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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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General v. Llauscwitz

Friedrich nennt einmal die Schlacht ein "Brechmittel". Die moderne
Strategie kennt ausschließlich die Schlacht. Die alte Strategie schlägt im
allgemeinen nur, wenn sie einer Schlacht nicht mehr ausweichen kann. Die
moderne Strategie sucht die Schlacht.

Der Krieg ist ein Instrument der Politik und steht daher auch unter
ihrem Einfluß; ist der Erfolg ein schlechter, so beweist das weiter nichts, als
daß die Politik eine schlechte war. Grundverkehrt aber wäre es, den Einfluß
der Politik auf die Kriegführung als solchen zu verdammen. Zwei klare
Beispiele aus. der Kriegsgeschichte des vorigen Jahrhunderts mögen das
Gesagte verdeutliche,!. Als im Jahre 1866 die Österreicher bei Königgrätz
geschlagen waren, wollten die Militärs, darunter auch Moltke, den Krieg
fortgesetzt wissen. Einzig und allein Vismarck war anderer Ansicht,
und nur mit den größten Schwierigkeiten setzte er sich durch. Er war
für Friedensschluß unter sehr milden Bedingungen; er wußte, daß er im
Kriege gegen Frankreich Österreichs Neutralität bedürfte. Im Jahre 1870 war
Bismarck nach den Schlachten von Metz und Sedan für Einstellung der Heeres¬
bewegungen und wollte sich mit den: vorhandenen Landbesitz begnügen. Er
fürchtete ein feindliches Eingreifen der bisher Neutralen. Moltke drückte aber
seine gegenteilige Ansicht dnrch, und diesmal hat der Erfolg ihm Recht gegeben.
Wir, die wir im Weltkriege die Zähigkeit der französischen Nation so recht kennen¬
gelernt haben, können mit Gewißheit behaupten, daß Fraukreich 1870 nie zum
Frieden unter der Bedingung der Herausgabe Elsaß-Lothringens bereit gewesen
wäre, wenn wir in den Grenzlanden stehengeblieben wären. Ein rein politischer
Kalkül entschied 1366 die Einstellung der Feindseligkeiten; ein rein militärischer
Kalkül entschied 1870 die Fortsetzung des Krieges und traf damit, bewußt oder
unbewußt, das politisch Nichtige; der Diplomat Bismarck hatte nicht genügend
die moralische Kraft der revolutionären französischen Regierung und das National¬
gefühl der Franzosen in Rechnung gestellt. Die Reihe geschichtlicher Beispiele
ließe sich beliebig fortsetzen.

Der Weltkrieg hat Maße angenommen, wie sie niemand für möglich
gehalten hätte. Jnnerpolitische und wirtschaftliche Momente haben ihm mehr
das Gepräge gegeben als militärische. Deutschland, das die ersten vier Jahre
die militärische" Erfolge fast ausschließlich auf seiner Seite hatte, verlor den
Krieg politisch und wirtschaftlich, und erst dann auch militärisch.

2. "Zweck der Kriegführung im engeren Sinne, nicht der politische,
ist die Vernichtung der feindlichen Streitkrüfte; die Schlacht ist
daher das einzig entscheidende Mittel jeder Kriegsführung oder
Strategie."

Dieser Satz ist das eigentliche Vermächtnis Clausewitz' an die preußische
Armee. Der Unterschied zwischen alter und neuer Strategie war bereits berührt.
Gleich im ersten Kapitel des 1. Buches "Wer die Natur des Krieges", wo der
Krieg mit einem Zweikampf verglichen wird, heißt es: "Der Krieg ist ein Me der
Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen. Dies ist
der politische Zweck, der mit jedem Kriege verbunden ist. Das Mittel, dies zu er¬
reichen, ist, den Gegner wehrlos zu machen, und dies ist dus eigentliche Ziel


General v. Llauscwitz

Friedrich nennt einmal die Schlacht ein „Brechmittel". Die moderne
Strategie kennt ausschließlich die Schlacht. Die alte Strategie schlägt im
allgemeinen nur, wenn sie einer Schlacht nicht mehr ausweichen kann. Die
moderne Strategie sucht die Schlacht.

Der Krieg ist ein Instrument der Politik und steht daher auch unter
ihrem Einfluß; ist der Erfolg ein schlechter, so beweist das weiter nichts, als
daß die Politik eine schlechte war. Grundverkehrt aber wäre es, den Einfluß
der Politik auf die Kriegführung als solchen zu verdammen. Zwei klare
Beispiele aus. der Kriegsgeschichte des vorigen Jahrhunderts mögen das
Gesagte verdeutliche,!. Als im Jahre 1866 die Österreicher bei Königgrätz
geschlagen waren, wollten die Militärs, darunter auch Moltke, den Krieg
fortgesetzt wissen. Einzig und allein Vismarck war anderer Ansicht,
und nur mit den größten Schwierigkeiten setzte er sich durch. Er war
für Friedensschluß unter sehr milden Bedingungen; er wußte, daß er im
Kriege gegen Frankreich Österreichs Neutralität bedürfte. Im Jahre 1870 war
Bismarck nach den Schlachten von Metz und Sedan für Einstellung der Heeres¬
bewegungen und wollte sich mit den: vorhandenen Landbesitz begnügen. Er
fürchtete ein feindliches Eingreifen der bisher Neutralen. Moltke drückte aber
seine gegenteilige Ansicht dnrch, und diesmal hat der Erfolg ihm Recht gegeben.
Wir, die wir im Weltkriege die Zähigkeit der französischen Nation so recht kennen¬
gelernt haben, können mit Gewißheit behaupten, daß Fraukreich 1870 nie zum
Frieden unter der Bedingung der Herausgabe Elsaß-Lothringens bereit gewesen
wäre, wenn wir in den Grenzlanden stehengeblieben wären. Ein rein politischer
Kalkül entschied 1366 die Einstellung der Feindseligkeiten; ein rein militärischer
Kalkül entschied 1870 die Fortsetzung des Krieges und traf damit, bewußt oder
unbewußt, das politisch Nichtige; der Diplomat Bismarck hatte nicht genügend
die moralische Kraft der revolutionären französischen Regierung und das National¬
gefühl der Franzosen in Rechnung gestellt. Die Reihe geschichtlicher Beispiele
ließe sich beliebig fortsetzen.

Der Weltkrieg hat Maße angenommen, wie sie niemand für möglich
gehalten hätte. Jnnerpolitische und wirtschaftliche Momente haben ihm mehr
das Gepräge gegeben als militärische. Deutschland, das die ersten vier Jahre
die militärische» Erfolge fast ausschließlich auf seiner Seite hatte, verlor den
Krieg politisch und wirtschaftlich, und erst dann auch militärisch.

2. „Zweck der Kriegführung im engeren Sinne, nicht der politische,
ist die Vernichtung der feindlichen Streitkrüfte; die Schlacht ist
daher das einzig entscheidende Mittel jeder Kriegsführung oder
Strategie."

Dieser Satz ist das eigentliche Vermächtnis Clausewitz' an die preußische
Armee. Der Unterschied zwischen alter und neuer Strategie war bereits berührt.
Gleich im ersten Kapitel des 1. Buches „Wer die Natur des Krieges", wo der
Krieg mit einem Zweikampf verglichen wird, heißt es: „Der Krieg ist ein Me der
Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen. Dies ist
der politische Zweck, der mit jedem Kriege verbunden ist. Das Mittel, dies zu er¬
reichen, ist, den Gegner wehrlos zu machen, und dies ist dus eigentliche Ziel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/270>, abgerufen am 04.07.2024.