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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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und es sich herausstellt, daß es doch zahlen konnte? Andererseits, und das wird
von den Franzosen meist übersehen, kann auch bei der unmöglich vorher zu
bestimmenden wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands -- die kleinen Besserungen
der letzten Zeit sind ja höchstens als ein besinnendes Aufatmen nach schwerem
Fall zu bezeichnen -- keine deutsche Regierung sich auf die Zahlung einer Riesen¬
summe festlegen, weil sich Wohl sagen läßt, was Deutschland gegenwärtig zahlen
kann -- nämlich nichts, aber nicht, was es in drei, fünf oder zehn Jahren leisten
kann. Das sind Verantwortlichkeiten, wie sie keine Regierung, welcher Partei¬
führung sie sei, übernehmen kann. Hätten die Alliierten damals in Versailles die
vom Grafen Brockdorff angebotenen hundert Milliarden angenommen, das ganze
Problem wäre vereinfacht. Aus Angst, nicht genug zu bekommen, hat man
damals die Regelung hinausgeschoben, dadurch aber die wirtschaftliche Lage
Deutschlands so verschlechtert/ daß es unmöglich scheint, daß Frankreich auch
nur diese hundert Milliarden, deren Betrag übrigens damals schon in Deutschland
als zu hoch und unmöglich zu leisten bezeichnet wurde, erhält.

Wenn man es somit begreifen kann, daß Frankreich vor der endgültigen
Festsetzung der Gesamtsumme zurückschreckt, so muß andererseits doch auch mit allem
Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß es bei der Regelung des Problems
unpsychologisch und daher unpolitisch verfährt. Zunächst ist die ganze Pfand¬
theorie Unsinn. Man kann sich nicht zu einer friedlichen und gemeinschaftlich¬
einträchtigen Lösung des Reparationsproblcms niedersetzen, wenn man als Feind,
noch dazu als ein auf Loslösung hin intrigierender Feind, einen Teil des Gebiets
des Partners besetzt hält. Eine Besetzung, die sich in fortwährenden militärischen
Befehlen, in Versuchen/ deutsche Minister auszuweisen, in Pressezensur, in Re¬
quisitionen usw. äußert, ist ein fortgesetzter feindlicher Akt -- nichts weiter. Man
kann fernerhin nicht eine Regelung ins Auge fassen, die die Produktion, auf der
gerade diese Regelung sich aufbaut, zu stark belastet und als unlvlmend erscheinen
läßt. Man kann von einer Regierung annehmen, daß sie den Friedensvertrag
loyal, soweit wie irgend möglich,' erfüllen wird, man kann bei den realen einzelnen
Personen) die den regierten" Staat darstellen, nicht voraussetzen, daß sie dauernd
alle Kraft des Herzens, der Hand und des Kopfes daransetzen werden, nur immer
zum größten Teil für den "Feind" zu arbeiten, selbst Fanatiker der Weltgerechtig¬
keit, zu deren Abkühlung übrigens gerade Frankreich kräftig beigetragen hat,
könnten sich dauernd, jahrzehntelang,' auf einer solchen Höhe "des Gefühls nicht
halten. Wir wollen die inneren Notwendigkeiten, die hinter Frankreichs Politik
stehen, nicht verkennen, aber Frankreich sollte auch die unseren erkennen, sonst ist
auf eine Zusammenarbeit nicht zu hoffen.

Im allgemeinen aber kann gesagt werden, daß wir einer Zusammenarbeit
jetzt näher gekommen sind, als das jemals der Fall gewesen ist. Das neue
Kabinett ist zwar wiederum wie das alte ein Kompromißkabinett und einzelne
Vertreter wie Barthou künden nichts Gutes. Aber die Manöver der Rechten,
die Führung ausschließlich in ihre Hand zu bekommen, sind doch gescheitert, und
daß Poinearü dem Kabinett nicht angehört, kann als günstiges Zeichen dafür
gedeutet werden, daß man die von Harriot gerügte Gewaltpolitik nicht länger
fortsetzen will. Die ewigen Drohungen mit Besetzung des Ruhrbeckens sind fast
ganz verstummt (allerdings sucht man jetzt Oberschlesien den Polen zuzuschanzen)
und Stimmen, die man ohne Übertreibung als offiziös bezeichnen kann, predigen
(unter englischen Druck? und sicher nicht ohne Einfluß der erneuten Absage der
Bereinigten Staaten) Ruhe. "Petit Pcirifien" (vom 14.) verurteilt eine Politik
der Faust auf dem Tisch, und "Temps" vom 15, 1. schreibt: "Schon hört man
sogen: Der Konflikt ist unvermeidlich, niemals wird Deutschland freiwillig bezahlen.
Niemals wird Frankreich sicher sein, wenn es nicht zur Durchführung der Ent¬
waffnung Truppen nach Deutschland schickt....." Wohin aber führt eine solche
Politik? Sie sührt zur Zerstörung der von den französischen Sachverständigen
ausgearbeiteten Einigungsprojekte zur Lösung des Neparationsproblems. Sie
sührt dazu, daß die Zustimmung, die die deutsche Negierung diesen Plänen zu


