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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Reisebriefe an den Kaiser

Die Nässe des Schiffes hing zweifellos mit der kurzen See zusammen, der das
schwere Schiff sich nicht in seinen Bewegungen anpassen konnte.

Als der "Kaiser" bei der .Kursänderung hinter Tertschelling ziemlich quer zur
See kam, lag das Schiff über mein Erwarten gut. Die kurzen Wellen konnten es
nicht in nennenswerte Bewegung bringen und die vom Bug zurückgeworfene See
deckte die Breitseite etwas, so daß das Wasser nur verhältnismäßig selten bis auf
das Aufbaudeck spritzte. Bis zur Einsteuerung in den Kanal hatte das Wetter sich
erheblich gebessert. Ein nicht zu starker Wind verhinderte die Reh.Bildung; es
war gut feuersichtig, nur die Küste war in Dunst gehüllt, so daß in<:n von Dover,
das am 11. Dezember gegen 10 K morgens außerhalb der 3-SeemeiIcn-Grenze passiert
wurde, nur die äußeren Molen erkennen konnte.

Während Segelschiffe, wohl nach dem schlechten Wetter der letzten Tage, wenig
getroffen wurden, war der Dumpferverkchr außerordentlich rege. Nachmittags
passierte die "Pennsylvania" auf der Heimreise. Die zahlreichen Passagiere grüßten
mit Hurra und Winken begeistert herüber.

Abends, als die Insel Wight querab lag, war es ziemlich still und auch unter
Land ganz klar geworden. Bei ziemlich vollem Mond bot sich ein herrliches Nacht-
bild: Die Insel mit den zahllosen Lichtern von Beniner und davor zwei große
Vicrmaster, die in geringem Abstand unter vollen Segeln vorbeiglitten.

Die Biskaya zeigte bei hohem Barometerstand im allgemeinen ein sehr freund¬
liches Gesicht; nur strichweiser Nebel am Vormittag des 13. hielt verschiedentlich
die Fahrt auf. Sonst stand bei ruhigem Wasser nur eine lange, leichte Dünung
ziemlich qucreiu, bei der das Schiff langsame und angenehme Bewegungen machte,
ohne Wasser an Deck zu bekommen. Die Sonne, die morgens durchzudringen schien,
hatte dem Nebel weichen müssen, und nachmittags deckten graue, schwere Wolken den
Himmel, bis abends in der Hohe von Cap Finisterra die Luft sich klärte und einen
prachtvollen Sternhimmel herniedcrscheinen ließ.

Der Sonntag -- der 1-1. Dezember -- ließ die Besatzung die Schönheit der
Reise nach Süden zum ersten Male voll empfinden. Die Seekrankheit der ersten
schlechten Tage war überwunden; auch das Maschinenpersonal, sür das, bei den noch
nicht eingearbeiteten Rekruten, die Dauerfahrt trotz der nicht hohen Geschwindigkeit
eine ziemliche Anstrengung bedeutete, wurde mit seinein Dienst jetzt bereits besser
fertig. Das Schiff wiegte sich in der tiefblauen, leichten Dünung, Heller Himmel
mit wenig weißen Wolken wölbte sich über dem weiten Meer; kein Spritzer störte
den Aufenthalt an Deck. Alle Luken ließen frische Luft in die unteren
Räume und ein schwacher Wind hielt auch den lästigen Qualm der Schornsteine
dem Schiffe fern.

Das Leben und Treibe." spielte sich an Deck ab in der beginnenden Wärme.
Die Weihnachtslieder beim Gottesdienst führen die Gedanken heimwärts und bringen
den Gegensatz recht zur Empfindung zwischen dem trüben Winter daheim und dem
sonnigen Süden, dem die Besatzung mit großer Erwartung entgegensieht.

Nun folgten noch zwei prachtvolle Tage, zur Ausbildung der Besatzung wie
geschaffen, die auch Gelegenheit boten, das Prüfungsschießen auf S. M. S.
"Kaiser" zu erledigen, bis morgen früh vor Las Palmas geankert werden soll.


