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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Neue Wege der Sprachreinignng

so muß die Fremdwortbekämpfung mit dieser Masse Berührung zu finden, sie zur
Mitarbeit zu bestimmen versuchen. Nur mit der Masse und durch sie wird man
in Zukunft auf den Sieg hoffen können. Ohne ihren Beistand wird die Nieder¬
lage endgültig werden.


II.

Die Feindschaft gegen die Sprachreinigung darum, weil politische Ziele
oder der Vorteil der Wissenschaften die "Bereicherung" unserer Sprache mit
Fremdwörtern zu verlangen scheinen, ist verfehlt. Dem wird jeder Sprach¬
reiniger zustimmen. Er kann dann aber auch nicht gut bestreiten, daß die Ver¬
quickung seiner Arbeit mit der Pflege völkischen Empfindens und Schönheitssinns
nicht am Platze ist, und daß er deren Pflege den Politikern, Künstlern und
Dichtern überlassen sollte. Seine alleinige Aufgabe ist, die Sprache so zu fördern,
daß sie ihrer Aufgabe, ein allen verständliches Verständigungsmittel zu sein,
gewachsen ist, und der einfachen Erkenntnis überall Bahn zu brechen, daß es eine
traurige, lahme Sprache ist, zu deren Verständnis gute Kenntnisse in zwei toten
und mindestens zwei anderen lebenden Sprachen nötig sind, und daß das papageien¬
hafte Lernen von fremden Brocken une menschenunwürdige, unsinnige geistige
Arbeit ist, die letzten Endes groben Mißverständnissen oder dem Nurhalbverstehen
Tür und Tor öffnet. Wenn er dann das Verständnis dafür verbreitet, daß die
Verwendung von Fremdwörtern in einer Sprache diese verödet, weil jedes Fremd¬
wort ein deutsches Wort verdrängt und der Sprache die Fähigkeit neuer Wort¬
bildungen für neue Gedanken und Begriffe nimmt oder doch erheblich schmälert,
und daß es grober Unfug ist, den breiten Massen aller Völker den Zugang zu den
Geistesquellen aufs äußerste zu erschweren, damit den paar Wissenschaftlern das
Prägen und Lernen von Fachausdrücken "leichter" wird (?), so hat der Sprach¬
meister alles getan, was ihm zukommt. Mehr ist unbescheiden.

Der neue Weg erscheint zuerst nüchtern, denn wo bleiben der Schönheit
Blumenpfade, die Beteuerungen der Liebe zum Volkstum, aber auch die Empfinde-
leien, wie sie sich beispielsweise an den Ausdruck "Muttersprache" knüpfen?
Freilich bleibt für dies alles kein Raum, aber nur zum Vorteil unserer Sprache,
deren Not gerade wegen aller dieser Abwege des Sprachreinigers von den meisten
nicht verstanden oder gar belacht wird. Ist die Sprachreinigung erst dem Parteien¬
hader entrückt und gilt der Sprachreiniger erst dafür, daß er nichts anderes
will, als die Sprache zu dem möglich besten Werkzeug der Gedankenübertragung
umbilden, so werden alle Kreise unseres Volkes auf ihn hören und seine
Warnungen und Ratschläge, weil sie die blanke Nützlichkeit predigen, beachten.
Diese Arbeit selbst wird aber nicht nüchtern sein. Der Sprachreiniger wird viel¬
mehr von der Dankbarkeit seiner Aufgabe ebenso erfreut sein, wie er vor deren
Umfang erschrecken wird. Denn er hat, um auf die Masse wirken zu können, sie
überall da anzufassen, wo ihr stärkstes Empfinden lebt und worauf ihre Auf¬
merksamkeit besonders gerichtet ist, weil sie da gerade den Mangel der Sprache
an Verständlichkeit am stärksten als Mangel empfindet. Er muß deshalb mit
allen Parteien gehen, ihre Lehren und ihre wissenschaftlichen Grundlagen als
Sprachmeister behandeln. In jedem, welcher Partei er auch angehöre, die helle
Freude darüber zu erwecken, wieviel schmucker, sinnvoller und klarer sich der
Gedankeninhalt seiner Parteilehre im adligen Glänze einer reinen Sprache aus¬
nimmt, als im zerknitterten Kleide der Sprache seiner Führer und des Druck¬
werks seiner Partei, muß sich der Sprachreiniger zu seiner Aufgabe machen.
Alles wiederum, was die Tagesströmung aus dem Gebiete der Wissenschaft in
den Kreis der besonderen Beachtung hineintreibe, muß dem Sprachreiniger dazu
dienen, die Aufmerksamkeit der Massen darauf zu richten, daß sie infolge der
Sprachmengerei unglücklich daran sind und durch sie vom klaren Verständnis der
die Gebildeten beschäftigenden Fragen fern gehalten werden. Um ein Beispiel zu
geben -- die Emsteinsche Relativitätstheorie müßte in möglichst reinem Deutsch
gemeinverständlich vorgetragen werden, die Fremdwörter aber dabei erklärt, Vor¬
schläge zu deren Ersetzung durch deutsche Worte mitgeteilt und das Nötige erwähnt


Neue Wege der Sprachreinignng

so muß die Fremdwortbekämpfung mit dieser Masse Berührung zu finden, sie zur
Mitarbeit zu bestimmen versuchen. Nur mit der Masse und durch sie wird man
in Zukunft auf den Sieg hoffen können. Ohne ihren Beistand wird die Nieder¬
lage endgültig werden.


