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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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geworden und eine Verwendung der berufsständischcn Gliederung zur Abstufung
des Wahlrechts kommt, wie Herrfahrdt richtig betont, für Deutschland nicht mehr
ernstlich in Frage.

Demgegenüber hat der wichtigste Grund für die Forderung einer berufs¬
ständischen Vertretung ständig an Bedeutung zugenommen. Es ist dies die
Forderung nach sachlicherer Vertretung der Volksinteressen, als sie im politischen
Parlament stattfinden kann und stattgefunden hat. Als Bismarck seinen Volks¬
wirtschaftsrat im Jahre 1881 ins Leben rief, stand im Bordergrund die Sorge,
"daß die Parteien die Regierung nicht genügend mit sachlichen Erfcchrungs- und
Tatsachenmaterial unterstützten und daß sie durch künstliche Verschärfung der
Gegensätze den Gang der Staatsmaschine erschwerten". Auf der anderen Seite
hatte Marx gegen den Parlamentarismus den Vorwurf erhoben, "daß die Mandate
dem Ehrgeiz der Abgeordneten oder dem selbstsüchtigen Interesse kleiner Kapitalisten¬
gruppen dienten, der politisch unerfahrene Proletarier aber um sein Wahlrecht
betrogen würde". Sowohl die Bismarcksche Kritik, wie die Kritik von Marx
fanden zunächst nur geringes Verständnis, "da der Arbeiterschaft, so lange sie
noch gegen die Zurücksetzung vom Wahlrecht zu kämpfen hatte, das Interesse für
die grundsätzlichen Fehler des Parlamentarismus fern lag". Heute sind auch
weiteren Kreisen Urteile geläufiger, wie sie Herrfahrdt z. B. in folgenden Sätzen
wiedergibt: "In den Mittelpunkt des parteipolitischer Denkens treten diejenigen
Gesichtspunkte, die sich für die Werbetätigkeit in der Masse am besten eignen.
Der deutsche Volkscharakter hat dabei zwei Mittel ganz besonders hervortreten
lassen: Das Ausspielen einer Volksklasse gegen die andere und das Arbeiten
mit unkontrollierbaren Zukunftsidealen. Die Parteizersplitterung macht es den
Parteien besonders leicht, mit unerfüllbaren Versprechungen zu arbeiten, da
niemals eine Partei in die Lage kommt, allein die Politik bestimmen zu können
und ihre Versprechungen einlösen zu müssen. Gerade die Fragen, die den Staats¬
mann am meisten beschäftigen müssen, die Erkenntnis des Erreichbaren, die richtige
Begrenzung der Sonderinteressen und die Uberbrückung der Gegensätze durch
schöpferische Synthesen bleiben im parteipolitischer Denken abseits liegen."

Dieser Kritik des Parlamentarismus gegenüber prüft nun Herrfahrdt die
Frage, inwieweit die berufsständische Vertretung geeignet ist, hier eine Besserung
herbeizuführen. "Von den Freunden des berufsständischen Gedankens wird meist
mit Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, daß in Berufsverbänden die wirklichen
Volksinteressen einen sachlicheren Ausdruck finden als in den politischen Parteien."
Sie hätten eine stärkere Neigung, die Interessengegensätze auf dem Wege sachlichen
VerHandelns als auf dem der Abstimmung zu lösen. "Je offener sich Interessen¬
gruppen gegenüberstehen, je konkreter ihre beiderseitigen Forderungen festliegen
und je klarer die Machtverhältnisse zu übersehen sind, uni so leichter wird der
Kampf als überflüssig erkannt und vermieden." Zugegeben, daß diese Vorzüge
der Berufsverbände für eine berufsständische Vertretung sprechen, so ist es nach
Herrfahrdt doch keineswegs sicher, "daß die günstigen Wirkungen, die diese Form
der Bethätigung auf die Berufsverbände ausgeübt hat, sich auch erhalten würden,
wenn man Vertreter der Berussverbände in einem Parlament durch Abstimmung
entscheiden lasse". Neben diesen Bedenken, die sich insbesondere gegen die
parlamentarische Methode in der berufsständischen Vertretung wenden, kommt als
zweites Bedenken hinzu, daß berufsständische Vertretungen heute bei der gewaltigen
wirtschaftlichen Arbeitsteilung des Volkes außerordentlich umfangreich werden
müssen, damit wirklich alle Interessen dort vertreten sind. Das hat sich bereits
bei der Bildung des vorläufigen Reichswirtschaftsrats ergeben, der mit 1"v Mit¬
gliedern in Aussicht genommen war und schließlich 326 erhielt. "Ferner aber
kann der einzelne Sachkundige in der berufsständischen Vertretung nur dann hin¬
reichend zur Geltung kommen, wenn ihm nicht die Masse der mi Einzelfalle
Unbeteiligten gegenübersteht. Es müßten also, ,Me es schon Mohl und Planck
verlangt haben, für jede einzelne Aufgabe Sondervertretungen aus den unmittel¬
bar Beteiligten gebildet werden."


