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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Rrisebriefe an den Vaiser

Reisebriefe an den Aaiser*)
Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe
Adolf v. Trotha von(Schluß.)

Bahia Bianca, 25. 4. 1914.

Die Eindrucke, die der Besuch von Chile zurückgelassen hat, sind für alle an
Bord ganz außerordentliche. Während in den großen Hafenplätzen der Ostküste
einem in erster Linie die reiche Gastfreundschaft der großen Kaufherren entgegentritt,
gegen welche die verhältnismäßig kleine Zahl des deutschen Mittelstandes wenig
zur Erscheinung kommen kann, sieht man sich in den von uns besuchten Hafenplätzen
Chiles mitten in eine deutsche Stadt versetzt, gegründet auf eine breite Masse deutschen
Bürgertums.

Gewiß ist auch auf der anderen Seite Südamerikas in den bisher von uns
besuchten großen Häfen das Deutschtum in seinem Wirken und Schaffen und auch
in seinem Vorwärtsdringen uns mit einer von den meisten Wohl nicht geahnten
Kraft entgegengetreten. Aber hier in Chile hat das Deutschtum sich Anerkennung
"erschafft als eine dem Staat unentbehrliche, ihn stärkende Kraft. Nicht nur treu
deutsch gesinnte Kolonien arbeiten mit achtunggebietendem Ernst, Fleiß und Aus¬
sauer an der Erschließung des Landes, sondern die Haupthandelsstädte lassen das
Deutsche stark in den Vordergrund treten und von Valdivia kann man getrost
sagen, es ist eine deutsche Stadt.

Und dieses Deutschtum trat uns so warm und so herzlich entgegen, daß unsere
Leute von vornherein sich dort zu Hause fühlen mußten. Man muß sich den Ein¬
druck vorstellen, den es auf den Mann macht, wenn er gleich an der Landesteile von
Landsleuten herzlich begrüßt wird, wenn die Familie sich ihm öffnet und er im
freundlichen deutschen Heim zu Gast geladen ist wie daheim bei alten Bekannten.

Mail braucht nur an das Bild in Valdivia zu denken, wo im Garten des
heimatlichen und anmutenden Gasthauses an einfach gezimmerten Tischen und
Bänken unter den Obstbäumen die "Kaiser"-Leute zwischen den Familien bei Kaffee
und Kuchen sitzen, als ob's zu Hause wäre beim ländlichen Fest mit alten Freunden
und Verwandten. Und so auf allen Ausflügen, bei Sport- und Tanzbelustigungen,
und wo es auch gewesen ist; hier war man gar nicht in fremdem Land, man wunderte
sich fest, wenn jemand nicht Deutsch verstehen wollte.

Man fühlte es heraus, was man den Leuten gegeben hatte; und wie man
selbst sich das Herz stärkte an dem schon durch Generationen bewährten Festhalten
an deutscher Sitte, Sprache und Wesen, so empfand man die warme Begeisterung,
die der Besuch der Schiffe auflöste, so herzlich, weil sie aus dem tiefsten Innern
kam. Es kann diese ganze Stimmung, die über den Tagen in Chile lag, eigentlich
nicht besser ausgedrückt werden, als es der in Abschrift alleruntertänigst beigefügte
Brief es tut, in dem ein Deutscher aus Osorno, einer deutsche,! Kolonie einige
Bahnstundtn von Valdivia, des Besuches der Kaiser-Mannschaften gedenkt.

Wenn man diesen Eindrücken noch die Achtung vor deutschem Wesen hinzu¬
fügt, die am augenfälligsten in der chilenischen Armee jedem Besucher vor Augen



") Si"h" "und ..Gr"nzbotcn" Heft 4/5. t>. 7, S/9.
Rrisebriefe an den Vaiser

Reisebriefe an den Aaiser*)
Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe
Adolf v. Trotha von(Schluß.)

Bahia Bianca, 25. 4. 1914.

Die Eindrucke, die der Besuch von Chile zurückgelassen hat, sind für alle an
Bord ganz außerordentliche. Während in den großen Hafenplätzen der Ostküste
einem in erster Linie die reiche Gastfreundschaft der großen Kaufherren entgegentritt,
gegen welche die verhältnismäßig kleine Zahl des deutschen Mittelstandes wenig
zur Erscheinung kommen kann, sieht man sich in den von uns besuchten Hafenplätzen
Chiles mitten in eine deutsche Stadt versetzt, gegründet auf eine breite Masse deutschen
Bürgertums.

Gewiß ist auch auf der anderen Seite Südamerikas in den bisher von uns
besuchten großen Häfen das Deutschtum in seinem Wirken und Schaffen und auch
in seinem Vorwärtsdringen uns mit einer von den meisten Wohl nicht geahnten
Kraft entgegengetreten. Aber hier in Chile hat das Deutschtum sich Anerkennung
»erschafft als eine dem Staat unentbehrliche, ihn stärkende Kraft. Nicht nur treu
deutsch gesinnte Kolonien arbeiten mit achtunggebietendem Ernst, Fleiß und Aus¬
sauer an der Erschließung des Landes, sondern die Haupthandelsstädte lassen das
Deutsche stark in den Vordergrund treten und von Valdivia kann man getrost
sagen, es ist eine deutsche Stadt.

Und dieses Deutschtum trat uns so warm und so herzlich entgegen, daß unsere
Leute von vornherein sich dort zu Hause fühlen mußten. Man muß sich den Ein¬
druck vorstellen, den es auf den Mann macht, wenn er gleich an der Landesteile von
Landsleuten herzlich begrüßt wird, wenn die Familie sich ihm öffnet und er im
freundlichen deutschen Heim zu Gast geladen ist wie daheim bei alten Bekannten.

