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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Weltspiegel

verstanden, den Sieg zu seinem Sieg zu machen, Frankreich hat nur die Brosamen
erhalten, die von der Herren Tische sielen.


"Weil die Politik des agressiven Patriotismus Clemenceaus und derer, die ihm
zur Macht verhelfen hatten, der Nati in oder den Nationen, die rivalisierende Mariner und
Weltherrscher ausschalten und riesige Gebiete erobern, die vernichten, nicht schaffen wollten,
nichte, deshalb stand sie im Widerspruch zu den Zielen, die Frankreich hätte verfolgen
müssen. Vor dem Kriege bemühte sich, solange die Republikaner regierten, Frankreich nicht
ohne Erfolg, die Großmächte eine durch die andere im Zaum zu halten. Frankreich mußte
versuchen, die Entwicklung der großen Imperien, mit denen es in einer Reihe stand, eine
Entwicklung, die sich nur auf seine Kosten vollziehen konnte, hintanzuhalten oder wenigstens
zu verlangsamen. Auch als die Katastrophe eingetreten war, hätte unser Land gegen die
angelsächsische Macht, deren Macht der Krieg notwendig stärken mußte, ein Gegengewicht
finden müssen . .. Wir hätten in Erinnerung an unser Ideal von 1791/179S und indem
wir unsere Handlungen mit unseren Worten in Einklang brachten, die Entfaltung der
europäischen Demokratie vorbereiten und sie versöhnlich und edelmütig auf uns zu orientieren
müssen."

Infolgedessen ist Caillaur auch mit der Politik beim Friedensschluß nicht
einverstanden:


"Nach dem Kriege gab es nur ein Mittel, die wirtschaftliche und finanzielle Ordnung
wiederherzustellen: Europa noch enger als vor dem Kriege zu solidarisieren und alle Völker
zu gemeinsamer Arbeit berufen. Die Schulden Europas mußte man abhauen, inter¬
nationalisieren, sich nicht mit phantastische" Zahlen aufhalten, sondern die Realität der
jährlich abzutragenden Zinsen und Amortisationen zugrunde legen und die Gesamtlast, nach-
dem man sie so weit wie möglich reduziert hatte, unter alle Völker gemäß ihrer Tragkraft
und Verantwortlichkeit mittels gleichmäßiger Steuer aufteilen .... Dem Warenaustausch
durfte man durch überhöhe Zolltarife keine Hindernisse in den Weg legen .... Man
durfte den neu zur Politik berufenen Völkern nicht gestatten, die bestehenden Bahnen des
Handels und der Industrie zu stören .... Statt dessen hat man eine Verwirrung herauf¬
beschworen, die die Lebcnsguellen Europas eintrocknen läßt, die Wechselkurse erschüttert,
während Europas Vermögen zerstiebt, und nachdem es die ganze Welt wirtschaftlich beherrscht
hat, zusehen muß, wie zwei große Länder sich seiner alten Märkte bemächtigen und seine
früheren Kunden ihre Selbstversorgung organisieren. Wenn die Völker des alten Kontinent"
sich nicht einigen können und sich nicht zu gemeinsamer Arbeit organisieren, werden sie bald
Schwierigkeiten haben, weiter zu leben."

Infolgedessen wird auch die Arbeit der Friedenskonferenz einer energischen
Kritik unterzogen:


"Die Wiederherstellungsfrage wäre zugunsten Frankreichs in einigen Minuten gelöst
worden, wenn man sich an die vierzehn Punkte Wilsons gehalten hätte, deren einer be¬
stimmte, daß die Besiegten verpflichtet sein sollten, die dem Privateigentum, und Privat¬
personen zugefügten Schäden wiedergutzumachen. Aber die Nationalisten hatten die Formel
aufgebracht: "Deutschland wird alles bezahlen." Von allen Dächern hatte man es herunter-
gcschrien, daß alle Kriegskosten vom Angreifer zurückgezahlt werden würden .... Hätte
es sich nicht von selbst verstanden, daß man der Entschädigung für die Nealverluste den
Vorrang vor den Pensionen, wenn man diese schon mit hinzurechnen wollte, einräumte.
Noch weniger begreife ich, wie man nicht die Aushebung der interalliierten Schuld ver
langte, die für unser Land eine Lebensfrage bedeutete .... Wir haben reichlich unser Blut
für die gemeinsame Sache hingegeben. Eisen und Kohle mußten wir von den Verbündeten
verlangen. Man gab sie uns, d. h. man ließ sie sich bezahlen .... Die Alliierten hätten
wenigstens keine Zahlung für die Munition, mit der sie unsere Helden versahen, verlangen
dürfen. Aber davon ist keine Rede in Paris gewesen .... Frankreich ist zum Finanz
vasall der Angelsachsen geworden."