II.

Die Feindschaft gegen die Sprachreinigung darum, weil politische Ziele
oder der Vorteil der Wissenschaften die „Bereicherung" unserer Sprache mit
Fremdwörtern zu verlangen scheinen, ist verfehlt. Dem wird jeder Sprach¬
reiniger zustimmen. Er kann dann aber auch nicht gut bestreiten, daß die Ver¬
quickung seiner Arbeit mit der Pflege völkischen Empfindens und Schönheitssinns
nicht am Platze ist, und daß er deren Pflege den Politikern, Künstlern und
Dichtern überlassen sollte. Seine alleinige Aufgabe ist, die Sprache so zu fördern,
daß sie ihrer Aufgabe, ein allen verständliches Verständigungsmittel zu sein,
gewachsen ist, und der einfachen Erkenntnis überall Bahn zu brechen, daß es eine
traurige, lahme Sprache ist, zu deren Verständnis gute Kenntnisse in zwei toten
und mindestens zwei anderen lebenden Sprachen nötig sind, und daß das papageien¬
hafte Lernen von fremden Brocken une menschenunwürdige, unsinnige geistige
Arbeit ist, die letzten Endes groben Mißverständnissen oder dem Nurhalbverstehen
Tür und Tor öffnet. Wenn er dann das Verständnis dafür verbreitet, daß die
Verwendung von Fremdwörtern in einer Sprache diese verödet, weil jedes Fremd¬
wort ein deutsches Wort verdrängt und der Sprache die Fähigkeit neuer Wort¬
bildungen für neue Gedanken und Begriffe nimmt oder doch erheblich schmälert,
und daß es grober Unfug ist, den breiten Massen aller Völker den Zugang zu den
Geistesquellen aufs äußerste zu erschweren, damit den paar Wissenschaftlern das
Prägen und Lernen von Fachausdrücken „leichter" wird (?), so hat der Sprach¬
meister alles getan, was ihm zukommt. Mehr ist unbescheiden.

Der neue Weg erscheint zuerst nüchtern, denn wo bleiben der Schönheit
Blumenpfade, die Beteuerungen der Liebe zum Volkstum, aber auch die Empfinde-
leien, wie sie sich beispielsweise an den Ausdruck „Muttersprache" knüpfen?
Freilich bleibt für dies alles kein Raum, aber nur zum Vorteil unserer Sprache,
deren Not gerade wegen aller dieser Abwege des Sprachreinigers von den meisten
nicht verstanden oder gar belacht wird. Ist die Sprachreinigung erst dem Parteien¬
hader entrückt und gilt der Sprachreiniger erst dafür, daß er nichts anderes
will, als die Sprache zu dem möglich besten Werkzeug der Gedankenübertragung
umbilden, so werden alle Kreise unseres Volkes auf ihn hören und seine
Warnungen und Ratschläge, weil sie die blanke Nützlichkeit predigen, beachten.
Diese Arbeit selbst wird aber nicht nüchtern sein. Der Sprachreiniger wird viel¬
mehr von der Dankbarkeit seiner Aufgabe ebenso erfreut sein, wie er vor deren
Umfang erschrecken wird. Denn er hat, um auf die Masse wirken zu können, sie
überall da anzufassen, wo ihr stärkstes Empfinden lebt und worauf ihre Auf¬
merksamkeit besonders gerichtet ist, weil sie da gerade den Mangel der Sprache
an Verständlichkeit am stärksten als Mangel empfindet. Er muß deshalb mit
allen Parteien gehen, ihre Lehren und ihre wissenschaftlichen Grundlagen als
Sprachmeister behandeln. In jedem, welcher Partei er auch angehöre, die helle
Freude darüber zu erwecken, wieviel schmucker, sinnvoller und klarer sich der
Gedankeninhalt seiner Parteilehre im adligen Glänze einer reinen Sprache aus¬
nimmt, als im zerknitterten Kleide der Sprache seiner Führer und des Druck¬
werks seiner Partei, muß sich der Sprachreiniger zu seiner Aufgabe machen.
Alles wiederum, was die Tagesströmung aus dem Gebiete der Wissenschaft in
den Kreis der besonderen Beachtung hineintreibe, muß dem Sprachreiniger dazu
dienen, die Aufmerksamkeit der Massen darauf zu richten, daß sie infolge der
Sprachmengerei unglücklich daran sind und durch sie vom klaren Verständnis der
die Gebildeten beschäftigenden Fragen fern gehalten werden. Um ein Beispiel zu
geben — die Emsteinsche Relativitätstheorie müßte in möglichst reinem Deutsch
gemeinverständlich vorgetragen werden, die Fremdwörter aber dabei erklärt, Vor¬
schläge zu deren Ersetzung durch deutsche Worte mitgeteilt und das Nötige erwähnt


