¬
änderungen des Paktes, Einschreiten in konkreten Fällen (Wilna, Oberschlesien,
Armenien, Aalandsinseln) sind bestimmte Entschlüsse überhaupt nicht zustande
gekommen oder einstweilen in den Ausschüssen begraben worden. Anlässe genug
für die Idealisten aller Länder, ihre Kräfte anzustrengen.

Was aber ist nun tatsächlich geschehen? Wenn der Völkerbund noch die
ideale Organisation nicht ist, die man bestrebte, was ist er in Wirklichkeit? Ist
er eine Formalität, eine Spiegelfechterei, eine politische Gruppierung, ein Bund
von Demschlcinds Feinden, oder was?

Keines von all diesen ausschließlich und von jedem etwas. Es wäre ein
bedauerlicher Irrtum, wollte man im Völkerbunde' nur eine der vielen, im
wesentlichen zur Versorgung von durch Abschluß des Krieges beschäftigungslos
gewordenen Politischen Beamten gedachten bureaukratischen Einrichtungen ohne jede
reale Bedeutung sehen. Für Deutschland mindestens hat er zunächst die Bedeutung
einer in wichtigen Angelegenheiten (Dmzig, Saarbecken, Kolonien usw.) zuständigen
Behörde, deren Existenz unter allen Umständen Rechnung zu tragen ist. Die
Entscheidungen, die diese Behörde bisher getroffen hat, geben Deutschen allerdings
durchaus Anlaß zu der Vermutung, daß der Völkerbund im wesentlichen ein Bund
der früheren Feinde Deutschlands ist. Aber grade in Genf hat sich doch klar
gezeigt, daß in dieser Form jedenfalls der Bund der Feinde Deutschlands nicht
weiter bestehen kann. Die Widerstände, Vorbehalte und Vorschläge, die von
Skandinaviern, Schweizern, Nord und Südamerikanern ausgingen, beweisen
deutlich, daß ein Bund der Völker, soll er überha >pe weiter bestehen, sich nicht
mehr oder doch nicht ausschließlich mhr gegen Deutschland verwenden läßt, und
zwar ganz abgesehen davon, ob Deutschland Mitglied des Bundes ist oder nicht.
Es darf nicht übersehen werden, daß in dieser Tatsache ein ungeheurer Prestige¬
verlust für die Eniente liegt. Die Ergebnislosigkeit der Genfer Verhandlungen, die
mit Recht auf das Verhaltn der Großmächte zurückgeführt wird, hat bei oller
Neutralen nach den durch die Ententepropaganda während des Weltkrieges über¬
aus hochgespannter Erwartungen eine Enttäuschung ausgelöst, die zu einer
Rehabilitierung des verleumdeten und geschabten Deutschland sicherer fuhren mun,
als das die stärkste deutsche Eigenpropaganda iun könnte. Ein Völkerbund mit
Sy'ezc gegen Deutschland, einerlei ob Amerika Mitglied wird oder nicht, ist acht
mehr denkbar. . ^, ^ >. ^

Weiterhin aber bedeutet der Verlauf der Genfer Verhandlungen unbedingt
eine Niederlage Englands. Die Ansicht, daß England den Völkerbund zur
Befestigung der im Weltkrieg errungenen Ergebnisse benutzen will und nutz, !,l