- v, s- Caillaur will einen großen Teil der Folgen dieser unheilvollen Nationalisten-
M"k vorausgesehen haben. Seine These ist, daß Frankreich früher hätte Frieden
Mießen müssen. Schon nach der Marne- und Yserschlacht:


"Ein 1915 geschlossener Friede wäre für die Zentralmächtc sicher nicht der Erdrückungs
Mede gewesen wie 1918, wenn man aber die Bilanz dieser Hypothese mit der der Wirklichkeit
vergleicht, so muß man feststellen, daß der Friede nach Marne und Dscr dem einzigen Land,
siegreich war, Frankreich, die moralische Hegemonie zugefallen wäre". Auch 1916,
^ " vaeden sich Fricdcnsmöglichkeiten geboten. "Aber die Chauvinisten, die Imperialisten,
^teaktwnarc aller Art erhoben sich heftig gegen alle derartigen Ideen. Mit geschickter

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verstanden, den Sieg zu seinem Sieg zu machen, Frankreich hat nur die Brosamen
erhalten, die von der Herren Tische sielen.


„Weil die Politik des agressiven Patriotismus Clemenceaus und derer, die ihm
zur Macht verhelfen hatten, der Nati in oder den Nationen, die rivalisierende Mariner und
Weltherrscher ausschalten und riesige Gebiete erobern, die vernichten, nicht schaffen wollten,
nichte, deshalb stand sie im Widerspruch zu den Zielen, die Frankreich hätte verfolgen
müssen. Vor dem Kriege bemühte sich, solange die Republikaner regierten, Frankreich nicht
ohne Erfolg, die Großmächte eine durch die andere im Zaum zu halten. Frankreich mußte
versuchen, die Entwicklung der großen Imperien, mit denen es in einer Reihe stand, eine
Entwicklung, die sich nur auf seine Kosten vollziehen konnte, hintanzuhalten oder wenigstens
zu verlangsamen. Auch als die Katastrophe eingetreten war, hätte unser Land gegen die
angelsächsische Macht, deren Macht der Krieg notwendig stärken mußte, ein Gegengewicht
finden müssen . .. Wir hätten in Erinnerung an unser Ideal von 1791/179S und indem
wir unsere Handlungen mit unseren Worten in Einklang brachten, die Entfaltung der
europäischen Demokratie vorbereiten und sie versöhnlich und edelmütig auf uns zu orientieren
müssen."

Infolgedessen ist Caillaur auch mit der Politik beim Friedensschluß nicht
einverstanden:


„Nach dem Kriege gab es nur ein Mittel, die wirtschaftliche und finanzielle Ordnung
wiederherzustellen: Europa noch enger als vor dem Kriege zu solidarisieren und alle Völker
zu gemeinsamer Arbeit berufen. Die Schulden Europas mußte man abhauen, inter¬
nationalisieren, sich nicht mit phantastische» Zahlen aufhalten, sondern die Realität der
jährlich abzutragenden Zinsen und Amortisationen zugrunde legen und die Gesamtlast, nach-
dem man sie so weit wie möglich reduziert hatte, unter alle Völker gemäß ihrer Tragkraft
und Verantwortlichkeit mittels gleichmäßiger Steuer aufteilen .... Dem Warenaustausch
durfte man durch überhöhe Zolltarife keine Hindernisse in den Weg legen .... Man
durfte den neu zur Politik berufenen Völkern nicht gestatten, die bestehenden Bahnen des
Handels und der Industrie zu stören .... Statt dessen hat man eine Verwirrung herauf¬
beschworen, die die Lebcnsguellen Europas eintrocknen läßt, die Wechselkurse erschüttert,
während Europas Vermögen zerstiebt, und nachdem es die ganze Welt wirtschaftlich beherrscht
hat, zusehen muß, wie zwei große Länder sich seiner alten Märkte bemächtigen und seine
früheren Kunden ihre Selbstversorgung organisieren. Wenn die Völker des alten Kontinent«
sich nicht einigen können und sich nicht zu gemeinsamer Arbeit organisieren, werden sie bald
Schwierigkeiten haben, weiter zu leben."