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geworden und eine Verwendung der berufsständischcn Gliederung zur Abstufung
des Wahlrechts kommt, wie Herrfahrdt richtig betont, für Deutschland nicht mehr
ernstlich in Frage.

Demgegenüber hat der wichtigste Grund für die Forderung einer berufs¬
ständischen Vertretung ständig an Bedeutung zugenommen. Es ist dies die
Forderung nach sachlicherer Vertretung der Volksinteressen, als sie im politischen
Parlament stattfinden kann und stattgefunden hat. Als Bismarck seinen Volks¬
wirtschaftsrat im Jahre 1881 ins Leben rief, stand im Bordergrund die Sorge,
„daß die Parteien die Regierung nicht genügend mit sachlichen Erfcchrungs- und
Tatsachenmaterial unterstützten und daß sie durch künstliche Verschärfung der
Gegensätze den Gang der Staatsmaschine erschwerten". Auf der anderen Seite
hatte Marx gegen den Parlamentarismus den Vorwurf erhoben, „daß die Mandate
dem Ehrgeiz der Abgeordneten oder dem selbstsüchtigen Interesse kleiner Kapitalisten¬
gruppen dienten, der politisch unerfahrene Proletarier aber um sein Wahlrecht
betrogen würde". Sowohl die Bismarcksche Kritik, wie die Kritik von Marx
fanden zunächst nur geringes Verständnis, „da der Arbeiterschaft, so lange sie
noch gegen die Zurücksetzung vom Wahlrecht zu kämpfen hatte, das Interesse für
die grundsätzlichen Fehler des Parlamentarismus fern lag". Heute sind auch
weiteren Kreisen Urteile geläufiger, wie sie Herrfahrdt z. B. in folgenden Sätzen
wiedergibt: „In den Mittelpunkt des parteipolitischer Denkens treten diejenigen
Gesichtspunkte, die sich für die Werbetätigkeit in der Masse am besten eignen.
Der deutsche Volkscharakter hat dabei zwei Mittel ganz besonders hervortreten
lassen: Das Ausspielen einer Volksklasse gegen die andere und das Arbeiten
mit unkontrollierbaren Zukunftsidealen. Die Parteizersplitterung macht es den
Parteien besonders leicht, mit unerfüllbaren Versprechungen zu arbeiten, da
niemals eine Partei in die Lage kommt, allein die Politik bestimmen zu können
und ihre Versprechungen einlösen zu müssen. Gerade die Fragen, die den Staats¬
mann am meisten beschäftigen müssen, die Erkenntnis des Erreichbaren, die richtige
Begrenzung der Sonderinteressen und die Uberbrückung der Gegensätze durch
schöpferische Synthesen bleiben im parteipolitischer Denken abseits liegen."

Dieser Kritik des Parlamentarismus gegenüber prüft nun Herrfahrdt die
Frage, inwieweit die berufsständische Vertretung geeignet ist, hier eine Besserung
herbeizuführen. „Von den Freunden des berufsständischen Gedankens wird meist
mit Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, daß in Berufsverbänden die wirklichen
Volksinteressen einen sachlicheren Ausdruck finden als in den politischen Parteien."
Sie hätten eine stärkere Neigung, die Interessengegensätze auf dem Wege sachlichen
VerHandelns als auf dem der Abstimmung zu lösen. „Je offener sich Interessen¬
gruppen gegenüberstehen, je konkreter ihre beiderseitigen Forderungen festliegen
und je klarer die Machtverhältnisse zu übersehen sind, uni so leichter wird der
Kampf als überflüssig erkannt und vermieden." Zugegeben, daß diese Vorzüge
der Berufsverbände für eine berufsständische Vertretung sprechen, so ist es nach
Herrfahrdt doch keineswegs sicher, „daß die günstigen Wirkungen, die diese Form
der Bethätigung auf die Berufsverbände ausgeübt hat, sich auch erhalten würden,
wenn man Vertreter der Berussverbände in einem Parlament durch Abstimmung
entscheiden lasse". Neben diesen Bedenken, die sich insbesondere gegen die
parlamentarische Methode in der berufsständischen Vertretung wenden, kommt als
zweites Bedenken hinzu, daß berufsständische Vertretungen heute bei der gewaltigen
wirtschaftlichen Arbeitsteilung des Volkes außerordentlich umfangreich werden
müssen, damit wirklich alle Interessen dort vertreten sind. Das hat sich bereits
bei der Bildung des vorläufigen Reichswirtschaftsrats ergeben, der mit 1»v Mit¬
gliedern in Aussicht genommen war und schließlich 326 erhielt. „Ferner aber
kann der einzelne Sachkundige in der berufsständischen Vertretung nur dann hin¬
reichend zur Geltung kommen, wenn ihm nicht die Masse der mi Einzelfalle
Unbeteiligten gegenübersteht. Es müßten also, ,Me es schon Mohl und Planck
verlangt haben, für jede einzelne Aufgabe Sondervertretungen aus den unmittel¬
bar Beteiligten gebildet werden."