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[0039] Weltspiegel lebenskräftig zu sein. Schon daß man ihn mit dem Versailler Vertrag, jenem Schanddenkmal grade jener Politischen Ideologie, die er überwinden sollte, unauf¬ löslich (wie jedenfalls die Franzosen versichern) zusammengekoppelt hat, war ein schwerer Fehler. Ein acht minder schwerer sind Unklarheiten in der Gesamt¬ konzeption, dle auch in Genf nicht haben beseitigt werden können. Es ist ohne weiteres selbstverständlich, daß sich der Völkerbund von einem beliebigen Staaten¬ kongreß in wesentlicher Weise nur unterscheiden können wird, wenn sich die einzelnen Staaten entschließen können, einen Teil ihrer Souveränität zugunsten des Ganzen aufzugeben, so wie auch im Einzelstaate das Einzelindividuum einen Teil seiner Selbstherrlichkeit an die Gesamtheit abtreten muß. Die Beschlüsse des Völker¬ bundes, mindestens der Vollversammlung, müßten also bindend sein. Aber wie die Dinge liegen, besteht von selten der Einzelstaaten gerade gegen diele llber- souveränitat Mißtrauen und die Zurückhaltung und Widerstände, die sich nicht nur von heuer der Vereinigten Staaten, sondern auch z. B. Kanadas geltend gemacht haben, beweisen deutlich, daß das Bedürfnis nach Solidarität aller Völker noch keineswegs überall so heftig empfanden wird, wie hier und da in Europa. Und so sind denn auch in Genf die Delegierten der einzelnen Staaten nicht als unbeschränkt Bevollmächtigte, sondern nur zur mehr oder weniger verbindlichen Beschlußfassung entsandt worden, und gerade in den wichtigsten Punkten: Rüstungs¬ beschränkung, Nobstoffveiteilung, Schiedsgericht, Verfassung des Bundes, Ab¬ änderungen des Paktes, Einschreiten in konkreten Fällen (Wilna, Oberschlesien, Armenien, Aalandsinseln) sind bestimmte Entschlüsse überhaupt nicht zustande gekommen oder einstweilen in den Ausschüssen begraben worden. Anlässe genug für die Idealisten aller Länder, ihre Kräfte anzustrengen. Was aber ist nun tatsächlich geschehen? Wenn der Völkerbund noch die ideale Organisation nicht ist, die man bestrebte, was ist er in Wirklichkeit? Ist er eine Formalität, eine Spiegelfechterei, eine politische Gruppierung, ein Bund von Demschlcinds Feinden, oder was? Keines von all diesen ausschließlich und von jedem etwas. Es wäre ein bedauerlicher Irrtum, wollte man im Völkerbunde' nur eine der vielen, im wesentlichen zur Versorgung von durch Abschluß des Krieges beschäftigungslos gewordenen Politischen Beamten gedachten bureaukratischen Einrichtungen ohne jede reale Bedeutung sehen. Für Deutschland mindestens hat er zunächst die Bedeutung einer in wichtigen Angelegenheiten (Dmzig, Saarbecken, Kolonien usw.) zuständigen Behörde, deren Existenz unter allen Umständen Rechnung zu tragen ist. Die Entscheidungen, die diese Behörde bisher getroffen hat, geben Deutschen allerdings durchaus Anlaß zu der Vermutung, daß der Völkerbund im wesentlichen ein Bund der früheren Feinde Deutschlands ist. Aber grade in Genf hat sich doch klar gezeigt, daß in dieser Form jedenfalls der Bund der Feinde Deutschlands nicht weiter bestehen kann. Die Widerstände, Vorbehalte und Vorschläge, die von Skandinaviern, Schweizern, Nord und Südamerikanern ausgingen, beweisen deutlich, daß ein Bund der Völker, soll er überha >pe weiter bestehen, sich nicht mehr oder doch nicht ausschließlich mhr gegen Deutschland verwenden läßt, und zwar ganz abgesehen davon, ob Deutschland Mitglied des Bundes ist oder nicht. Es darf nicht übersehen werden, daß in dieser Tatsache ein ungeheurer Prestige¬ verlust für die Eniente liegt. Die Ergebnislosigkeit der Genfer Verhandlungen, die mit Recht auf das Verhaltn der Großmächte zurückgeführt wird, hat bei oller Neutralen nach den durch die Ententepropaganda während des Weltkrieges über¬ aus hochgespannter Erwartungen eine Enttäuschung ausgelöst, die zu einer Rehabilitierung des verleumdeten und geschabten Deutschland sicherer fuhren mun, als das die stärkste deutsche Eigenpropaganda iun könnte. Ein Völkerbund mit Sy'ezc gegen Deutschland, einerlei ob Amerika Mitglied wird oder nicht, ist acht mehr denkbar. . ^, ^ >. ^ Weiterhin aber bedeutet der Verlauf der Genfer Verhandlungen unbedingt eine Niederlage Englands. Die Ansicht, daß England den Völkerbund zur Befestigung der im Weltkrieg errungenen Ergebnisse benutzen will und nutz, !,l

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/39>, abgerufen am 29.06.2024.