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und es sich herausstellt, daß es doch zahlen konnte? Andererseits, und das wird
von den Franzosen meist übersehen, kann auch bei der unmöglich vorher zu
bestimmenden wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands — die kleinen Besserungen
der letzten Zeit sind ja höchstens als ein besinnendes Aufatmen nach schwerem
Fall zu bezeichnen — keine deutsche Regierung sich auf die Zahlung einer Riesen¬
summe festlegen, weil sich Wohl sagen läßt, was Deutschland gegenwärtig zahlen
kann — nämlich nichts, aber nicht, was es in drei, fünf oder zehn Jahren leisten
kann. Das sind Verantwortlichkeiten, wie sie keine Regierung, welcher Partei¬
führung sie sei, übernehmen kann. Hätten die Alliierten damals in Versailles die
vom Grafen Brockdorff angebotenen hundert Milliarden angenommen, das ganze
Problem wäre vereinfacht. Aus Angst, nicht genug zu bekommen, hat man
damals die Regelung hinausgeschoben, dadurch aber die wirtschaftliche Lage
Deutschlands so verschlechtert/ daß es unmöglich scheint, daß Frankreich auch
nur diese hundert Milliarden, deren Betrag übrigens damals schon in Deutschland
als zu hoch und unmöglich zu leisten bezeichnet wurde, erhält.

Wenn man es somit begreifen kann, daß Frankreich vor der endgültigen
Festsetzung der Gesamtsumme zurückschreckt, so muß andererseits doch auch mit allem
Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß es bei der Regelung des Problems
unpsychologisch und daher unpolitisch verfährt. Zunächst ist die ganze Pfand¬
theorie Unsinn. Man kann sich nicht zu einer friedlichen und gemeinschaftlich¬
einträchtigen Lösung des Reparationsproblcms niedersetzen, wenn man als Feind,
noch dazu als ein auf Loslösung hin intrigierender Feind, einen Teil des Gebiets
des Partners besetzt hält. Eine Besetzung, die sich in fortwährenden militärischen
Befehlen, in Versuchen/ deutsche Minister auszuweisen, in Pressezensur, in Re¬
quisitionen usw. äußert, ist ein fortgesetzter feindlicher Akt — nichts weiter. Man
kann fernerhin nicht eine Regelung ins Auge fassen, die die Produktion, auf der
gerade diese Regelung sich aufbaut, zu stark belastet und als unlvlmend erscheinen
läßt. Man kann von einer Regierung annehmen, daß sie den Friedensvertrag
loyal, soweit wie irgend möglich,' erfüllen wird, man kann bei den realen einzelnen
Personen) die den regierten" Staat darstellen, nicht voraussetzen, daß sie dauernd
alle Kraft des Herzens, der Hand und des Kopfes daransetzen werden, nur immer
zum größten Teil für den „Feind" zu arbeiten, selbst Fanatiker der Weltgerechtig¬
keit, zu deren Abkühlung übrigens gerade Frankreich kräftig beigetragen hat,
könnten sich dauernd, jahrzehntelang,' auf einer solchen Höhe "des Gefühls nicht
halten. Wir wollen die inneren Notwendigkeiten, die hinter Frankreichs Politik
stehen, nicht verkennen, aber Frankreich sollte auch die unseren erkennen, sonst ist
auf eine Zusammenarbeit nicht zu hoffen.

Im allgemeinen aber kann gesagt werden, daß wir einer Zusammenarbeit
jetzt näher gekommen sind, als das jemals der Fall gewesen ist. Das neue
Kabinett ist zwar wiederum wie das alte ein Kompromißkabinett und einzelne
Vertreter wie Barthou künden nichts Gutes. Aber die Manöver der Rechten,
die Führung ausschließlich in ihre Hand zu bekommen, sind doch gescheitert, und
daß Poinearü dem Kabinett nicht angehört, kann als günstiges Zeichen dafür
gedeutet werden, daß man die von Harriot gerügte Gewaltpolitik nicht länger
fortsetzen will. Die ewigen Drohungen mit Besetzung des Ruhrbeckens sind fast
ganz verstummt (allerdings sucht man jetzt Oberschlesien den Polen zuzuschanzen)
und Stimmen, die man ohne Übertreibung als offiziös bezeichnen kann, predigen
(unter englischen Druck? und sicher nicht ohne Einfluß der erneuten Absage der
Bereinigten Staaten) Ruhe. „Petit Pcirifien" (vom 14.) verurteilt eine Politik
der Faust auf dem Tisch, und „Temps" vom 15, 1. schreibt: „Schon hört man
sogen: Der Konflikt ist unvermeidlich, niemals wird Deutschland freiwillig bezahlen.
Niemals wird Frankreich sicher sein, wenn es nicht zur Durchführung der Ent¬
waffnung Truppen nach Deutschland schickt....." Wohin aber führt eine solche
Politik? Sie sührt zur Zerstörung der von den französischen Sachverständigen
ausgearbeiteten Einigungsprojekte zur Lösung des Neparationsproblems. Sie
sührt dazu, daß die Zustimmung, die die deutsche Negierung diesen Plänen zu