Infolgedessen wird auch die Arbeit der Friedenskonferenz einer energischen
Kritik unterzogen:


„Die Wiederherstellungsfrage wäre zugunsten Frankreichs in einigen Minuten gelöst
worden, wenn man sich an die vierzehn Punkte Wilsons gehalten hätte, deren einer be¬
stimmte, daß die Besiegten verpflichtet sein sollten, die dem Privateigentum, und Privat¬
personen zugefügten Schäden wiedergutzumachen. Aber die Nationalisten hatten die Formel
aufgebracht: „Deutschland wird alles bezahlen." Von allen Dächern hatte man es herunter-
gcschrien, daß alle Kriegskosten vom Angreifer zurückgezahlt werden würden .... Hätte
es sich nicht von selbst verstanden, daß man der Entschädigung für die Nealverluste den
Vorrang vor den Pensionen, wenn man diese schon mit hinzurechnen wollte, einräumte.
Noch weniger begreife ich, wie man nicht die Aushebung der interalliierten Schuld ver
langte, die für unser Land eine Lebensfrage bedeutete .... Wir haben reichlich unser Blut
für die gemeinsame Sache hingegeben. Eisen und Kohle mußten wir von den Verbündeten
verlangen. Man gab sie uns, d. h. man ließ sie sich bezahlen .... Die Alliierten hätten
wenigstens keine Zahlung für die Munition, mit der sie unsere Helden versahen, verlangen
dürfen. Aber davon ist keine Rede in Paris gewesen .... Frankreich ist zum Finanz
vasall der Angelsachsen geworden."

- v, s- Caillaur will einen großen Teil der Folgen dieser unheilvollen Nationalisten-
M"k vorausgesehen haben. Seine These ist, daß Frankreich früher hätte Frieden
Mießen müssen. Schon nach der Marne- und Yserschlacht:


„Ein 1915 geschlossener Friede wäre für die Zentralmächtc sicher nicht der Erdrückungs
Mede gewesen wie 1918, wenn man aber die Bilanz dieser Hypothese mit der der Wirklichkeit
vergleicht, so muß man feststellen, daß der Friede nach Marne und Dscr dem einzigen Land,
siegreich war, Frankreich, die moralische Hegemonie zugefallen wäre". Auch 1916,
^ " vaeden sich Fricdcnsmöglichkeiten geboten. „Aber die Chauvinisten, die Imperialisten,
^teaktwnarc aller Art erhoben sich heftig gegen alle derartigen Ideen. Mit geschickter