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Reisebriefe an den Kaiser

Die Nässe des Schiffes hing zweifellos mit der kurzen See zusammen, der das
schwere Schiff sich nicht in seinen Bewegungen anpassen konnte.

Als der „Kaiser" bei der .Kursänderung hinter Tertschelling ziemlich quer zur
See kam, lag das Schiff über mein Erwarten gut. Die kurzen Wellen konnten es
nicht in nennenswerte Bewegung bringen und die vom Bug zurückgeworfene See
deckte die Breitseite etwas, so daß das Wasser nur verhältnismäßig selten bis auf
das Aufbaudeck spritzte. Bis zur Einsteuerung in den Kanal hatte das Wetter sich
erheblich gebessert. Ein nicht zu starker Wind verhinderte die Reh.Bildung; es
war gut feuersichtig, nur die Küste war in Dunst gehüllt, so daß in<:n von Dover,
das am 11. Dezember gegen 10 K morgens außerhalb der 3-SeemeiIcn-Grenze passiert
wurde, nur die äußeren Molen erkennen konnte.

Während Segelschiffe, wohl nach dem schlechten Wetter der letzten Tage, wenig
getroffen wurden, war der Dumpferverkchr außerordentlich rege. Nachmittags
passierte die „Pennsylvania" auf der Heimreise. Die zahlreichen Passagiere grüßten
mit Hurra und Winken begeistert herüber.

Abends, als die Insel Wight querab lag, war es ziemlich still und auch unter
Land ganz klar geworden. Bei ziemlich vollem Mond bot sich ein herrliches Nacht-
bild: Die Insel mit den zahllosen Lichtern von Beniner und davor zwei große
Vicrmaster, die in geringem Abstand unter vollen Segeln vorbeiglitten.

Die Biskaya zeigte bei hohem Barometerstand im allgemeinen ein sehr freund¬
liches Gesicht; nur strichweiser Nebel am Vormittag des 13. hielt verschiedentlich
die Fahrt auf. Sonst stand bei ruhigem Wasser nur eine lange, leichte Dünung
ziemlich qucreiu, bei der das Schiff langsame und angenehme Bewegungen machte,
ohne Wasser an Deck zu bekommen. Die Sonne, die morgens durchzudringen schien,
hatte dem Nebel weichen müssen, und nachmittags deckten graue, schwere Wolken den
Himmel, bis abends in der Hohe von Cap Finisterra die Luft sich klärte und einen
prachtvollen Sternhimmel herniedcrscheinen ließ.

Der Sonntag — der 1-1. Dezember — ließ die Besatzung die Schönheit der
Reise nach Süden zum ersten Male voll empfinden. Die Seekrankheit der ersten
schlechten Tage war überwunden; auch das Maschinenpersonal, sür das, bei den noch
nicht eingearbeiteten Rekruten, die Dauerfahrt trotz der nicht hohen Geschwindigkeit
eine ziemliche Anstrengung bedeutete, wurde mit seinein Dienst jetzt bereits besser
fertig. Das Schiff wiegte sich in der tiefblauen, leichten Dünung, Heller Himmel
mit wenig weißen Wolken wölbte sich über dem weiten Meer; kein Spritzer störte
den Aufenthalt an Deck. Alle Luken ließen frische Luft in die unteren
Räume und ein schwacher Wind hielt auch den lästigen Qualm der Schornsteine
dem Schiffe fern.

Das Leben und Treibe.« spielte sich an Deck ab in der beginnenden Wärme.
Die Weihnachtslieder beim Gottesdienst führen die Gedanken heimwärts und bringen
den Gegensatz recht zur Empfindung zwischen dem trüben Winter daheim und dem
sonnigen Süden, dem die Besatzung mit großer Erwartung entgegensieht.

Nun folgten noch zwei prachtvolle Tage, zur Ausbildung der Besatzung wie
geschaffen, die auch Gelegenheit boten, das Prüfungsschießen auf S. M. S.
„Kaiser" zu erledigen, bis morgen früh vor Las Palmas geankert werden soll.