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[0329] Aus neuen Büchern geworden und eine Verwendung der berufsständischcn Gliederung zur Abstufung des Wahlrechts kommt, wie Herrfahrdt richtig betont, für Deutschland nicht mehr ernstlich in Frage. Demgegenüber hat der wichtigste Grund für die Forderung einer berufs¬ ständischen Vertretung ständig an Bedeutung zugenommen. Es ist dies die Forderung nach sachlicherer Vertretung der Volksinteressen, als sie im politischen Parlament stattfinden kann und stattgefunden hat. Als Bismarck seinen Volks¬ wirtschaftsrat im Jahre 1881 ins Leben rief, stand im Bordergrund die Sorge, „daß die Parteien die Regierung nicht genügend mit sachlichen Erfcchrungs- und Tatsachenmaterial unterstützten und daß sie durch künstliche Verschärfung der Gegensätze den Gang der Staatsmaschine erschwerten". Auf der anderen Seite hatte Marx gegen den Parlamentarismus den Vorwurf erhoben, „daß die Mandate dem Ehrgeiz der Abgeordneten oder dem selbstsüchtigen Interesse kleiner Kapitalisten¬ gruppen dienten, der politisch unerfahrene Proletarier aber um sein Wahlrecht betrogen würde". Sowohl die Bismarcksche Kritik, wie die Kritik von Marx fanden zunächst nur geringes Verständnis, „da der Arbeiterschaft, so lange sie noch gegen die Zurücksetzung vom Wahlrecht zu kämpfen hatte, das Interesse für die grundsätzlichen Fehler des Parlamentarismus fern lag". Heute sind auch weiteren Kreisen Urteile geläufiger, wie sie Herrfahrdt z. B. in folgenden Sätzen wiedergibt: „In den Mittelpunkt des parteipolitischer Denkens treten diejenigen Gesichtspunkte, die sich für die Werbetätigkeit in der Masse am besten eignen. Der deutsche Volkscharakter hat dabei zwei Mittel ganz besonders hervortreten lassen: Das Ausspielen einer Volksklasse gegen die andere und das Arbeiten mit unkontrollierbaren Zukunftsidealen. Die Parteizersplitterung macht es den Parteien besonders leicht, mit unerfüllbaren Versprechungen zu arbeiten, da niemals eine Partei in die Lage kommt, allein die Politik bestimmen zu können und ihre Versprechungen einlösen zu müssen. Gerade die Fragen, die den Staats¬ mann am meisten beschäftigen müssen, die Erkenntnis des Erreichbaren, die richtige Begrenzung der Sonderinteressen und die Uberbrückung der Gegensätze durch schöpferische Synthesen bleiben im parteipolitischer Denken abseits liegen." Dieser Kritik des Parlamentarismus gegenüber prüft nun Herrfahrdt die Frage, inwieweit die berufsständische Vertretung geeignet ist, hier eine Besserung herbeizuführen. „Von den Freunden des berufsständischen Gedankens wird meist mit Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, daß in Berufsverbänden die wirklichen Volksinteressen einen sachlicheren Ausdruck finden als in den politischen Parteien." Sie hätten eine stärkere Neigung, die Interessengegensätze auf dem Wege sachlichen VerHandelns als auf dem der Abstimmung zu lösen. „Je offener sich Interessen¬ gruppen gegenüberstehen, je konkreter ihre beiderseitigen Forderungen festliegen und je klarer die Machtverhältnisse zu übersehen sind, uni so leichter wird der Kampf als überflüssig erkannt und vermieden." Zugegeben, daß diese Vorzüge der Berufsverbände für eine berufsständische Vertretung sprechen, so ist es nach Herrfahrdt doch keineswegs sicher, „daß die günstigen Wirkungen, die diese Form der Bethätigung auf die Berufsverbände ausgeübt hat, sich auch erhalten würden, wenn man Vertreter der Berussverbände in einem Parlament durch Abstimmung entscheiden lasse". Neben diesen Bedenken, die sich insbesondere gegen die parlamentarische Methode in der berufsständischen Vertretung wenden, kommt als zweites Bedenken hinzu, daß berufsständische Vertretungen heute bei der gewaltigen wirtschaftlichen Arbeitsteilung des Volkes außerordentlich umfangreich werden müssen, damit wirklich alle Interessen dort vertreten sind. Das hat sich bereits bei der Bildung des vorläufigen Reichswirtschaftsrats ergeben, der mit 1»v Mit¬ gliedern in Aussicht genommen war und schließlich 326 erhielt. „Ferner aber kann der einzelne Sachkundige in der berufsständischen Vertretung nur dann hin¬ reichend zur Geltung kommen, wenn ihm nicht die Masse der mi Einzelfalle Unbeteiligten gegenübersteht. Es müßten also, ,Me es schon Mohl und Planck verlangt haben, für jede einzelne Aufgabe Sondervertretungen aus den unmittel¬ bar Beteiligten gebildet werden."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/329>, abgerufen am 29.06.2024.