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[0293] Weltspiegel verstanden, den Sieg zu seinem Sieg zu machen, Frankreich hat nur die Brosamen erhalten, die von der Herren Tische sielen. „Weil die Politik des agressiven Patriotismus Clemenceaus und derer, die ihm zur Macht verhelfen hatten, der Nati in oder den Nationen, die rivalisierende Mariner und Weltherrscher ausschalten und riesige Gebiete erobern, die vernichten, nicht schaffen wollten, nichte, deshalb stand sie im Widerspruch zu den Zielen, die Frankreich hätte verfolgen müssen. Vor dem Kriege bemühte sich, solange die Republikaner regierten, Frankreich nicht ohne Erfolg, die Großmächte eine durch die andere im Zaum zu halten. Frankreich mußte versuchen, die Entwicklung der großen Imperien, mit denen es in einer Reihe stand, eine Entwicklung, die sich nur auf seine Kosten vollziehen konnte, hintanzuhalten oder wenigstens zu verlangsamen. Auch als die Katastrophe eingetreten war, hätte unser Land gegen die angelsächsische Macht, deren Macht der Krieg notwendig stärken mußte, ein Gegengewicht finden müssen . .. Wir hätten in Erinnerung an unser Ideal von 1791/179S und indem wir unsere Handlungen mit unseren Worten in Einklang brachten, die Entfaltung der europäischen Demokratie vorbereiten und sie versöhnlich und edelmütig auf uns zu orientieren müssen." Infolgedessen ist Caillaur auch mit der Politik beim Friedensschluß nicht einverstanden: „Nach dem Kriege gab es nur ein Mittel, die wirtschaftliche und finanzielle Ordnung wiederherzustellen: Europa noch enger als vor dem Kriege zu solidarisieren und alle Völker zu gemeinsamer Arbeit berufen. Die Schulden Europas mußte man abhauen, inter¬ nationalisieren, sich nicht mit phantastische» Zahlen aufhalten, sondern die Realität der jährlich abzutragenden Zinsen und Amortisationen zugrunde legen und die Gesamtlast, nach- dem man sie so weit wie möglich reduziert hatte, unter alle Völker gemäß ihrer Tragkraft und Verantwortlichkeit mittels gleichmäßiger Steuer aufteilen .... Dem Warenaustausch durfte man durch überhöhe Zolltarife keine Hindernisse in den Weg legen .... Man durfte den neu zur Politik berufenen Völkern nicht gestatten, die bestehenden Bahnen des Handels und der Industrie zu stören .... Statt dessen hat man eine Verwirrung herauf¬ beschworen, die die Lebcnsguellen Europas eintrocknen läßt, die Wechselkurse erschüttert, während Europas Vermögen zerstiebt, und nachdem es die ganze Welt wirtschaftlich beherrscht hat, zusehen muß, wie zwei große Länder sich seiner alten Märkte bemächtigen und seine früheren Kunden ihre Selbstversorgung organisieren. Wenn die Völker des alten Kontinent« sich nicht einigen können und sich nicht zu gemeinsamer Arbeit organisieren, werden sie bald Schwierigkeiten haben, weiter zu leben." Infolgedessen wird auch die Arbeit der Friedenskonferenz einer energischen Kritik unterzogen: „Die Wiederherstellungsfrage wäre zugunsten Frankreichs in einigen Minuten gelöst worden, wenn man sich an die vierzehn Punkte Wilsons gehalten hätte, deren einer be¬ stimmte, daß die Besiegten verpflichtet sein sollten, die dem Privateigentum, und Privat¬ personen zugefügten Schäden wiedergutzumachen. Aber die Nationalisten hatten die Formel aufgebracht: „Deutschland wird alles bezahlen." Von allen Dächern hatte man es herunter- gcschrien, daß alle Kriegskosten vom Angreifer zurückgezahlt werden würden .... Hätte es sich nicht von selbst verstanden, daß man der Entschädigung für die Nealverluste den Vorrang vor den Pensionen, wenn man diese schon mit hinzurechnen wollte, einräumte. Noch weniger begreife ich, wie man nicht die Aushebung der interalliierten Schuld ver langte, die für unser Land eine Lebensfrage bedeutete .... Wir haben reichlich unser Blut für die gemeinsame Sache hingegeben. Eisen und Kohle mußten wir von den Verbündeten verlangen. Man gab sie uns, d. h. man ließ sie sich bezahlen .... Die Alliierten hätten wenigstens keine Zahlung für die Munition, mit der sie unsere Helden versahen, verlangen dürfen. Aber davon ist keine Rede in Paris gewesen .... Frankreich ist zum Finanz vasall der Angelsachsen geworden." - v, s- Caillaur will einen großen Teil der Folgen dieser unheilvollen Nationalisten- M"k vorausgesehen haben. Seine These ist, daß Frankreich früher hätte Frieden Mießen müssen. Schon nach der Marne- und Yserschlacht: „Ein 1915 geschlossener Friede wäre für die Zentralmächtc sicher nicht der Erdrückungs Mede gewesen wie 1918, wenn man aber die Bilanz dieser Hypothese mit der der Wirklichkeit vergleicht, so muß man feststellen, daß der Friede nach Marne und Dscr dem einzigen Land, siegreich war, Frankreich, die moralische Hegemonie zugefallen wäre". Auch 1916, ^ " vaeden sich Fricdcnsmöglichkeiten geboten. „Aber die Chauvinisten, die Imperialisten, ^teaktwnarc aller Art erhoben sich heftig gegen alle derartigen Ideen. Mit geschickter

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/293>, abgerufen am 29.12.2024.