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[0129] Reisebriefe an den Kaiser Die Nässe des Schiffes hing zweifellos mit der kurzen See zusammen, der das schwere Schiff sich nicht in seinen Bewegungen anpassen konnte. Als der „Kaiser" bei der .Kursänderung hinter Tertschelling ziemlich quer zur See kam, lag das Schiff über mein Erwarten gut. Die kurzen Wellen konnten es nicht in nennenswerte Bewegung bringen und die vom Bug zurückgeworfene See deckte die Breitseite etwas, so daß das Wasser nur verhältnismäßig selten bis auf das Aufbaudeck spritzte. Bis zur Einsteuerung in den Kanal hatte das Wetter sich erheblich gebessert. Ein nicht zu starker Wind verhinderte die Reh.Bildung; es war gut feuersichtig, nur die Küste war in Dunst gehüllt, so daß in<:n von Dover, das am 11. Dezember gegen 10 K morgens außerhalb der 3-SeemeiIcn-Grenze passiert wurde, nur die äußeren Molen erkennen konnte. Während Segelschiffe, wohl nach dem schlechten Wetter der letzten Tage, wenig getroffen wurden, war der Dumpferverkchr außerordentlich rege. Nachmittags passierte die „Pennsylvania" auf der Heimreise. Die zahlreichen Passagiere grüßten mit Hurra und Winken begeistert herüber. Abends, als die Insel Wight querab lag, war es ziemlich still und auch unter Land ganz klar geworden. Bei ziemlich vollem Mond bot sich ein herrliches Nacht- bild: Die Insel mit den zahllosen Lichtern von Beniner und davor zwei große Vicrmaster, die in geringem Abstand unter vollen Segeln vorbeiglitten. Die Biskaya zeigte bei hohem Barometerstand im allgemeinen ein sehr freund¬ liches Gesicht; nur strichweiser Nebel am Vormittag des 13. hielt verschiedentlich die Fahrt auf. Sonst stand bei ruhigem Wasser nur eine lange, leichte Dünung ziemlich qucreiu, bei der das Schiff langsame und angenehme Bewegungen machte, ohne Wasser an Deck zu bekommen. Die Sonne, die morgens durchzudringen schien, hatte dem Nebel weichen müssen, und nachmittags deckten graue, schwere Wolken den Himmel, bis abends in der Hohe von Cap Finisterra die Luft sich klärte und einen prachtvollen Sternhimmel herniedcrscheinen ließ. Der Sonntag — der 1-1. Dezember — ließ die Besatzung die Schönheit der Reise nach Süden zum ersten Male voll empfinden. Die Seekrankheit der ersten schlechten Tage war überwunden; auch das Maschinenpersonal, sür das, bei den noch nicht eingearbeiteten Rekruten, die Dauerfahrt trotz der nicht hohen Geschwindigkeit eine ziemliche Anstrengung bedeutete, wurde mit seinein Dienst jetzt bereits besser fertig. Das Schiff wiegte sich in der tiefblauen, leichten Dünung, Heller Himmel mit wenig weißen Wolken wölbte sich über dem weiten Meer; kein Spritzer störte den Aufenthalt an Deck. Alle Luken ließen frische Luft in die unteren Räume und ein schwacher Wind hielt auch den lästigen Qualm der Schornsteine dem Schiffe fern. Das Leben und Treibe.« spielte sich an Deck ab in der beginnenden Wärme. Die Weihnachtslieder beim Gottesdienst führen die Gedanken heimwärts und bringen den Gegensatz recht zur Empfindung zwischen dem trüben Winter daheim und dem sonnigen Süden, dem die Besatzung mit großer Erwartung entgegensieht. Nun folgten noch zwei prachtvolle Tage, zur Ausbildung der Besatzung wie geschaffen, die auch Gelegenheit boten, das Prüfungsschießen auf S. M. S. „Kaiser" zu erledigen, bis morgen früh vor Las Palmas geankert werden soll. 8»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/129>, abgerufen am 28.12.2024.