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[0137] Woltspiegel und es sich herausstellt, daß es doch zahlen konnte? Andererseits, und das wird von den Franzosen meist übersehen, kann auch bei der unmöglich vorher zu bestimmenden wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands — die kleinen Besserungen der letzten Zeit sind ja höchstens als ein besinnendes Aufatmen nach schwerem Fall zu bezeichnen — keine deutsche Regierung sich auf die Zahlung einer Riesen¬ summe festlegen, weil sich Wohl sagen läßt, was Deutschland gegenwärtig zahlen kann — nämlich nichts, aber nicht, was es in drei, fünf oder zehn Jahren leisten kann. Das sind Verantwortlichkeiten, wie sie keine Regierung, welcher Partei¬ führung sie sei, übernehmen kann. Hätten die Alliierten damals in Versailles die vom Grafen Brockdorff angebotenen hundert Milliarden angenommen, das ganze Problem wäre vereinfacht. Aus Angst, nicht genug zu bekommen, hat man damals die Regelung hinausgeschoben, dadurch aber die wirtschaftliche Lage Deutschlands so verschlechtert/ daß es unmöglich scheint, daß Frankreich auch nur diese hundert Milliarden, deren Betrag übrigens damals schon in Deutschland als zu hoch und unmöglich zu leisten bezeichnet wurde, erhält. Wenn man es somit begreifen kann, daß Frankreich vor der endgültigen Festsetzung der Gesamtsumme zurückschreckt, so muß andererseits doch auch mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß es bei der Regelung des Problems unpsychologisch und daher unpolitisch verfährt. Zunächst ist die ganze Pfand¬ theorie Unsinn. Man kann sich nicht zu einer friedlichen und gemeinschaftlich¬ einträchtigen Lösung des Reparationsproblcms niedersetzen, wenn man als Feind, noch dazu als ein auf Loslösung hin intrigierender Feind, einen Teil des Gebiets des Partners besetzt hält. Eine Besetzung, die sich in fortwährenden militärischen Befehlen, in Versuchen/ deutsche Minister auszuweisen, in Pressezensur, in Re¬ quisitionen usw. äußert, ist ein fortgesetzter feindlicher Akt — nichts weiter. Man kann fernerhin nicht eine Regelung ins Auge fassen, die die Produktion, auf der gerade diese Regelung sich aufbaut, zu stark belastet und als unlvlmend erscheinen läßt. Man kann von einer Regierung annehmen, daß sie den Friedensvertrag loyal, soweit wie irgend möglich,' erfüllen wird, man kann bei den realen einzelnen Personen) die den regierten" Staat darstellen, nicht voraussetzen, daß sie dauernd alle Kraft des Herzens, der Hand und des Kopfes daransetzen werden, nur immer zum größten Teil für den „Feind" zu arbeiten, selbst Fanatiker der Weltgerechtig¬ keit, zu deren Abkühlung übrigens gerade Frankreich kräftig beigetragen hat, könnten sich dauernd, jahrzehntelang,' auf einer solchen Höhe "des Gefühls nicht halten. Wir wollen die inneren Notwendigkeiten, die hinter Frankreichs Politik stehen, nicht verkennen, aber Frankreich sollte auch die unseren erkennen, sonst ist auf eine Zusammenarbeit nicht zu hoffen. Im allgemeinen aber kann gesagt werden, daß wir einer Zusammenarbeit jetzt näher gekommen sind, als das jemals der Fall gewesen ist. Das neue Kabinett ist zwar wiederum wie das alte ein Kompromißkabinett und einzelne Vertreter wie Barthou künden nichts Gutes. Aber die Manöver der Rechten, die Führung ausschließlich in ihre Hand zu bekommen, sind doch gescheitert, und daß Poinearü dem Kabinett nicht angehört, kann als günstiges Zeichen dafür gedeutet werden, daß man die von Harriot gerügte Gewaltpolitik nicht länger fortsetzen will. Die ewigen Drohungen mit Besetzung des Ruhrbeckens sind fast ganz verstummt (allerdings sucht man jetzt Oberschlesien den Polen zuzuschanzen) und Stimmen, die man ohne Übertreibung als offiziös bezeichnen kann, predigen (unter englischen Druck? und sicher nicht ohne Einfluß der erneuten Absage der Bereinigten Staaten) Ruhe. „Petit Pcirifien" (vom 14.) verurteilt eine Politik der Faust auf dem Tisch, und „Temps" vom 15, 1. schreibt: „Schon hört man sogen: Der Konflikt ist unvermeidlich, niemals wird Deutschland freiwillig bezahlen. Niemals wird Frankreich sicher sein, wenn es nicht zur Durchführung der Ent¬ waffnung Truppen nach Deutschland schickt....." Wohin aber führt eine solche Politik? Sie sührt zur Zerstörung der von den französischen Sachverständigen ausgearbeiteten Einigungsprojekte zur Lösung des Neparationsproblems. Sie sührt dazu, daß die Zustimmung, die die deutsche Negierung diesen Plänen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/137>, abgerufen am 22.06.2024.