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[0134] Neue Wege der Sprachreinignng so muß die Fremdwortbekämpfung mit dieser Masse Berührung zu finden, sie zur Mitarbeit zu bestimmen versuchen. Nur mit der Masse und durch sie wird man in Zukunft auf den Sieg hoffen können. Ohne ihren Beistand wird die Nieder¬ lage endgültig werden. II. Die Feindschaft gegen die Sprachreinigung darum, weil politische Ziele oder der Vorteil der Wissenschaften die „Bereicherung" unserer Sprache mit Fremdwörtern zu verlangen scheinen, ist verfehlt. Dem wird jeder Sprach¬ reiniger zustimmen. Er kann dann aber auch nicht gut bestreiten, daß die Ver¬ quickung seiner Arbeit mit der Pflege völkischen Empfindens und Schönheitssinns nicht am Platze ist, und daß er deren Pflege den Politikern, Künstlern und Dichtern überlassen sollte. Seine alleinige Aufgabe ist, die Sprache so zu fördern, daß sie ihrer Aufgabe, ein allen verständliches Verständigungsmittel zu sein, gewachsen ist, und der einfachen Erkenntnis überall Bahn zu brechen, daß es eine traurige, lahme Sprache ist, zu deren Verständnis gute Kenntnisse in zwei toten und mindestens zwei anderen lebenden Sprachen nötig sind, und daß das papageien¬ hafte Lernen von fremden Brocken une menschenunwürdige, unsinnige geistige Arbeit ist, die letzten Endes groben Mißverständnissen oder dem Nurhalbverstehen Tür und Tor öffnet. Wenn er dann das Verständnis dafür verbreitet, daß die Verwendung von Fremdwörtern in einer Sprache diese verödet, weil jedes Fremd¬ wort ein deutsches Wort verdrängt und der Sprache die Fähigkeit neuer Wort¬ bildungen für neue Gedanken und Begriffe nimmt oder doch erheblich schmälert, und daß es grober Unfug ist, den breiten Massen aller Völker den Zugang zu den Geistesquellen aufs äußerste zu erschweren, damit den paar Wissenschaftlern das Prägen und Lernen von Fachausdrücken „leichter" wird (?), so hat der Sprach¬ meister alles getan, was ihm zukommt. Mehr ist unbescheiden. Der neue Weg erscheint zuerst nüchtern, denn wo bleiben der Schönheit Blumenpfade, die Beteuerungen der Liebe zum Volkstum, aber auch die Empfinde- leien, wie sie sich beispielsweise an den Ausdruck „Muttersprache" knüpfen? Freilich bleibt für dies alles kein Raum, aber nur zum Vorteil unserer Sprache, deren Not gerade wegen aller dieser Abwege des Sprachreinigers von den meisten nicht verstanden oder gar belacht wird. Ist die Sprachreinigung erst dem Parteien¬ hader entrückt und gilt der Sprachreiniger erst dafür, daß er nichts anderes will, als die Sprache zu dem möglich besten Werkzeug der Gedankenübertragung umbilden, so werden alle Kreise unseres Volkes auf ihn hören und seine Warnungen und Ratschläge, weil sie die blanke Nützlichkeit predigen, beachten. Diese Arbeit selbst wird aber nicht nüchtern sein. Der Sprachreiniger wird viel¬ mehr von der Dankbarkeit seiner Aufgabe ebenso erfreut sein, wie er vor deren Umfang erschrecken wird. Denn er hat, um auf die Masse wirken zu können, sie überall da anzufassen, wo ihr stärkstes Empfinden lebt und worauf ihre Auf¬ merksamkeit besonders gerichtet ist, weil sie da gerade den Mangel der Sprache an Verständlichkeit am stärksten als Mangel empfindet. Er muß deshalb mit allen Parteien gehen, ihre Lehren und ihre wissenschaftlichen Grundlagen als Sprachmeister behandeln. In jedem, welcher Partei er auch angehöre, die helle Freude darüber zu erwecken, wieviel schmucker, sinnvoller und klarer sich der Gedankeninhalt seiner Parteilehre im adligen Glänze einer reinen Sprache aus¬ nimmt, als im zerknitterten Kleide der Sprache seiner Führer und des Druck¬ werks seiner Partei, muß sich der Sprachreiniger zu seiner Aufgabe machen. Alles wiederum, was die Tagesströmung aus dem Gebiete der Wissenschaft in den Kreis der besonderen Beachtung hineintreibe, muß dem Sprachreiniger dazu dienen, die Aufmerksamkeit der Massen darauf zu richten, daß sie infolge der Sprachmengerei unglücklich daran sind und durch sie vom klaren Verständnis der die Gebildeten beschäftigenden Fragen fern gehalten werden. Um ein Beispiel zu geben — die Emsteinsche Relativitätstheorie müßte in möglichst reinem Deutsch gemeinverständlich vorgetragen werden, die Fremdwörter aber dabei erklärt, Vor¬ schläge zu deren Ersetzung durch deutsche Worte mitgeteilt und das Nötige erwähnt

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/134>, abgerufen am 28.12.2024.