Mail braucht nur an das Bild in Valdivia zu denken, wo im Garten des
heimatlichen und anmutenden Gasthauses an einfach gezimmerten Tischen und
Bänken unter den Obstbäumen die „Kaiser"-Leute zwischen den Familien bei Kaffee
und Kuchen sitzen, als ob's zu Hause wäre beim ländlichen Fest mit alten Freunden
und Verwandten. Und so auf allen Ausflügen, bei Sport- und Tanzbelustigungen,
und wo es auch gewesen ist; hier war man gar nicht in fremdem Land, man wunderte
sich fest, wenn jemand nicht Deutsch verstehen wollte.

Man fühlte es heraus, was man den Leuten gegeben hatte; und wie man
selbst sich das Herz stärkte an dem schon durch Generationen bewährten Festhalten
an deutscher Sitte, Sprache und Wesen, so empfand man die warme Begeisterung,
die der Besuch der Schiffe auflöste, so herzlich, weil sie aus dem tiefsten Innern
kam. Es kann diese ganze Stimmung, die über den Tagen in Chile lag, eigentlich
nicht besser ausgedrückt werden, als es der in Abschrift alleruntertänigst beigefügte
Brief es tut, in dem ein Deutscher aus Osorno, einer deutsche,! Kolonie einige
Bahnstundtn von Valdivia, des Besuches der Kaiser-Mannschaften gedenkt.

Wenn man diesen Eindrücken noch die Achtung vor deutschem Wesen hinzu¬
fügt, die am augenfälligsten in der chilenischen Armee jedem Besucher vor Augen



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[0284] Rrisebriefe an den Vaiser Reisebriefe an den Aaiser*) Von der letzten Weltreise deutscher Linienschiffe Adolf v. Trotha von(Schluß.) Bahia Bianca, 25. 4. 1914. Die Eindrucke, die der Besuch von Chile zurückgelassen hat, sind für alle an Bord ganz außerordentliche. Während in den großen Hafenplätzen der Ostküste einem in erster Linie die reiche Gastfreundschaft der großen Kaufherren entgegentritt, gegen welche die verhältnismäßig kleine Zahl des deutschen Mittelstandes wenig zur Erscheinung kommen kann, sieht man sich in den von uns besuchten Hafenplätzen Chiles mitten in eine deutsche Stadt versetzt, gegründet auf eine breite Masse deutschen Bürgertums. Gewiß ist auch auf der anderen Seite Südamerikas in den bisher von uns besuchten großen Häfen das Deutschtum in seinem Wirken und Schaffen und auch in seinem Vorwärtsdringen uns mit einer von den meisten Wohl nicht geahnten Kraft entgegengetreten. Aber hier in Chile hat das Deutschtum sich Anerkennung »erschafft als eine dem Staat unentbehrliche, ihn stärkende Kraft. Nicht nur treu deutsch gesinnte Kolonien arbeiten mit achtunggebietendem Ernst, Fleiß und Aus¬ sauer an der Erschließung des Landes, sondern die Haupthandelsstädte lassen das Deutsche stark in den Vordergrund treten und von Valdivia kann man getrost sagen, es ist eine deutsche Stadt. Und dieses Deutschtum trat uns so warm und so herzlich entgegen, daß unsere Leute von vornherein sich dort zu Hause fühlen mußten. Man muß sich den Ein¬ druck vorstellen, den es auf den Mann macht, wenn er gleich an der Landesteile von Landsleuten herzlich begrüßt wird, wenn die Familie sich ihm öffnet und er im freundlichen deutschen Heim zu Gast geladen ist wie daheim bei alten Bekannten. Mail braucht nur an das Bild in Valdivia zu denken, wo im Garten des heimatlichen und anmutenden Gasthauses an einfach gezimmerten Tischen und Bänken unter den Obstbäumen die „Kaiser"-Leute zwischen den Familien bei Kaffee und Kuchen sitzen, als ob's zu Hause wäre beim ländlichen Fest mit alten Freunden und Verwandten. Und so auf allen Ausflügen, bei Sport- und Tanzbelustigungen, und wo es auch gewesen ist; hier war man gar nicht in fremdem Land, man wunderte sich fest, wenn jemand nicht Deutsch verstehen wollte. Man fühlte es heraus, was man den Leuten gegeben hatte; und wie man selbst sich das Herz stärkte an dem schon durch Generationen bewährten Festhalten an deutscher Sitte, Sprache und Wesen, so empfand man die warme Begeisterung, die der Besuch der Schiffe auflöste, so herzlich, weil sie aus dem tiefsten Innern kam. Es kann diese ganze Stimmung, die über den Tagen in Chile lag, eigentlich nicht besser ausgedrückt werden, als es der in Abschrift alleruntertänigst beigefügte Brief es tut, in dem ein Deutscher aus Osorno, einer deutsche,! Kolonie einige Bahnstundtn von Valdivia, des Besuches der Kaiser-Mannschaften gedenkt. Wenn man diesen Eindrücken noch die Achtung vor deutschem Wesen hinzu¬ fügt, die am augenfälligsten in der chilenischen Armee jedem Besucher vor Augen ») Si«h« «und ..Gr«nzbotcn" Heft 4/5. t>. 7, S/9.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/284>, abgerufen am 04.07.2024.